Ein Raum, ein Rätsel
Zu melancholischer Klaviermusik wache ich auf in einem fast leeren, komplett heruntergekommenen Raum. Die Hälfte einer zerrissenen Kinderzeichnung fliegt auf den Boden und das Spiel beginnt. Es gibt keinen Erzähler, keine Cutscene und keinen einzigen Hinweis was ich tun soll. Was verbirgt sich in den verrotteten Schränken? Wieso funktioniert kein Lichtschalter? Bin ich allein in der Wohnung? Nähert man sich den Fenstern und somit dem einzigen Blick nach draußen, versperrt eine gleißende Lichtbarriere den Weg.
Die Spielwelt von Homesick ist grau. Nur selten findet man bunte Gegenstände.
Ein beklemmendes und zugleich trauriges Gefühl macht sich breit.
Irgendwann akzeptiere ich, dass es im Spiel keine Monster gibt, die mich erschrecken und auch niemand im Flur auf mich lauert, doch das unbehagliche Gefühl will nicht so recht verschwinden. Ich arbeite mich immer weiter von Raum zu Raum vor und finde lange nichts außer Schränke mit etwas Geschirr und Briefe, die ich nicht lesen kann. Gedanken wie „Walking-Simulator“ schießen mir durch den Kopf, doch die Musik ist eigentlich sehr schön, also suche ich weiter.
Alptraumhafte Dunkelheit
Das Finden der ersten Rätsel-Gegenstände löst Glücksgefühle aus und lenkt etwas von den vielen Fragezeichen im Kopf ab. Ein Schlüssel öffnet neue Räume, ein Eimer lässt mich verdorrte Blumen am Boden gießen, die zu einer lebendigen blaugrünen Pracht wachsen. Scheinbar habe ich das Richtige getan, denn mein Charakter legt sich schlafen.
Legt sich der Charakter schlafen, wird es düster und man sollte schleunigst einen Ausweg finden.
Umgeben von schwarzem Schleim und bewaffnet mit einer Axt erwache ich im jetzt pechschwarzen Zimmer. Intuitiv versuche ich zu flüchten, doch die Dunkelheit holt mich ein. Da steh ich also wieder umgeben von zerrissenen Tapeten und einem Bettgestell wie aus einem alten Horrorfilm. Aber da war doch noch was – die Lichtschalter! Nur wenn man diese betätigt, ist es möglich, sich einen Weg durch den dunklen Schleim und in den nächsten Teil der Wohnung zu erkämpfen.
Ritual auf zwei Ebenen
Auch in den weiteren Teilen der Wohnung werde ich beim Rätseln nicht an die Hand genommen, erhalte keine Hinweise darauf, wo ich die richtige Zahlenkombination für die versperrten Aktenschränke finde oder wo ich suchen muss, um das mysteriöse Alphabet zu entschlüsseln. Das Gießen der Blumen wird somit zum wunderschönen Ritual auf zwei Ebenen. Einerseits haucht man erzählerisch dem zerfallenen Ort endlich etwas Farbe und Leben ein (aus Spoiler-Gründen gehe ich nicht genauer darauf ein, was passiert ist), andererseits ist es ein Signal dafür, dass man alle Rätsel des Bereichs oder „Levels“ gemeistert hat.
Hat man genug Rätsel gelöst, wird man mit aufmunternden Momenten belohnt.
Erkundungsspiele dieser Art scheitern oft nicht an ihrer verträumten Stimmung, oder der Atmosphäre, sondern an den fragwürdigen Rätseln. Mit Schrecken denke ich an die teils sehr verqueren Rätsel bei Anna oder Myst zurück. Homesick dagegen lässt dem Spieler nicht nur die absolute Erkundungsfreiheit, sondern stellt dabei nur Gegenstände zum Rätseln zur Verfügung, die für die Geschichte wichtig sind.
Die Rätsel bleiben konstant spannend und erzählen häppchenweise die Geschichte.
Das Knacken eines Codes belohnt mich mit alten Dias, die Momente der traurigen Vorfälle zeigen. Sobald ich das kuriose Alphabet entschlüsselt habe, stehen mir plötzlich zahlreiche Briefe und Schilder als Informationsquelle zur Verfügung.
Je nach Erkundungslust dauert es ungefähr vier bis fünf Stunden, bis ich die Auflösung des Ganzen sehe. Neben der leerstehenden Wohnung führt Homesick Spieler an zunächst gewöhnlich wirkende Schauplätze wie eine Turnhalle und eine Bücherei, die aber alle mit kreativen Überraschungen gespickt sind.