Guns, Gore & Cannoli08.05.2015, Mathias Oertel
Guns, Gore & Cannoli

Im Test: Retro-Ballerei in modernem Gangster-Zwirn

Selten hat der Name eines Spiels oder Films schon im Vorfeld so unzweifelhaft klar gemacht, um was es geht - mit Ausnahme vielleicht von "Snakes on a Plane". Doch was steckt hinter den Knarren, dem reichlichen Pixelblut und den sizilianischen Cremerollen im seitwärts scrollenden Retro-Shooter? Der Test gibt die Antwort.

Puristische alte Baller-Schule

Früher war alles unkompliziert: Man lief von rechts nach links (oder umgekehrt), man sprang über Abgründe (oder um Gegnern auszuweichen) und man ballerte alles ab, was einem in die Quere kam. Spiele wie die Contra-Serie, die hierzulande als Probotector erschien, baute ebenso auf dieses Prinzip wie SNKs Metal Slug. Moderne Vertreter dieses Actionprinzips alter Schule sind z.B. Shank oder Serious Sam 3: BFE. Und natürlich Guns, Gore & Cannoli (GGC), das in Belgien als Kollaboration der Claeys-Brüder Matthias und Benjamin mit Steven Verbeek, dem Producer der Crazy Monkey Studios entstand. Dabei haben sie den Retro-Gedanken sogar puristischer verfolgt als die Titel, die teilweise als Inspiration gedient haben durften.

Inhaltlich bietet die klassisch inszenierte Action keine Überraschungen, doch die Kulisse ist von Anfang bis Ende gleichermaßen stimmungsvoll wie gelungen.
Denn im Gegensatz zu z.B. Metal Slug, wo man wenigstens noch nach oben schießen oder diagonal feuern konnte, wenn man in einem Vehikel saß, kann der Mobster Vinnie Cannoli als Protagonist nur nach rechts oder links ballern. Die Feinde in den zwölf abwechslungsreichen Abschnitten einer fiktiven Großstadt der glorreichen zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts kommen aber nicht nur stur von rechts oder links auf Vinnie zugestürmt. Sie können von oben oder unten erscheinen, sich über Treppen nähern oder ihn aus geschützter Deckung mit Wurfgeschossen traktieren. So bekommen die gut eingebundenen Plattformelemente eine taktische Komponente: Man muss die Angriffs-Schemata kennen und den richtigen Zeitpunkt abwarten, um den Sprung auf die nächste Plattform zu wagen. Und natürlich sollte man die Stärken und Schwächen der acht Schießprügel sowie die Anfälligkeiten der Feinde kennen, um so munitionssparend wie möglich aufzuräumen.

Das gewisse Z-Etwas

Beinahe wie ein Zeichentrickfilm zum Mitspielen.
Doch wieso muss der stets einen coolen Spruch auf den Lippen habende Vinnie überhaupt bis an die Zähne bewaffnet durch Thugtown ziehen? Sein eigentlicher Auftrag ist die Suche eines Mafia-Capo, den er zum Don zurückbringen muss. Doch zu seiner Überraschung wurde die gesamte Stadt von Untoten überrannt. Und spätestens als sich das Militär einschaltet und sich die Cosa Nostra gegen ihn wendet, bricht das Chaos los - Vinnie steckt zwischen allen Fronten und schwört sich, alle auszuschalten. Und damit ist auch der Spieler mittendrin und kann sich nicht nur über eine saubere Sprungmechanik samt ordentlicher Kollisionsabfrage, sondern auch sehr ordentliche Ballereien freuen. Diese beschwören immer wieder den Geist der Klassiker, schaffen mit ihren explodierenden Körpern und abgetrennten Extremitäten aber schließlich ebenso den Sprung in die Moderne wie durch den Nachladezwang, der sich natürlich immer im ungünstigsten Moment bemerkbar macht. Doch die Gewalt wird durch ihre vollkommene Überzogenheit auf der einen sowie den sehr sympathischen und konsequent eingesetzten Comicstil stark relativiert.

Überhaupt ist es vor allem das Artdesign, das mich immer wieder animiert hat, weiterzumachen. Denn wo die Ballereien trotz eines angenehm steigenden Schwierigkeitsgrades, gut gesetzter Kontrollpunkte, sorgsam platzierter Cannoli-Portionen (Gesundheitspacks) sowie ordentlicher Bosse überraschungsarm bleiben, ist bei der handgezeichneten 2D-Kulisse das Gegenteil der Fall. Sämtliche Figuren wurden gleichermaßen markant wie geschmeidig animiert, so dass sich die Action nur wenig von den sehr schicken Zwischensequenzen unterscheidet und man immer stärker das Gefühl hat, einen interaktiven Mafia-Zeichentrickfilm zu spielen. Die sehr gute (englische) Sprachausgabe sowie der äußerst gelungene Soundtrack mit seinen Elementen aus Jazz und klassischen Gangster-Themen, die auch in Francis Ford Coppolas "Der Pate" problemlos Platz fänden, runden den sehr stimmigen Gesamteindruck ab.

Fazit

Der Name ist Programm: In Guns, Gore & Cannoli wird seitwärts scrollend geballert. Es gibt zinnoberrote Pixelexplosionen bis zum Abwinken. Und die frittierten Teigwaren als Gesundheitspacks sind genau an den richtigen Stellen platziert. Mit seiner Einschränkung, die Gegner nur von der Seite und nicht diagonal oder von unten/oben zu beschießen, geht man allerdings einen Schritt zu weit zurück in der Zeit. Doch dafür gibt es acht Waffen, die man wechseln bzw. nachladen muss, so dass die manchmal chaotische Action nicht zu einem reinen Dauerfeuer-Getöse verkommt, zumal es immer wieder Sprungsequenzen gibt. Der Star ist auch weniger die letztlich biedere sowie risikofreie Mechanik, sondern vielmehr die Kulisse. Handgezeichnet sowie liebevoll animiert, verschwimmen die Zwischensequenzen und Spielszenen zu einem interaktiven Zeichentrickfilm, in dem man in der Hauptrolle von Vinnie Cannoli eine Stadt vor Zombies, der Armee und verfeindeten Mobstern rettet. Ein Eindruck, der auch von der sehr guten Akustik getragen wird, bei der sowohl die Musik als auch die englische Sprachausgabe wie aus einem Guss wirken.

Pro

Plattform-Balleraction alter Schule...
gut inszenierte Bosskämpfe
faire Speicherpunkte
saubere Kollisionsabfrage
stimmungsvolles Artdesign
Koop-Modus für bis zu vier Spieler

Kontra

... mit eingeschränkter Schussmechanik
inhaltlich bar jeglicher Überraschung

Wertung

PC

Spielmechanisch etwas konservative, aber angenehm actionreiche Seitwärtsballerei in toller Zeichentrick-Kulisse.

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