House of Caravan20.04.2015, Michael Krosta

Im Test: Resident Unevil

House of Caravan will Elemente von Gone Home mit dem gruseligen Psycho-Erlebnis eines P.T. verknüpfen und sich inhaltlich an schaurigen Geschichten aus der Feder von Edgar Allan Poe, E.T.A. Hoffmann sowie ähnlichen Autoren orientieren. Na, das schreit doch förmlich nach Nervenkitzel! Sorgt Rosebud Games für Gänsehaut oder stecken hinter der vollmundigen Ankündigung nur leere Marketingphrasen?

Die Angst im Nacken

Selten hatte ich beim Durchschreiten eines Korridors ein so mulmiges Gefühl wie bei P.T., Hideo Kojimas spielbarem Teaser zu Silent Hills. Schon allein durch den fiesen Einsatz verstörender Klänge sorgte die Gang-Schleife beim Spielen im Dunkeln dafür, dass die Nerven schnell blank lagen. Gone Home lebte dagegen in erster Linie von einer berührenden Geschichte, deren Mosaike sich während der Erkundung des verlassenen Hauses durch den Fund von Notizen, Gegenständen und Einrichtungen langsam zu einem Gesamtbild zusammenfügten, dessen emotionale Kraft vor allem durch die hervorragende Sprecherin getragen wurde.

Und es wird schnell klar, dass sich die Entwickler zumindest hinsichtlich der Spielmechanik an unserem Spiel des Jahres 2014 orientieren. Nach meiner Intro-Entführung wache ich in einem verschlossenen Zimmer auf. Kaum nähere ich mich den zahlreichen Schränken und Kommoden, blinken mir auch schon die Umrisse von Schubladen sowie Türen entgegen und laden mich zur Interaktion ein. Was man beim Durchwühlen findet, ist ebenfalls keine große Überraschung: Neben diversen (unnützen) Gegenständen wie Gläsern, Tellern, Vasen oder Taschen entdeckt man u.a. auch Streichhölzer zum Entzünden von Kerzen, Schlüssel oder Notizen, in denen man Schritt für Schritt das

Das Anwesen bietet die typischen Herrenhaus-Elemente. Aber eine echte Bedrohung sucht man hier vergeblich.
Geheimnis und dem Grund für die Entführung in dieses abgelegene sowie verschlossene Anwesen erfährt. Das weckt mit seinen engen Gängen sowie mitunter prächtig eingerichteten Räumen leichte Erinnerungen an die Spencer-Herrenhaus aus Resident Evil.

Keine Bedrohung

Allerdings gibt es ein paar entscheidende Unterschiede zu Capcoms Zombiehatz: Abgesehen davon, dass man das Geschehen hier aus der Ego-Ansicht erlebt, gibt es in dem Haus der Caravans keine Bedrohung. Das ließe sich noch verschmerzen, wenn man zumindest das Gefühl hätte, dass jeden Moment etwas passieren könnte. Aber genau hier versagt das Spiel auf ganzer Linie: Weder die Musik und die zufällig eingestreuten Billig-Soundeffekte wie Knarzen oder Rumpeln noch die angestaubte Kulisse schaffen es, einen Hauch von Spannung aufzubauen. Selbst die wenigen gezielten Schockeffekte, bei denen sich z.B. plötzlich ein Fenster öffnet oder Blätter von draußen in das Anwesen wehen oder das Umfallen einer Ritterrüstung wirken einfach nur billig. In diesem Zusammenhang den Namen P.T. zu erwähnen, grenzt schon an eine Beleidigung, denn hinsichtlich der Horror- und Terroraspekte könnte das durchweg enttäuschende House of Caravan nicht weiter von dem beklemmenden Silent-Hills-Appetizer entfernt sein.

Das Inventar-Management ist nur ein Teil der misslungenen Steuerung und Spielmechanik.
Dass man eine Geschichte ordentlich anhand von Notiz-Zetteln und der allgemeinen Kulisse erzählen kann, hat Gone Home eindrucksvoll bewiesen. Doch auch in diesem Bereich kann Rosebud nicht überzeugen, obwohl zumindest die mysteriöse Situation und auch deren Auflösung einen durchaus interessanten Ansatz bilden: Gab sich Fullbright Games beim Design der Notizen richtig Mühe und ließ die Tagebucheinträge von einer professionellen Sprecherin vortragen, gibt es hier lediglich hässliche Standard-Textboxen zu sehen, deren Inhalt von amateurhaften Akteuren mehr schlecht als recht runtergelesen wird. In diesem Zusammenhang erweisen sich auch die redundanten Sprüche des Protagonisten schnell als nervig: Vor jeder verschlossenen Tür oder Kiste gibt er ein „I need something“ von sich und muss jede Aufnahme eines Gegenstands überflüssigerweise auch noch kommentieren – ganz schlimm! Etwas besser schlagen sich die deutschen Untertitel, die teilweise aber von kleinen Fehlern oder einer viel zu späten Einblendung bei zentralen Stellen wie der Zusammensetzung von Papierfetzen eines (englischen) Briefes betroffen sind.

Keine Herausforderung für graue Zellen

Die beiden Schnipsel-Puzzles, die man u.a. auch aus Uncharted: Golden Abyss kennt und z.B. Codes für Schlösser oder wichtige Hinweise enthalten, sind nur ein Teil des mageren und recht anspruchslosen Rästelaufgebots. Denn daneben muss man auch noch mehr oder weniger gut versteckte Codes auf Bildern entschlüsseln und an Stromkästen mit diversen Dreh-Mechanismen einen Weg für den Durchfluss austüfteln – das hat man in dieser Form ja bisher nur gefühlt 1000 Mal woanders gesehen. Hinzu kommen unlogische Situationen: So drehte ich z.B. an den markierten Masten zweier Schiffsmodelle, doch nichts passierte. Erst nachdem ich einen Brief zusammenfügte, der einen entsprechenden Hinweis erhielt, kamen nach der Interaktion mit den Modellen plötzlich kleine Zettel zum Vorschein – was für ein Unsinn! Vor allem bei den Bilder- und Schnipsel-Herausforderungen zeigt sich die Steuerung von ihrer schlechtesten Seite, wenn man z.B. die Lupe nicht frei über das Foto bewegen, sondern sich blöd zu den gewünschten Stellen hinklicken muss, während man die Papierfetzen zwar auswählen und drehen, aber nicht wieder

Na, das kommt mir bekannt vor...
an den Rand zurücklegen darf. Verhaspelt man sich gegen Ende also irgendwann und würde gerne noch die eine oder andere Position tauschen, muss der Brief wieder komplett neu zusammengesetzt werden, weil man die einzelnen Teile nicht mehr zurücklegen darf.

Abgesehen davon ist die Steuerung generell nicht gelungen: Ging das Betrachten von Gegenständen bei Gone Home noch so wunderbar von der Hand, ist hier vor allem das Drehen und Wenden ein zäher Krampf, da man dafür zum einen die R-Taste auf der Tastatur gedrückt halten muss und zum anderen das Tempo der Maussteuerung beim Betrachten unfassbar lahm ist. Die Inventar-Mechanik ist ebenfalls ein Graus, denn anstatt den gewünschten Gegenstand direkt aus dem Inventar-Bildschirm auszuwählen, muss man hier ins Spiel zurückkehren und alle Items mit der rechten Maustaste nacheinander durchgehen, bis man beim gewünschten Exemplar landet – argh! Da gerät es fast schon zur Nebensache, dass der Controller als mögliche Alternative gar nicht erst unterstützt wird und eine Sicht-Invertierung ebenfalls nicht angeboten wird.

Bugs, Bugs und miese Physik     

Verglichen mit Gone Home ist die Präsentation der Notizen und Gegenstände erbärmlich - und schlechte Sprecher gibt es noch oben drauf.
Und dann wären da noch die zahlreichen Bugs sowie Fehler – allen voran die katastrophale Kollisionsabfrage, die dazu führt, dass z.B. aufgenommene Billardkugeln plötzlich in der Luft schweben, ich durch unsichtbare Scherben am Boden ständig am Weitergehen gehindert werde und zur Sprungtaste greifen muss oder auf einmal mit dem Kopf knapp unter der Decke zu hängen scheine, weil ich beim Erkunden einfach mal nach oben befördert werde. Aber das alles ist ja noch halbwegs lustig, auch wenn es nicht gerade für die Qualitätskontrolle innerhalb des Indie-Studios spricht. Doch an anderen Stellen verging mir aufgrund der Bugseuche schon eher das Lachen: So konnte ich eine verschlossene Kiste partout nicht öffnen – und das, obwohl sich mit einer Haarnadel und einem Dietrich eigentlich wirkungsvolle Schloss-Knacker in meinem Inventar befanden, die sich an vergleichbaren Stellen auch als enorm nützlich erwiesen hatte. Ich konnte dieses Problem hier nur so lösen, indem ich den Maus-Cursor feinfühlig um den verschlossenen Deckel herum bewegte und plötzlich den Inhalt erfasste, der nach einem Klick auch umgehend in meine Tasche wanderte. Richtig gelesen: Um ein zentrales Rätsel zu lösen, wanderten diese Papierfetzen wie durch Zauberhand aus einer verschlossenen Kiste in mein Inventar!

Der rettende Bug: Ich kann die Papierschnipsel durch die geschlossene Truhe hindurch an mich nehmen.
An einer anderen Stelle hatte ich weniger Glück oder magische Hilfe: Bei der Verkabelung eines Stromkastens kann es durchaus passieren, dass die gesammelten Kabel zwar aus dem Inventar verschwinden, aber im Spiel nicht abgebildet werden und auch nicht mehr aufgesammelt werden. Da es aber von zentraler Bedeutung ist, die Start- und Endpunkte richtig zu verknüpfen, bis die entsprechenden Verbindungen glühen, lässt sich dieses Rätsel unter Umständen gar nicht lösen, das Spiel auch nicht beenden. Okay, mir ist dieses Phänomen nur im zweiten von drei Durchläufen passiert. Aber alleine die Tatsache, dass ein solch fataler Fehler überhaupt auftreten kann, ist schon ein Unding! Hinzu kommt die lächerliche Physik beim Zurücklegen von aufnehmbaren Objekten wie Dokumenten, Schallplatten, Spielwürfeln & Co. Ich wurde sogar einmal Zeuge, wie eine Munitionsschachtel ohne Einwirkung eigenständig durchs Zimmer gerollt ist oder eine der bereits erwähnten Billardkugeln plötzlich ein Stockwerk tiefer auftauchten. Auf der anderen Seite erschienen bereits aufgesammelte Gegenstände (Stichwort: Haarnadel) plötzlich erneut an ihrem ursprünglichen Fundort. House of Caravan strotzt nur so vor Fehlern! Auch frage ich mich immer noch, warum die zuvor verschlossene Tür in der Küche plötzlich geöffnet wird, obwohl ich keinen entsprechenden Schlüssel gefunden oder gezielt einen Dietrich verwenden hatte. Vielleicht ist das nur eine weitere Trigger-Geschichte fernab jeglicher Logik.

Fazit

Oh mein Gott! So dankbar ich der Indie-Szene auch dafür bin, dass sie mit Amnesia, Slender, Outlast & Co dem packenden Horror zu einer beeindruckenden Renaissance innerhalb der Spielewelt verholfen hat, wünsche ich mir angesichts zunehmender Flops wie Pineview Drive oder Montague's Mount, dass manche davon ablassen, mit einem weiteren Pseudo-Vertreter auf der Grusel-Welle mitzuschwimmen. Obwohl (oder weil?) sich bei Rosebud Games ehemalige Entwickler von Silent Hill: Origins, F.E.A.R. Extraction Point und The Witcher zu einem neuen Studio formiert haben, reiht sich House of Caravan mit seiner dilettantischen Anlehnung an Gone Home, der fehlenden Gruselatmosphäre und ausbleibenden Bedrohung sowie zahlreichen Bugs und gähnenden Rätseln bei der Sorte von Spiel ein, die niemand braucht. In diesem Zusammenhang in der offiziellen Beschreibung neben Gone Home tatsächlich das großartige und beklemmende P.T. anzuführen, grenzt angesichts des mageren Ergebnisses schon an einen Realitätsverlust des Teams, zumindest aber leere Marketingversprechungen. House of Caravan schafft es weder eine ähnlich emotionale Geschichte zu erzählen wie Gone Home noch kommt man nur in die Nähe der Gänsehaut-Atmosphäre eines P.T.. Stattdessen wird nur ein unheimlich langweiliger Erkundungs-Spaziergang durch ein pseudo-gruseliges Anwesen geboten, der von ein paar 08/15-Rätseln, lächerlichen „Schockmomenten“ und vielen Bugs unterbrochen wird.    

Pro

schnell vorbei
einige gut designte Räume

Kontra

null Gruselatmosphäre
amateurhafte Sprecher und nervige, redundante Kommentare
viel Copy & Paste bei Kulisse und Gegenständen
billige Soundeffekte
katastrophale Physik und Kollisionsabfrage
schwache Rätsel
langweilige Geschichte
unhandliche Steuerung (Inventar, Betrachten v. Objekten & Lupe)
keine Sicht-Invertierung möglich
keine Controller-Unterstützung
lächerliche "Schockmomente"
unvollständige & z.T. fehlerhafte Lokalisierung
krasse Bugs (z.T. unsichtbare Kabel, Greifen in verschlossene Kisten)

Wertung

PC

Trotz des geringen Umfangs ist House of Caravan die reinste Zeitverschwendung, falls man eine spannende Geschichte oder beklemmenden Horror sucht. Oder einfach nur ein halbwegs gutes Spiel.

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