Obliteracers04.03.2016, Jan Wöbbeking

Im Test: Micro Machines trifft Mario Kart

Ein Grüppchen australischer Industrie-Veteranen will dem Fun-Racer neues Leben einhauchen: Obliteracers kreuzt Micro-Machines mit Mario Kart und garniert den Schlagabtausch mit fiesen Tricks wie Waffenklau oder Flipper-Physik. Bis zu 16 Spielern zerbomben sich online oder sogar auf dem selben Monitor! Ein echtes Party-Highlight? Wir klären es im Test.

Gemetzel in Vehikeln

Die Bilder von Obliteracers erinnern auf Anhieb an Mario Kart, doch das Explosions-Chaos auf dem Bildschirm hat nur noch sehr bedingt etwas mit klassischen Rennen zu tun. Stattdessen erinnert der Ablauf eher an ein Kampfspiel: Ähnlich wie im Oldie Micro Machines düsen alle Spieler in einem dicht gedrängten Pulk über die Strecke, der stets im gleichen Bildausschnitt aus der Vogelperspektive eingefangen wird. Driftet das Feld auseinander, zoomt die dynamische Kamera etwas heraus; fällt man zu weit zurück, verschwindet man allerdings aus dem Bild und verliert eines der kurzen Gefechte. Oder aber man hält sich gar nicht erst lange damit auf, seine Gegner abzuhängen, sondern jagt sie kurzerhand in die Luft und streicht einen Punkt für den Kill ein. Die auf der Strecke verteilten Symbole bietet eine überschaubare Auswahl an Waffen, die prima ins Spiel passen und herrlich gemeine Manöver ermöglichen. Eine elektrische Ladung oder eine kleine Schockwelle schleudern nahe Kontrahenten aus der Bahn, die idealerweise wie Spielzeug-Autos über die Streckenbegrenzung purzeln – sehr befriedigend! Für ein wohliges (bzw. nerviges) Kribbeln sorgen auch das Maschinengewehr, kleine Raketen oder vor Schikanen platzierte Minen und Öllachen.

Obliteracers konzentriert sich ganz auf den Kampf: Sogar im Rennen gegen KI-Gegner sind alle Fahrer auf dem engen Bildschirm unterwegs.
Geradezu verheerend ist die fette Lenkrakete, welche sich aufgrund ihrer lahmen Geschwindigkeit aber gut antizipieren und mit dem Schild abwehren lässt. Diese schützende Rundum-Blase ist ein durchdacht ausbalanciertes Instrument: Wer es zu lange einsetzt, bremst sich stark ab, was vor einem langen Sprung schnell zu Abstürzen führt. Ein von der Strecke gedrängter Spieler kann sich postwendend revanchieren, zumindest in einem Ausscheidungsrennen: Nach seinem Exitus ärgert er seine Peiniger einfach wie in Bomberman aus dem Off mit Raketen. Wer solche Einmischungen als unfair empfindet, kann sie vorher deaktivieren.

Idyllischer Todeskampf

Auch das Streckenlayout passt prima: Die 13 Kurse sind breit genug für verbissene Keilereien, bieten aber trotzdem idyllisch gestaltete Landmarken wie Lichterketten-Lagunen, Wasserfälle oder markante Felsen und Holzbrücken. Auch in der Wüste, auf einem stürmischen Flugzeugträger und einer rutschigen Eispiste kommt Dynamik und Schadenfreude auf. Immer wieder lasse ich mich strategisch hinter die schwer bewaffnete Meute zurückfallen, schubse einen Gegner mit einem Kamikaze-Manöver von der Klippe und setze schließlich zu einem gewagten Drift-Manöver an, das mir einen kleinen Nitro-Schub verpasst, so dass das überrumpelte Feld komplett hinter dem unteren Bildrand verschwindet. Sieg auf ganzer Linie! Zur Krönung schicke ich noch eine alberne Mecker-Geste meines putzig animierten Robo-Sergeants hinterher. Schade, dass sich die Figuren so stark ähneln. Es stehen zwar zahlreiche Charakteren zur Wahl, im Grunde handelt es sich dabei aber nur um leicht veränderte Varianten von Ei, Roboter, Pinguin und einer Art Ameisenbär. Gegen den Charme von Mario, Sonic und anderen Genregrößen kann man so natürlich nicht anstinken. Auch das Fahrverhalten unterscheidet sich hier nur marginal.

Das Ziel ist einfach: Schieß oder häng den Gegner ab, damit er vom Schirm verschwindet!
Ein Vorteil des simplen Handlings ist natürlich, dass Neulingen der Einstieg sehr einfach gemacht wird. Als Party-Spiel schlägt sich Obliteracers prima: Online, lokal oder auch gemischt können sich bis zu sechzehn Spieler auf dem Schirm tummeln. Damit genügend Eingabegeräte parat sind, darf man neben der Tastatur und Controllern auch Smartphones, Tablets sowie Notebooks als Steuergeräte registrieren – eine vorbildliche Idee! Ganz so griffig wie mit dem Analogstick geht die Steuerung auf dem Touchscreen zwar nicht von der Hand, trotzdem habe ich auch damit einige Rennen gewonnen. Oder man verpasst einfach den erfahrensten Spielern das „Handy-Cap“. Darüber hinaus lassen sich erfreulich viele Details und Mutatoren konfigurieren, die den Wahnsinn auf Rädern entschärfen oder mehr Pfeffer verpassen. Dazu gehört veränderte Schwerkraft, stärkeres Schliddern, das Deaktivieren einzelner Waffen oder sogar ein tödlich heißer Boden, den man nur mit ständigen Hopsern und regelmäßigem Schildeinsatz überlebt. Besonders lustig ist eine Flippermechanik, durch welche die Wagen sich wie Bumper abstoßen. So lassen sich verhasste Couchnachbarn schon mit dezentem Nachhelfen über die Klippe schubsen.

Gekonnt kombiniert

Dank alberner Extra-Optionen mangelt es also nicht an turbulenten Momenten - doch am besten gefällt mir, wie gut schon die Standard-Mechaniken aufeinander abgestimmt sind. Wer waghalsig driftet, kann Gegner zwar abhängen, aber auch leichter von der Strecke geschleudert werden. Der Einsatz des Schildes schmeißt im Gegenzug die aktuelle Waffe weg. Oder man verwandelt ein Extra kurzerhand in Lebensenergie, wenn das qualmende Vehikel bereits aus dem letzten Loch pfeift. Je nach Modus versuchen die Rennfahrer entweder zu überleben, Kills zu landen oder etwa das Rudel möglichst lange anzuführen. Im Netz warten in der Regel nur eine Hand voll Server, trotzdem fand ich meist genügend Widersacher für lustige Runden, die sich sehr frei konfigurieren lassen: Von privaten Matches mit eingeladenen Steam-Freunden bis hin zu großen Runden mit Fremden ist vieles möglich. Schön auch, dass man (falls gewünscht) jederzeit ein- und aussteigen darf. Von den Einstellungsmöglichkeiten abgesehen wirken die Internet-Rennen aber minimalistisch: Es gibt lediglich weltweite Bestenlisten, aber keine freischaltbaren Tuning-Teile oder andere spielmechanische Belohnungen, die auf lange Sicht für Zusatzmotivation sorgen könnten.

Vorsicht, Kreuzung: In einer futuristischen Stadt werden fliegende Autos, Transporter und sogar Hot-Dog-Stände über den Haufen gebrettert.
Vermutlich ahnten die Entwickler, dass ihr auf Kickstarter gescheitertes Projekt (damals noch unter dem Namen Space Dust Racers) nur eine begrenzte Spielerzahl anlocken würde und investierten daher nicht zu viel Aufwand ins Drumherum. Glücklicherweise fand sich mit Deck 13 doch noch ein Publisher, der ihren Fun-Racer ermöglichte, obwohl keine bekannten Gesichter über die Piste heizen. Hinter dem Namen Space Dust Studios und Varkian Empire stecken u.a. ehemalige Mitarbeiter von Visceral Games Melbourne, die sich nach der Schließung des Studios mit anderen Entwicklern zusammentaten. Zu deren Referenzen zählen laut offizieller Website Serien wie Battlefield, Need For Speed, Tomb Raider, Dead Space, Burnout und Silent Hill.

Alleine nur bedingt spannend

Auch der Einzelspieler-Modus hat den Namen „Karriere“ nicht wirklich verdient, denn man klappert lediglich wie in alten Zeiten eine Serie von Rennen ab. Keine Zeichentrick-Sequenzen, keine Übungen, nur eine schlichte Liste von Veranstaltungen. Die ständigen Regel-Änderungen und Mutatoren bringen aber immerhin deutlich mehr Abwechslung ins Spiel als im altbacken konzipierten Einzelspieler-Part von Mario Kart 8. Mal muss ich ohne Waffen meine Drift-Fähigkeiten unter Beweis stellen, später drehen die Entwickler den Spieß um und verwandeln das Rennen mit einem Überfluss von Pick-Ups in ein Chaos aus Explosionen. Danach starte ich in einem Kopf-an-Kopf-Rennen gegen nur eine Rivalen. In den ersten Stunden lang hat mich dieser wilde Mix durchaus motiviert. Er kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Spielprinzip im Alleingang gegen Bots auf Dauer ermüdet. Immer wieder habe ich mir gewünscht, zur Abwechslung mal einfach nur wie in Mario Kart über die Strecken zu düsen, ohne mich ständig durch den eng gedrängten Pulk zu rempeln.

Mit 16 Spielern wird es auf dem kleinen Bildschirm mitunter zu chaotisch – trotzdem ist es löblich, dass die Entwickler auch solche „Massenschlachten“ ermöglichen.
Technisch schlägt sich der Schlagabtausch gut: Die Kulissen erreichen zwar nicht die Detailverliebheit von Mario Kart 8 oder Plants vs. Zombies: Garden Warfare 2, trotzdem bietet die Comic-Grafik ein idyllisches Gesamtbild. Hier und da gibt es sogar ansehnliche Wettereffekte wie einen wilden Regensturm oder gleißend reflektiertes Sonnenlicht auf dem nassen Sand zu entdecken. Auf einer GeForce GTX 770 musste ich die Qualität für ein flüssiges Bild auf „gut“ herunter regeln, auf einer 970er flutschte es dagegen auch auf höchsten Einstellungen. Die Online-Performance konnte ebenfalls meist überzeugen. Gelegentlich kam es schon mal zu sichtbaren Lags, welche sich aufgrund der über den Globus verteilten Spielergemeinde vermutlich nicht komplett vermeiden lassen. Ab und zu traten außerdem kleine Bugs auf, die einen Spieler fälschlicherweise ausscheiden ließen oder im Menü während der Spielerwahl dazwischen funkten. Für gute Laune sorgt dagegen der Soundtrack verschiedener Komponisten: Blasinstrumente und Orgel-Soli wecken Erinnerungen an der unbeschwerten Stimmung alter Arcade-Automaten wie Daytona oder Sega Rally. Auch die verspielten Chiptune-Melodien im Stil von Shantae sorgen auf Anhieb für gute Laune.

Fazit

Als Partyspiel ist Obliteracers ein Volltreffer: Wer sich gerne mit Freunden vor dem gleichen Schirm fetzt, findet mit dem Kampf-Racer eine schöne Alternative zu Bomberman, Sports Friends & Co. Die fiesen kleinen Waffen und Gadgets eignen sich prima dazu, seine Freunde zur Weißglut zu treiben oder auch online für Unfrieden zu sorgen. Ein Rempler hier, eine Rakete dort, und zu guter Letzt schubst man den vertrauten Feind elegant mit einer Schockwelle über die Klippe. Auch online sorgen die toll aufeinander abgestimmten Gadgets für spannende Matches, die zudem zugänglich und einsteigerfreundlich gehalten wurden. Auf Wunsch kann man einfach in laufende Runden platzen, Offline-Freunde mit einsteigen lassen, lustige Mutatoren hinzuschalten oder sogar Handies und Notebooks zum Controller umfunktionieren – und das mit bis zu 16 Spielern! Sicher, in solchen Massenrennen kann es passieren, dass die Übersicht verloren geht oder ein technischer Fehler dazwischen funkt. Außerdem haben die Entwickler beim Drumherum gespart: Online gibt es weder ein Tuning für das gleichförmige Handling noch andere motivierende Fortschritte. Auch die einfach gestrickte Karriere motiviert nur ein paar Stündchen. Für die Party und lustige Online-Schlachten ist Obliteracers aber wie gemacht!

Pro

unheimlich fesselnde Kämpfe auf vier Rädern
clevere Weiterentwicklung des Micro-Machines-Prinzips
viele durchdachte Mechaniken sorgen für ausgewogene Gefechte
bis zu 16 Spieler, sogar lokal vor einem Rechner!
idyllische Strecken und kleine Rampen passen gut zum Gerempel
stimmungsvolle Glanz- und Wetter-Effekte
putzige Animationen und Schimpftiraden
Handies, Tablets und Notebooks als Controller nutzbar
variantenreiche Modi und Modifikatoren
private und öffentliche Matches bieten viele Einstellmöglichkeiten
herrlich schwungvoller Arcade-Soundtrack sorgt sofort für gute Laune

Kontra

schlichter Einzelspieler-Modus bietet auf Dauer zu wenig Abwechslung
keinerlei motivierende Aufrüstungen oder andere freischaltbare Extras
Charaktere und ihr Fahrverhalten ähneln sich stark
nur rudimentäre Lobbies, Menüs und Statistiken in Online-Matches
ab und zu sichtbare Lags in Online-Matches
kleine Bugs stören in Menüs oder lassen manchmal fälschlicherweise Spieler ausscheiden

Wertung

PC

Kleiner, aber sehr spaßiger Fun-Racer für bis zu 16 Spieler.

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