Warhammer: End Times - Vermintide30.10.2015, Benjamin Schmädig

Im Test: Schädlingsbekämpfung

Wie heißt dieses Spiel? Vier Kämpfer wehren sich mit Händen und Füßen, während ihnen eine Horde Gegner an den Kragen springt. Das Quartett schlitzt und schießt, bis es die rettende Tür erreicht. Falls es versagt, beginnt die Hatz von vorn. Klar: Es geht um Left 4 Dead. Oder um das verblüffend ähnliche Warhammer: The End Times - Vermintide. Im Test untersuchen wir, ob der Koop-Shooter seinem Vorbild das Wasser reichen kann.

Verdammte Skaven!

Dieses Ungeziefer hat die gesamte Stadt befallen: Ubersreik ist voll von Rattenmenschen. Setzt man auch nur einen Fuß auf die Straße, stürmen sie von allen Seiten heran. Ganze Rudel schwären dann aus ihren Löchern, riesige Oger-Ratten wüten wie Kolosse über die Helden hinweg, hinterhältige Attentäter werfen sie zu Boden und Rudelmeister verschleppen einzelne Kämpfer, um sie auf Lanzen aufgespießt verrotten zu lassen.

Es sei denn... nun, es sei denn, die vier Helden sind stärker, cleverer, ziehen an einem Strang, um der Überzahl sowie mächtiger Einzelgegner Herr zu werden. Denn nur darum geht es: gemeinsam überleben, bis alle Kämpfer den Fluchtwagen, eine auf sie wartende Kutsche erreicht haben. Finden sich weniger als vier Spieler, füllen vom Spiel gesteuerte Figuren die leeren Plätze, bis weitere Mitspieler der Partie beitreten - das ist jederzeit möglich. Spätestens

Der Ansturm der Rattenmenschen bricht nie ab. Sind alle besiegt, kommen neue nach.
auf dem anspruchsvollen dritten Schwierigkeitsgrad leisten menschliche Partner allerdings bessere Arbeit. Von Stufe vier und fünf ganz zu schweigen.

Heiße Hexe

Vermintide stellt die Warhammer-Welt herrlich dunkel und schmutzig dar. Das kooperative Gemetzel läuft auch ohne Monster-Rechner wunderbar flüssig und lässt sich bequem mit Maus und Tastatur oder Gamepad steuern. Dabei geht es zunächst ganz ruhig zur Sache, denn jedes Spiel beginnt in einer Taverne. Bis zu vier Spieler treffen sich dort, jeder steuert einen von fünf Charakteren. Die können zwar in beliebiger Konstellation alle Missionen bestreiten, verfügen aber über verschiedene Ausrüstung und Fähigkeiten.

Der Zwerg ist mit seiner Axt etwa ein hervorragender Angreifer, kann mit einem schweren Schlag viele Gegner attackieren und richtet mit einer Armbrust großen Schaden an. Die Elfe ist mit ihren zwei Klingen zwar im Nahkampf schwächer, deckt mit Pfeil und Bogen aber die Flanken ihrer Mitstreiter. Am hervorstechendsten ist die Zauberin, denn die langt zwar ebenfalls aus unmittelbarer Nähe zu, schießt aber auch Feuerbälle. Lädt sie ihren Stab auf, wirkt die Magie sogar wie eine Art Granate. Der Haken: Nach häufigem Zaubern muss sie die Hitze in ihrem Körper abkühlen – auf Kosten von etwas Lebensenergie.

Einmal im Quartett, immer zu viert

Die kleinen Finessen sind interessant, obwohl sie nur für dezente taktische Unterschiede sorgen. Unterm Strich steht jedenfalls immer das frenetische Schlachten Dutzender, nein: Hunderter Rattenmenschen im Mittelpunkt – gespickt mit dem gelegentlichen Einsatz von Pistolen, Pfeilen und Magie. Wichtig ist, dass die Gruppe zusammenbleibt, denn nur gemeinsam ist sie in den meisten Scharmützeln stark genug.

Und das ist schade. Denn während das vereinte Vernichten einer ganzen Wand an Feinden ausnehmend packend ist und emotionale Bande schafft, fehlt dem Spiel die Variation zusätzlicher Herausforderungen, in denen sich das Team etwa teilen muss. Mitunter müssen einige Helden zwar ihre Kameraden beschützen, wenn sie Lebensmittelsäcke in

Oger kann man nicht umgehen, manche Kämpfe können leise Helden aber vermeiden.
die Kutsche tragen, um Nahrung für das hungernde Ubersreik zu stehlen. Nur mit durchdachter Aufgabenteilung fallen auf den höheren Schwierigkeitsstufen zudem mächtige Gegner wie der Oger oder ein Wachtrupp, den ein unaufmerksamer Kämpfer aufgescheucht hat.

Das ist klasse: Auf leisen Sohlen können die Helden manche Ratten und vor allem die starken Patrouillen einfach umgehen! Abseits des Wegs finden sie außerdem Heiltränke und solche, die sie schneller oder stärker machen. Weitläufige Verzweigungen gibt es aber nicht. Man findet keine starken Waffen, wenn zwei Spieler z.B. einen Hebel umlegen, der für kurze Zeit eine entfernte Geheimtür öffnet. Vermintide ist auch so kein Zuckerschlecken! Für eingespielte Teams wären solche Bonusziele trotzdem eine gelungene Herausforderung. Stattdessen stellt sich an den gerade mal 13 Schauplätzen irgendwann Routine ein; die im Wesentlichen gerade mal sieben Skaven-Typen mit ihren vorhersehbaren Angriffsmustern sorgen für wenig Abwechslung.

Nicht immer hat die Action den richtigen Rumms: Schwerthiebe "wischen" durch Gegner, als würden sie nicht auf Widerstand treffen.

Unnötige Geheimniskrämerei

Apropos Rattenmenschen: Es ist ärgerlich, dass sich die Skaven nahezu geräuschlos fortbewegen. Das Unvorhersehbare erhöht zwar die Spannung. Wenn man zumindest erahnen könnte, von wo sich Attentäter oder Rudelmeister nähern, gäbe es aber weniger frustrierende Momente, nachdem ein Held mal wieder aus heiterem Himmel kampfunfähig ist.

Auch fehlende Reaktionen auf Treffer sowie die unauffällige Darstellung des eingesteckten Schadens sorgen dafür, dass diesem "Warhammer Left 4 Dead" die große Intensität knackiger Action fehlt: Man klickt eine Welle nach der nächsten weg, aber es rummst nicht und knallt kaum. Und das, obwohl gerade der Nahkampf vor allem gegen mächtige Feinde richtig spannend sein kann! Die Helden teilen nämlich nicht nur mit leichten oder schweren Hieben aus. Sie schieben Skaven auch von sich weg und parieren ankommende Schläge. Gelingt eine solche Abwehr, stolpert der Gegner und ist offen für einen Konter.

"Suche Sprecher, biete Axt"

Die Feinheiten des Systems erklärt Vermintide leider nicht gut genug. Kurze Texte beschreiben lediglich die Grundlagen der Steuerung – einige Finessen müssen engagierte Spieler jedoch selbst herausfinden oder von Begleitern erfahren. Klar: In einer festen Gruppe sprechen sich wichtige Feinheiten meist wie von selbst herum und ohne beständiges Team verliert das Spiel ohnehin schneller an Reiz.

Das liegt auch daran, dass der Online-Shooter auf manchen Kniff verzichtet, mit dem Teamplayer leichter Mitstreiter finden würden. So kann man beim Erstellen einer Partie nicht nach Spielern mit gleichen Sprachvorlieben und

Würfelglück: Nach jedem Abschnitt erhalten Helden neue Waffen. In der Taverne können sie ihre Ausrüstung zudem verbessern.
aktiviertem Sprachchat suchen. Genau das würde die Action aber stark aufwerten, weil sie so sehr von präziser Kooperation lebt. Vorgefertigte Gesten oder Kommandos gibt es leider nicht. Schade auch, dass die Runde aufgelöst wird, sobald ihr Ersteller sie verlässt. Besser wäre, wenn ein anderer Spieler dann die Funktion des Hosts übernehmen könnte.

Würfelglück und Waffenschmied

Die frenetische Hatz durchs Warhammer-Universum hat klare Schwächen – und trotzdem motiviert sie ein ums andere Mal. Das liegt nicht nur an den packenden Gefechten, es liegt auch an der zufälligen Auslosung neuer Ausrüstung nach jedem abgeschlossenen Level. Denn jeder Held erhält nach dem erfolgreichen Erreichen der Kutsche einen Ausrüstungsgegenstand sowie einen weiteren vom Zufall buchstäblich erwürfelten. Wer im Einsatz einen bestimmten Gegenstand gefunden hat, steigert sogar seine Chance auf z.B. seltene Waffen. Dieser nimmt allerdings den Platz eines Heilmittels ein...

Vor Beginn des nächsten Levels stimmen alle Mitglieder daraufhin über den kommenden Schauplatz ab oder ziehen sich in die Taverne zurück, wo sie fünf Gegenstände gleichen Typs zu einem neuen verschmelzen können. Dieses

Vermintide fängt die Warhammer-Stadt Ubersreik samt Umgebung überzeugend ein.
Lockmittel eines Rollenspiels tut Vermintide richtig gut. Es motiviert nämlich bedeutend länger, als es die Action alleine könnte und bringt wichtige Variation ins Spiel.

Die Zauberin erhält etwa einen Stab, der statt weniger starker Feuerbälle schnelle, kurze Blitze schleudert. Nahkampfwaffen unterscheiden sich ebenfalls darin, mit welcher Geschwindigkeit man schlägt und welchen Schaden sie bei wie vielen Gegnern anrichten. Hochwertige Ausrüstung lässt sich schließlich aufwerten, um zusätzliche Eigenschaften wie größere Munitionstaschen zu aktivieren. Und mit weiterer besonderer Ausrüstung ist es möglich, z.B. einen Teil der eigenen Gesundheit wiederherzustellen, indem man einen Begleiter heilt. So unterstützen manche Gegenstände sogar das wichtige Zusammenspiel – clever!

Wie schön wäre es, wenn manche Online-Kameraden dieses Teamwork stärker im Blick hätten, anstatt nur ihre eigene Ratten-Quote ins Auge zu fassen.

Fazit

Das Left 4 Dead in der Warhammer-Welt ist eine echte Überraschung: Es imitiert das große Vorbild nicht nur irgendwie, sondern macht das richtig gut! Die Flucht durch Horden gefährlicher Rattenmenschen ist immer spannend, oft höllisch aufregend und erfordert spätestens auf den hohen Schwierigkeitsgraden ein hervorragendes Zusammenspiel aller vier Kämpfer. Sie müssen ihre Fähigkeiten sinnvoll kombinieren, sich gegenseitig den Rücken decken und zielstrebig durch die meist nächtlichen Kulissen preschen. Im Nahkampf nutzen sie Angriff, Ausweichschritt und Parade gegen besonders starke Skaven. Magische und ballistische Geschosse ergänzen ihre taktischen Möglichkeiten. Schade, dass sich ausgerechnet der zentrale Nahkampf nicht präzise anfühlt: Waffen "wischen" durch Gegner, als würden sie auf keinen Widerstand treffen. Zudem ist das geradlinige Ablaufen der überschaubaren 13 Levels irgendwann ermüdend und der Spielersuche fehlen Einstellungsmöglichkeiten, um gleichsprachige Begleiter für kommunikative Teams zu finden. Einen Joker spielt Warhammer: The End Times – Vermintide dafür mit der vom Zufall erwürfelten Ausrüstung sowie dem Verbessern von Waffen und Gegenständen aus. Und sei es nur, um eine gerade erhaltene Waffe wenigstens einmal auszuprobieren: Immer wieder atmen die Helden nur kurz durch, bevor sie sich erneut den schier übermächtigen Rattenwesen stellen.

Pro

nervenaufreibende Hatz durch gefährliche Gegnernmassen
zufällige Ausrüstung als motivierende Belohnung
unterschiedliche Charaktere mit verschiedenen Primär- und Sekundärwaffen
Nahkampfsystem mit Ausweichschritten, Blocks, leichten und schweren Angriffen
für Neulinge sehr gute...
finstere und dreckige Kulissen
verschiedene Wege mit versteckten Heilmitteln, Munition oder Tränken
nach jedem Abschnitt stimmen Spieler über nächstes Ziel ab
Patrouillen sorgen für Gefahr, können aber umgangen werden
fünf Schwierigkeitsgrade sprechen alle Bedürfnisse an
Bots ergänzen fehlende Spieler
schnelle Spielersuche
guter Soundtrack von Jesper Kyd

Kontra

mangelhaftes Treffer-Feedback bei eigenen und feindlichen Treffern
wenige verschiedene Gegner
spielerisch und für die Stimmung schlecht: Gegner rennen unhörbar heran
keine Nebenmissionen und nahezu keine Trennung von Aufgaben
... im Detail aber lückenhafte Erklärung der Spielinhalte
verlässt Host das Spiel, fliegen Teammitglieder ebenfalls heraus
keine Suche nach gleichsprachigen Spielern mit evtl. aktiviertem Voice-Chat
keine Kommunikation über Gesten oder vorgefertigte Kommentare

Wertung

PC

Koop-Action mit kleinen spielerischen Schwächen, aber packenden Scharmützeln.

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