Battle Chasers: Nightwar06.10.2017, Marcel Kleffmann
Battle Chasers: Nightwar

Im Test: Dungeon-Crawler mit tollen Kämpfen

Mit Battle Chasers: Nightwar (ab 6,19€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) präsentieren Joe Madureira und Ryan Stefanelli, die federführend an Darksiders und Darksiders 2 beteiligt waren, das erste Projekt ihres Studios Airship Syndicate. Hinter der generischen Namensfassade verbirgt sich ein Taktik-Rollenspiel mit rundenbasierten Kämpfen und vielen JRPG-Anleihen in einer comichaften Fantasywelt, die sich auch THQ Nordic nicht entgehen lassen wollte. Wir haben uns für den Test in packende Schlachten gestürzt!

Japanische Dreifaltigkeit

Battle Chasers: Nightwar, das auf der gleichnamigen Comic-Reihe der 90er-Jahre basiert, ist ein Dungeon-Crawler nach klassisch japanischer Bauart, der sich in drei Bestandteile unterteilt: Bewegung auf der Weltkarte, Erkundung der Schauplätze und reichlich Kampf. Kenntnisse des Comics sind allerdings nicht erforderlich.

Unterwegs von A nach B

Alles beginnt mit dem Absturz des Luftschiffes der Battle-Chasers-Heldentruppe auf einer mysteriösen Insel, den sie nur mithilfe von Magie überleben, doch dabei wird die Gruppe auseinandergerissen. Also steht zunächst die Suche nach den Vermissten auf der Tagesordnung und während das ursprüngliche Team wieder zusammenfindet, kommen die Helden den finsteren Machenschaften einer Totenbeschwörerin auf die Spur, die es aufzuhalten gilt ...

Das Heldentrio ist auf dem Weg zum nächsten Dungeon.
Die Helden bewegt man auf der stilisierten Weltkarte von Knotenpunkt zu Knotenpunkt, spricht mit anderen Charakteren, managt die Gruppe (Ausrüstung, Tränke, Talentpunkte), kauft in Läden ein und führt im Großen und Ganzen die Geschichte fort. Die Story wird in ansehnlichen comichaften Zwischensequenzen fortgeführt, in deren Mittelpunkt die illustren Charaktere stehen. Leider sind nicht alle Zwischensequenzen mit (deutscher) Sprachausgabe vertont. Die meisten Nebenquests sind irgendwie leer ausgegangen. Die bewusst diffus gehaltenen Charaktere (ein Roboter-Golem mit Hang zur Natur, ein Mädchen mit einem magischen Handschuh, ein kauziger Magier, eine leicht bekleidete Schurkin etc.) mit ihren eigenen Stärken und Schwächen klingen auf dem Papier zwar ansprechend, bleiben jedoch oberflächlich skizziert. Ihnen fehlt es trotz der gelegentlichen teaminternen Geplänkel an Tiefgang, der in solch einer reichhaltigen Fantasywelt mit humanoiden Haien als Fischer sicher möglich gewesen wäre. Aber Battle Chasers spielt man nicht wegen der Geschichte, sondern wegen der tollen Kämpfe. Die Story plätschert nur so vor sich hin.

Im Laufe der Geschichte schließen sich weitere Charaktere dem Kampf an. Da nur drei Charaktere zur aktiven Gruppe gehören können, muss man sich immer wieder entscheiden, welche drei Personen man für eine möglichst effektive Mischung im Team haben möchte.

In manchen Dungeons muss man Fallen und Verteidigungsanlagen ausweichen. Hier gibt es zum Beispiel rotierende Sägeblätter und Feuerspucker. Gegner sind übrigens auch von Falleneffekten betroffen. Zieht man einen Gegner vor dem Aufeinandertreffen in eine Falle, so erleiden die Feinde ebenfalls Schaden.

Auf Erkundungstour

Erreichen die Helden einen relevanten Schauplatz auf der Weltkarte, kann dieser betreten werden. Diese Areale lassen sich in Echtzeit wie in einem Dungeon-Crawler aus der isometrischen Perspektive erkunden. Dort untersucht man die Umgebung, findet Schatzkisten und Materialen für das Craftingsystem, löst kleine Puzzles (meist Schalterrätsel) oder Mini-Story-Aufgaben mit Multiple-Choice-Optionen und nimmt sich vor Fallen bzw. Verteidigungsanlagen in Acht.

Obgleich man immer mit dem Heldentrio unterwegs ist, sieht man dort nur einen Charakter aktiv herumlaufen, den man aber mit einem Tastendruck wechseln kann, um andere Spezialfähigkeiten einsetzen zu können. So kann sich Schwertschwinger Garrison über eine kurze Strecke nach vorne zum Ausweichen (der Fallen) teleportieren, während Gully mit ihren überdimensionalen Handschuhen Gegner kurzzeitig betäuben kann. Letzteres kann sehr praktisch sein, denn sobald Gegner auf die Heldentruppe aufmerksam geworden sind, stürmen sie auf die Helden zu und wenn sie nicht betäubt werden oder man ihnen anders aus dem Weg gehen kann, kommt es zum Kampf. Red Monika kann zum Beispiel in "Verstohlenheit" gehen und Calibretto (Roboter) eine Gruppenheilung wirken.

Erstklassige Kämpfe

Trifft man auf der Weltkarte oder bei der Erkundung auf einen Gegner, entbrennt ein Kampf, der auf einem separaten Schlachtfeld in rundenbasierter Form ausgetragen wird. Auf der linken Seite ist das Heldentrio zu sehen. Auf der rechten Seite stehen die Kontrahenten, die je nach Anzahl in mehreren Wellen attackieren können. Die Reihenfolge der Attacken basiert auf einem "Initiative-System" und zur Planung des Kampfablaufes kann man sich auf die Leiste auf der linken Seite verlassen: Wählt man eine Aktion aus, lässt sich sofort ablesen, wann die Fähigkeit letztendlich ausgeführt wird. Im Regelfall werden die "günstigen Standangriffe", die "Mana-Überladung" generieren, sofort oder kurz danach ausgeführt, während wuchtigere Attacken, die Mana kosten, eine gewisse Vorbereitungszeit erfordern. So kann man durch die Auswahl der Fertigkeiten direkt sehen, ob ein Gegner zum Beispiel noch einmal zum Zug kommt oder nicht. Gerade bei Heilungen oder Zaubern, die negative Effekte entfernen, ist das Timing sehr wichtig.

Überladen und gefährlich

Der kauzige Magier Knolan bekommt ordentlich auf die Mütze.

Für sehr gelungen halte ich die "Überladungsmechanik", die dafür sorgt, dass man sich das limitierte Mana nicht ausschließlich für die Bosskämpfe aufspart und zugleich ohne Mana effektiv kämpfen kann. Diese Überladung kann als zusätzliche "rote Manaleiste" verstanden werden, die an die blaue Leiste rangehängt, zuerst aufgebraucht und meist durch nicht so starke Standard-Attacken aufgebaut wird. Dieses "rote Mana" geht nach jeder Begegnung wieder verloren. In den Kämpfen stellt man sich daher solche Fragen wie: Soll ich Überladung für die nächste Runde mit einem schwächeren Angriff aufbauen? Wie verschiebt sich die Kampfreihenfolge durch welche Aktion. Welchen Gegner muss ich als erstes ausschalten? Spare ich Mana oder gebe ich es für einen starken Angriff aus? Welche Debuffs kann ich wie nutzen? Soll ich auf defensive Aktionen setzen oder doch heilen?

Zusätzlich gibt es noch die "Burst Ladung", die von der gesamten Gruppe aufgebaut wird und zwischen den Kämpfen mitgekommen werden kann, was sich meistens für einen Bosskampf lohnt. Mit der "Burst Ladung" lassen sich besonders starke Fertigkeiten ausführen, wie eine Gruppenheilung inkl. Reinigung vom Roboter-Golem Calibretto, eine Granate mit nahezu allen Debuff-Möglichkeiten auf einmal von Red Monika, ein harter Schwertangriff von Garrison mit Blutung oder ein Gruppen-Schutzschild von Gully. Mit diesen Fertigkeiten können starke Bossattacken effektiv gekontert werden. Apropos Bosskampf:

Die Zwischensequenz leitet einen Bosskampf ein.
Erst mit längeren Kämpfen gegen stärkere Gegner zeigt das Kampfsystem seine wahren Vorzüge, die stellenweise trotz gut ausgerüsteter und hochgelevelter Truppe schnell vorbei sein können, da manche Gegner den Helden schon mal mit einem dicken Schwinger die Hälfte der Lebenspunkte abziehen können, wenn man nicht vorbereitet ist. Grundlegend erinnern die Kämpfe jedenfalls an Mystic Quest Legend (Final Fantasy Mystic Quest), Child of Light und vielleicht etwas an Darkest Dungeon.

Wenngleich ist grundlegende Anzahl der Fähigkeiten der Charaktere eigentlich überschaubar ist, erweisen sich die Kämpfe durch die Dynamik des Initiative-Systems, die Standard-Aktionen mit der Überladung und die Interaktionen (Debuff-Stacking) der Charaktere als hochgradig gelungen und unterhaltsam, was durch die erstklassige Inszenierung und die sehenswerten Animationen der Charaktere unterstützt wird. Dennoch könnten die Kampfaktionen manchmal etwas zügiger oder schneller abspult werden, vor allem wenn man nur gegen einen Gegner kämpft und dieser hoffnungslos unterlegen ist.

Kleinere Balance-Macken

Vieles bei Battle Chasers: Nightwar ist richtig gut, wie die Kämpfe. Nur in Sachen Ausbalancierung gibt es Verbesserungsbedarf. Neben den erwähnten zähen Kämpfen gegen unterlegende Gegner, die man zum Glück auf der Weltkarte bei größerem Stufenabstand stehen lassen kann, ist im fortgeschrittenen Spielverkauf (ab zehn Stunden) etwas Grinding nötig, um die Stufenlücke auf die Feinde aufzuschließen - denn eine Gruppe mit Gegnern, die zwei oder drei Stufen über dem Heldentrio ist, ist eine harte Herausforderung; speziell in einem Dungeon.

Im Bestiarium kann man sich über seine Gegner informieren. Je häufiger man gegen die Feinde antritt, desto mehr Informationen und Boni erhält man über sie. Häufige Kämpfe werden somit abermals belohnt.
Selbst wenn man alle Areale auf der Weltkarte erkundet und die Nebenquests macht, muss etwas Erfahrung zusätzlich "gefarmt" werden. Zum Beispiel könnte man Dungeons auf einem höheren Schwierigkeitsgrad erneut besuchen oder im Gasthaus schlafen und dann wieder Kreaturen auf der Oberwelt ausschalten. Auch die Beute bzw. die Belohnungen aus den Dungeons sowie die Währung "Gold" könnten etwas üppiger ausfallen. Solche Anpassungen haben die Entwickler kürzlich angekündigt, werden in diesem Test nicht berücksichtigt, da sie bisher nicht live gegangen sind. Dies sind zwar nur kleine Anpassungen, die letztendlich aus einem "guten" ein "sehr gutes" Spiel machen können, weil sich alles etwas runder anfühlt, wenn es schon keine übergreifenden Schwierigkeitsgrade oder separaten Speicherplätze gibt. Speichern ist nach Kämpfen immer möglich - es gibt nur einen Speicherslot pro Profil.

Fazit

Hinter dem generischen Titel Battle Chasers: Nightwar versteckt sich ein überaus gelungener Dungeon-Crawler mit starken Einflüssen von klassischen Japan-Rollenspielen und einem überragenden Comic-Artdesign. Gerade die Mischung aus der Wanderung auf der Oberwelt, der Erkundung der Schauplätze und der erstklassig animierten und inszenierten Kämpfe ist vorbildlich, auch wenn manche Kämpfe gegen zu schwache Gegner an der Geduld zerren und die notwendigen Stufenaufstiege ab der Mitte des Spiels zu gemächlich vonstattengehen, was Grinding erforderlich macht. Denn im Gegensatz zur Hintergrundgeschichte, die eher zu vernachlässigen ist, und den Charakteren, die mehr Tiefe vertragen könnten, ist das rundenbasierte Kampfsystem eine Wucht. Obwohl die Fähigkeiten der Helden eigentlich überschaubar sind, machen die beeinflussbare Reihenfolge, die cleveren Überladungs- und Burstmechaniken sowie die Synergien zwischen den Charakteren wirklich viel her - besonders in längeren Kämpfen, die selbst im späteren Spielverlauf überraschend knackig und kompromisslos sein können. Wenn noch die Balance zwischen zu leichten und zu schweren Kämpfen sowie der Fortschritt (Erfahrung, Gold, Gegenstände) etwas besser austariert worden wären, hätte Battle Chasers: Nightwar locker einen Gold-Award einheimsen können. So bleibt es leider leicht hinter seinen Möglichkeiten zurück und weiß dennoch mit den Kämpfen sowie dem Stil zu überzeugen.

Pro

tolle und stimmige Mischung aus Erkundung, Kampf und Rollenspiel
erstklassig inszenierte Kämpfe und Comicsequenzen
durchdachtes und sehr gelungenes Kampfsystem mit Überladung, Burst, Synergien und Co.
sechs Charaktere mit je zwei Spezialisierungen
lange Spielzeit (über 20 Stunden)
kleine Überraschungen bei den Erkundungen
weitläufige Spielwelt
nette Geplänkel zwischen den Helden
Dungeons werden zufällig aus bestehenden Räumen generiert
sehr gelungenes Bestiarium mit speziellen Boni pro Gegner
gut eingefangener Comic-Charme
zu schwache Gegner können übersprungen werden (oft zu spät)
Schwierigkeitsstufen für Dungeons; Jagden und andere Events
hervorragender und einzigartiger Grafikstil
gelungener Soundtrack

Kontra

eher belanglose Hintergrundgeschichte; oberflächliche Charaktere
kleine Balance-Macken machen XP-Grinding nötig; zu geizige Beuteverteilung
viele Kämpfe gegen zu schwache Feinde sind unnötig oder dauern zu lange
Schwierigkeitsgrad schwankt stellenweise stark
nur ein Speicherstand pro Profil
nicht alle Quests und Zwischensequenzen sind vertont
Angel-Minispiel wird eintönig
leichte Performance-Macken im Erkundungsmodus

Wertung

XboxOne

Überaus gelungener Dungeon-Crawler mit starken Japan-Rollenspiel-Einflüssen und einem überragenden Comic-Artdesign. Leichte Balance-Macken trüben das Gesamtbild.

PC

Überaus gelungener Dungeon-Crawler mit starken Japan-Rollenspiel-Einflüssen und einem überragenden Comic-Artdesign. Leichte Balance-Macken trüben das Gesamtbild.

PlayStation4

Überaus gelungener Dungeon-Crawler mit starken Japan-Rollenspiel-Einflüssen und einem überragenden Comic-Artdesign. Leichte Balance-Macken trüben das Gesamtbild.

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