Ronin01.07.2015, Benjamin Schmädig

Im Test: Coole Heldin auf Rachefeldzug

Lautlos knüpft die Heldin Wachen an der Decke auf, ein Streich aus dem Schatten durchschneidet Kehlen – wird sie entdeckt, bleibt das Spiel stehen. Gut so, denn so kann sie ihren nächsten Zug in Ruhe planen. Erst nach Kommando läuft das Spiel weiter, ganz kurz, dann stoppt es wieder. Auf Early Access verlieh Tomasz Waclawek seinem Ronin den letzten Schliff. Entstand so ein kleines Juwel?

"Fünf müssen sterben – auf geht’s!"

Eine Handlung? Fünf Attentate will die Heldin im Motorradhelm ausüben, doch zunächst muss sie den Standort ihres nächsten Ziels in Erfahrung bringen. Also hackt sie in kurzen Levels mehrere Computer, um irgendwann ihr Opfer zu finden.

Vier knappe Zeilen reichen als Einleitung, Filmszenen gibt es nicht. Ronin will keine Geschichte erzählen, es ist vor allem eine Konzeptarbeit, entworfen von Tomasz Waclawek. Seine kostenlose Erstausgabe bietet er noch immer zum Download an; im fertigen

Vom Konzept zum eigenen Spiel: Selbst Gunpoint-Entwickler Tom Francis erwähnt Ronin lobend.
Spiel ersetzen klare Linien die frühen Pixeltreppchen, Steuerung und andere Details wurden verfeinert.

Die Pausenmaus

Und wie spielt es sich? Zunächst einmal mit Maus und Tastatur: W, A, S, D bewegt die rachsüchtige Protagonistin, auch an Wänden und Decken entlang. Mit einem Druck auf die Maustaste springt sie – allerdings nicht in Laufrichtung, sondern wohin man zeigt. Genauer gesagt wird das Spiel bei gedrückter Taste angehalten, so dass man in Ruhe den Sprungwinkel bestimmen kann. Ein wenig erinnert das an Gunpoint. Kein Wunder: Die Stealth-Action diente als Vorlage.

Nach echtem Schleichen steht dieser Ronin allerdings nicht der Sinn. Sie kann Wachen zwar umgehen, wenn sie einen Weg durchs Dunkel findet, ihr Ziel ist allerdings das Töten aller Gegner. Tatsächlich erhält sie nur dann einen einzigen Erfahrungspunkt, wenn sie genau das schafft, keinen Alarm auslöst und sämtliche Zivilisten verschont. Was gar nicht so einfach ist, denn auch Unbeteiligte rufen um Hilfe,

Mit Gamepad spielt Ronin sich zu ungenau: Gleiche Aktionen liegen etwa auf verschiedenen Tasten und weil die Heldin ihr Kabel oft nicht abschießt, stirbt sie ärgerliche Tode.
wenn sie z.B. einen Mord beobachten.

Die Ninja-Samurai

Die Action ist verdammt cool! Immerhin kann die Assassine ihr Schwert auf einen Gegner werfen, wenn ihr Zug endet und sie noch in der Luft ist. Klasse auch, wie sie sich an Kabeln durch den Raum schwingt, um von dort aus auf Wachen zu springen oder höhere Ebenen zu erreichen.

Einige dieser Fähigkeiten erhält die Ronin nur durch Erfahrungspunkte – wenn sie also perfekte Abschlüsse schafft. Und das ist angenehm anspruchsvoll. Während sie ihre  Primärziele nämlich oft problemlos erreicht, ist vor allem das Verhindern von Alarm eine echte Herausforderung. Denn weil Wachen am anderen Ende eines Raums meist binnen weniger Sekunden Meldung machen, muss sie dafür sehr schnell sein. Besonders in späteren Levels benötigt sie dafür einige der zusätzlichen Fähigkeiten.

Fehlende Kontrolle

Die Alarme sind allerdings auch ein Knackpunkt, der für Frust sorgen kann. Verlieren die Wachen ihr Ziel nämlich aus den Augen, springt das Spiel fast unbemerkt von Rundentaktik zurück auf Echtzeit. Mitunter verziehen

Mögliche Aktionen werden als Symbole angeklickt.
deshalb wichtige Sekunden, ohne dass man den Wechsel bemerkt. Es gibt zudem Aktionen, die die Echtzeit-Heldin genau zum richtigen Zeitpunkt ausführen muss. Dafür kann man das Spiel pausieren – dass das geht, ist sinnvoll! Allerdings entstehen so Situationen, in denen man die Leertaste gedrückt halten muss, um die eigentliche Echtzeit manuell in einen Rhythmus sehr kurzer Runden zu versetzen. Und das macht keinen Spaß.

Ein Ärgernis ist auch, dass viele Aktionen nicht so präzise planbar sind wie es gut tun würde. So sieht man etwa, wohin Gegner zielen, kann aber nicht genau abschätzen, ob die Assassine gerade noch über die Schusslinie springt oder knapp getroffen wird. Zu allem Überfluss führt sie einen Angriff von oben schon mal so aus, dass sie die Schusslinie berührt. Dabei bedeutet jeder Treffer ihren Tod und den Neustart des aktuellen Gefechts!

Fazit

Schade: So clever das Konzept, so unausgereift die Umsetzung. Ronin inszeniert fordernde Rundentaktik mit coolen Stunts, aber unangenehme Kanten bei Steuerung und Spielfluss sorgen für Frust. Der Wechsel zwischen Runde und Echtzeit geschieht zu unauffällig und nicht alle Aktionen sind präzise planbar. Es fehlt das Gefühl der perfekten Kontrolle – die wäre in Anbetracht der schnellen Tode und der Notwendigkeit perfekter Abschlüsse aber notwendig. Es macht trotzdem Spaß, einen cleveren Plan auszutüfteln und die Attentäterin mit der richtigen Aktion davor zu retten, ins Kreuzfeuer zu geraten! Gelungen ist das Erlernen neuer Fähigkeiten, die man sich mühevoll erarbeiten muss. Vielleicht baut Tomasz Waclawek sein Konzept irgendwann ja in ein großes Spiel aus. Sein Ronin ist ein sympathisches, aber auch sehr kurzlebiges Vergnügen.

Pro

interessanter Spielfluss aus Echtzeitbewegung und Rundenkampf
coole Techniken, viele davon aus Sprüngen heraus
neue Fähigkeiten erfordern perfekte Ergebnisse

Kontra

gleichförmige Kampagne mit wenig Abwechslung
Wechsel von Runde zu Echtzeit mitunter verwirrend/unvorhersehbar
Aktionen auf frustrierende Art nicht genau vorhersehbar
Gamepad-Steuerung ungenau und unzuverlässig
keine Punkte oder Ranglisten

Wertung

PC

Spannende Rundentaktik, der das wichtige Gefühl der perfekten Kontrolle fehlt.

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