Star Ruler 205.05.2015, Benjamin Schmädig

Im Test: Galaktisches Tauziehen

Die höchste Entwicklungsstufe soll mein Heimatplanet erreichen, aber den dafür benötigten Rohstoff finde ich nur in einem System meines Alliierten. Einen Krieg will ich gegen den militärisch starken Partner nicht riskieren – was tun? Da reicht mein Verbündeter doch tatsächlich einen Antrag im Senat ein: Er möchte eine meiner wichtigsten Rohstoffquellen auf diplomatischem Weg annektieren. Also, bitte! So großen Respekt habe ich vor seiner Flotte auch wieder nicht...

Galaktisches Zeitspiel

Star Ruler 2 ist nicht das Spiel mit dem einfallsreichsten Titel: "Sternenherrscher"... na ja. Es macht seinem Namen jedoch alle Ehre, denn um das Herrschen über eine Galaxie dreht es sich – ganz ähnlich wie der Klassiker Master of Orion oder das in Kürze erscheinende Galactic Civilizations 3. Noch ähnlicher ist es allerdings einem anderen Spiel, denn ähnlich wie Sins of a Solar Empire vergeht die Zeit hier nicht im Rundentakt, sondern läuft in Echtzeit.

Während die Uhr also mit einfacher, doppelter oder zehnfacher Geschwindigkeit tickt und fürs Erteilen komplexer Aufgaben pausiert werden kann, besiedelt man Planeten, entwickelt sie zu wirtschaftlich und militärisch starken Posten. Man erschafft eine mächtige Flotte, erforscht neue Technologien und trifft beim Erforschen des Weltalls auf weitere Imperien. Man schließt Allianzen, vereinbart militärische Zusammenarbeit – oder erklärt kurzerhand den Krieg.

Mit dem Kopf durch die Wand

Immerhin ist die gewalttätige Eroberung der einzige Weg, einen eindeutigen Sieg zu erringen. Man könnte zwar nach einer wählbaren Anzahl Runden die meisten Punkte erspielen, der aus verschiedenen Faktoren errechnete Wert ist allerdings kein Ersatz für die Anerkennung diplomatischer, wirtschaftlicher oder kultureller Größe. Diese

Ohne Raumschlachten kein Sieg: Militärische Gewalt entscheidet über den Gewinn einer Partie.
Einschränkung hatte mich in StarDrive 2 schon geärgert, das ebenfalls vor wenigen Wochen veröffentlicht wurde.

Dafür gefällt mir die Art und Weise, mit der konkurrierende Völker (sieben gibt es insgesamt) auf die Begegnung mit meiner Art reagieren: Sie greifen auf dem normalen Schwierigkeitsgrad kaum von sich aus an. Tatsächlich können sich Einflussgebiete und Infrastrukturen verschiedener Imperien sogar überlagern – umso stärker natürlich, je mehr Parteien eine wirtschaftliche Allianz eingehen. Das spiegelt ein logisches politisches Miteinander. Schade nur, dass der Import und Export aller Waren ausschließlich zwischen Planeten des eigenen Reiches stattfindet. Auch wissenschaftliche Erkenntnisse dürfen Partner nicht teilen. Das schränkt den spielerischen Rahmen deutlich ein.

Jede Stimme zählt

Einen anderen Aspekt des galaktischen Machtkampfs beherrscht Star Ruler 2 jedoch hervorragend: die Diplomatie. Denn mit dem Verschachern von Ressourcen ist es hier nicht getan. Wer ein politisches Anliegen vor dem galaktischen Senat durchsetzen möchte, benötigt vor allem Einfluss. Und vielleicht ein Ass im Ärmel beim Tauziehen mit einem politischen Widersacher.

Der Einsatz eines solchen Asses, das Überzeugen von Senatsmitgliedern oder das Verkürzen einer Abstimmung – all dies geschieht durch das Ausspielen diplomatischer Karten. Denn über jeden Beschluss wird zunächst

Ähnlich wie in der realen Wirtschaft gibt es in Star Ruler 2 Budgets, die den finanziellen Rahmen einer kommenden Periode festlegen. Alle drei Minuten steht so neues Geld zur Verfügung. Überschüssige Finanzen am Ende eines solchen Zyklus' fließen je nach Einstellung in die Forschung, das Vergrößern des politischen Einfusses oder andere Ressourcen.
verhandelt: Sämtliche Völker können solange mit ihren Karten dafür oder dagegen stimmen, wie die Verhandlungen dauern. Nach Ablauf der Frist gewinnt die Seite mit den meisten Stimmen.

Wünsch dir was!

Der Einsatz jeder Karte sowie ihr vorheriger Kauf kosten zwar auch hier eine Ressource (Einfluss), während nicht näher benannte Hintertürchen nur eine abstrakte Größe sind. Der notwendige Einsatz oft zahlreicher Karten zeichnet aber ein glaubwürdiges Bild des politischen Hin und Her. Und vielleicht erhält man nach einer verlorenen Wahl eine Karte, die bei einer späteren Verhandlung ein paar Stimmen im Senat sichert. Man macht Zugeständnisse, um sich eine spätere Zusammenarbeit zu sichern – eine feine Nuance!

Nicht zuletzt ist es die Vielfalt der Anträge, die über den Abschluss herkömmlicher Handels- oder Nichtangriffspakte hinausgeht: Die Imperien verlangen z.B. die Annexion eines Planeten oder ganzer Systeme, bitten um Offenlegung aller Informationen eines Kontrahenten oder möchten das galaktische Forschungszentrum auf einen ihrer Planeten verlegen – selbstverständlich mit Blick auf die dadurch gesteigerte wissenschaftliche Stärke. Der Senat hat fast immer zu tun, Machtverhältnisse können sich häufig im Kleinen verschieben.

Welche Rohstoffe benötigen die Ressourcen?

Ähnlich gut gefällt mir die Infrastruktur, denn obwohl das Besiedeln und Entwickeln zahlreicher Planeten den Mustern ähnlicher Spiele gleicht, unterscheidet es sich in einem wesentlichen Faktor. So müssen Rohstoffe nicht nur gefördert, sondern auf Planeten mit ausreichenden industriellen Kapazitäten exportiert werden. Geschieht das nicht, bleibt ein großer Teil ungenutzt. Aus den verschiedenen, meist seltenen Rohstoffen erzeugen Zielplaneten erst die fürs Militär, die Forschung oder Diplomatie benötigten Ressourcen.

Damit ist es aber nicht getan. Immerhin können Planeten fünf verschiedene Entwicklungsstufen erreichen und für jeden Schritt benötigen sie zahlreiche, teils ganz bestimmte Rohstoffe. Weil der Abbau mancher Materialien

Forschung findet leider auf einem schrecklich unübersichtlichen Bildschirm statt. Mögliche Projekte sind kaum von abgeschlossenen und noch nicht erreichbaren zu unterscheiden.
dabei ebenfalls nur auf fortschrittlichen Planeten stattfinden kann, müssen auch diese zunächst entwickelt werden. So entsteht ein komplexes Versorgungsnetznetz, in dem Spezialisierung eine große Rolle spielt. Eine voll entwickelte Heimatwelt kann etwa die komplette militärische Produktion des Imperiums übernehmen.

Mehr Planung, weniger Taktik

Das ist also der Grund, aus dem ich dringend einen ganz bestimmten Planeten meines Alliierten übernehmen wollte: Ich benötigte dessen Rohstoffquelle, um die Entwicklung meines Heimatplaneten zu vollenden. Und obwohl ich einen Antrag auf Annexion hätte einreichen können, war ich auf Konfrontation gebürstet, nachdem mein angeblicher Partner dasselbe mit einem meiner Planeten versucht hatte. Ich sammelte daher meine Flotte und begann mit der Belagerung.

Während sich alle Schiffe recht langsam im Normalraum bewegen, fliegen sie mit Überlichtgeschwindigkeit zu fernen Systemen. Das kostete allerdings wertvolle Energie, deren Aufladen im Kriegsfall zermürbend sein kann.

Verschiedene Völker nutzen zudem unterschiedliche Transportmethoden. Die Nylli öffnen mit speziellen Schiffen z.B. Risse im Raum. Ohne diese Schiffe ist ihre Bewegung jedoch stark eingeschränkt.

Das Zusammenstellen einer Flotte ist angenehm unkompliziert: Man baut Flaggschiffe und weist ihnen mit wenigen Klicks kleinere Schiffe zu, deren Verluste wahlweise automatisch ausgeglichen werden. Anders als in Sins of a Solar Empire bewegt man also lediglich Großraumschiffe, nicht deren Geschwader. Aus diesem Grund ist der taktische Umfang beim Bewegen der Flotten überschaubar, auch weil man nur grundsätzliche Verhaltensmuster vorgibt, etwa die Entfernung zum Gegner.

Der Kniff liegt in der Planung, denn in Star Ruler 2 darf man Raumschiffe selbst entwerfen: Aus zahlreichen Bauteilen fügt man Kommandostand, Waffen, Antrieb sowie Rüstung zusammen und gibt dem Modell grundlegende taktische Anweisungen – ob es z.B. das Flaggschiff beschützen oder aus der Entfernung angreifen soll. Fertig könnte eine weitaus kostengünstigere, aber ähnlich effiziente Flotte wie die der vorgegebenen Schiffe sein.

Ein hoch entwickelter Planet benötigt eine komplexe Infrastruktur.

Rechenfehler

Doch leider hatte ich mich verrechnet. Den gewünschten Planeten konnte ich zwar einnehmen, doch mein Gegner und ehemaliger Verbündeter hatte die Revenant aktiviert: ein uraltes Relikt und nicht weniger als das mächtigste Kriegsschiff des Universums. Je weiter der Koloss in Richtung meiner Heimatwelt vordrang, desto schneller schrumpften meine Aussichten auf einen erfolgreichen Feldzug.

Nicht nur in einem solchen Fall können Artefakte wichtige Bausteine auf dem Weg der Galaxieeroberung sein, denn wer sie aktiviert erhält einen zusätzlichen Kontinent auf einem Planeten freier Wahl, eine starke Waffe für eine der Flotten, Versorgungsstationen oder andere einflussreiche Vorteile. Vielleicht gelingt es mir damit ja, die Revenant aus meinem Reich zu vertreiben und den Gegner zu einem zweiten Friedenspakt zu überreden.

Fazit

In die Weltraumschlachten kann man kaum eingreifen und das Errichten weniger, überall gleicher Verteidigungsanlagen bietet nur minimale taktische Möglichkeiten zum Befestigen der Grenzen – die herkömmlichen Elemente der Echtzeitstrategie nutzt das spielerisch ähnliche Sins of a Solar Empire wesentlich besser. Die wirtschaftlichen und politischen Aspekte der galaktischen Eroberung machen Star Ruler 2 aber zum interessanteren Spiel. Da ist zum einen die umfangreiche Infrastruktur mit komplexen Exportwegen sowie der Spezialisierung auf einige hoch entwickelte Welten. Und da sind diplomatische Verhandlungen, die das politische Tauziehen um Gebietsvorteile oder wirtschaftliche Vorzüge in spannenden Verhandlungen abbilden. Dass es weder den ökonomischen noch einen wissenschaftlichen Austausch mit anderen Völkern gibt und ein Sieg fast immer das Zerschlagen konkurrierender Reiche bedeutet, schmälert den spielerischen Rahmen zwar. Das Konstruieren eigener Schiffe, die Unterschiede zwischen den sieben Völkern und die zyklische Budgetplanung halten die Motivation aber stets aufrecht. Auch deshalb zähle ich Star Ruler 2 zu den unterhaltsamsten Vertretern seiner Art!

Pro

Aufbau einer weit verflochtenen Infrastruktur
dynamische Diplomatie: Nutzen von Einfluss statt Ressourcenverschieben
Budgetplanung für festen Zeitraum ähnlich wie in realen Geschäftszyklen
Rohstoffe vieler Planeten mit besonderen Eigenschaften...
vom Spiel gelenkte Parteien sind nicht generell auf Krieg gepolt
Flotten benötigen Energie für weite Sprünge
verschiedene Antriebsarten verlangen unterschiedliche Spielweisen
wahlweise freies Erstellen eigener Schiffe
übersichtliche, gut strukturierte Menüführung
verschiedene Paramter beim Start einer Partie, u.a. Festlegen der Eigenschaften aller Völker
stimmungsvolle Musik
Unterstützung von Modifikationen
bis zu 28 Spieler online oder im LAN (maximal acht online empfohlen)

Kontra

furchtbar unübersichtliche Forschung
kein diplomatischer, wirtschaftlicher Sieg o.ä.
überschaubare strategische und taktische Optionen, vor allem im Krieg
... Ex
und Import aber nur innerhalb des eigenen Imperiums
neben Verhandlungen kaum wirtschaftlicher oder anderer Austausch mit anderen Imperien
keine Einsicht in Verhältnisse anderer Fraktionen untereinander
relativ lange Einarbeitungszeit

Wertung

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