Im Test: Lustig ist das Piratenleben?
Stimmungsvoller Einstieg
Man wacht in einer dunklen Kaschemme auf, ohne Gold, aber immerhin mit einer Steinschloss-Pistole und einem Säbel ausgerüstet. Das Leben könnte schlimmer sein – zumal am Pier auch ein Schiff anliegt, mit dem man zu den Inseln des weitläufigen Areals schippern kann, um ein legendärer Pirat zu werden. Doch die Anfänge sind eher bescheiden: Man kann für eine von drei Fraktionen Aufträge annehmen, die einen quer über den Ozean zu verschiedenen Gebieten lenken. Mal sucht man Schatztruhen, dann wiederum muss man skelettierten Piratencrews den Garaus machen. Und wer sein Piratenleben eher pazifistisch interpretiert, kann versuchen, für das Handelskontor Tiere zu fangen. Schließlich wartet auch noch ein geheimnisvoller Fremder, der erst mit einem spricht, wenn man bei den drei Fraktionen bestimmte Reputationsstufen erreicht hat. Der Aufstieg ist natürlich eng mit den verteilten Missionen verknüpft.
Ehrloses Gesindel
Doch der Spaß, den man anfangs hat, kann schnell verfliegen und ist letztlich von mehreren Faktoren abhängig. Zum einen spielt natürlich die Größe der Crew und ihre Eingespieltheit eine Rolle. Bis zu vier Spieler können eines der größeren Schiffe in See stechen lassen. Wenn die Aufgaben klar verteilt sind und kompetent bearbeitet werden, entsteht nicht nur eine interessante Kommunikationsdynamik, sondern entfaltet Sea of Thieves seinen ganzen Reiz: Mit einem Steuermann, einem Ausguck, einem Navigator mit einem Auge auf der Karte sowie einem Seemann, der sich um die Takelage kümmert, fühlt man sich als Teil eines Teams. Jeder ist wichtig und wenn in Krisensituationen nur einer die Nerven verliert oder anfängt, Mist zu machen, wird man spätestens in Kanonenschlachten gegen andere Crews den Kürzeren ziehen. Das Problem hier: Meist ist man nur mit Kumpels konkurrenzfähig. Wenn in einem Viererteam ein oder mehrere Chaoten, Inkommunikative oder
Um dies einzugrenzen, kann man auch mit einer Zweiercrew oder solo auf einer entsprechend kleineren Schaluppe die See bewältigen. Dann wiederum ist entscheidend, mit welchem Spielertyp man auf dem Server gelandet ist. Es gibt diejenigen, die Sea of Thieves als Piratenrollenspiel verstehen und zwar Jagd auf andere, vermeintlich schwächere Spieler machen, aber sich damit zufrieden geben, ihnen die Beute zu nehmen, sie vielleicht sogar zu töten und ihr Schiff zu versenken. Mitunter geben sie sich auch zufrieden, wenn man ihnen die Aufgabe signalisiert. Quasi eine Leben-und-leben-lassen-Mentalität. Und mit solchen Spielern habe ich auch kein Problem damit, dass die gesamte Spielwelt eine PvP-Zone ist, in der man theoretisch nie sicher sein kann. Das Piratenleben ist ja kein Ponyhof. Doch wenn Spieler oder Crews nur darauf aus sind, Chaos zu stiften und (meist numerisch unterlegene) Spieler nicht nur besiegen, sondern demütigen wollen, indem sie nahe des Schiffs-Spawnpunktes campen, bei dem man nach einem kurzen Ausflug in die „Unterwelt“ landet, und einen abschießen, bevor man überhaupt eine Möglichkeit zur Verteidigung hat, ist das nervig, frustrierend und absolut demotivierend. Insbesondere, wenn die Crew danach Jagd auf einen macht, obwohl sie weiß, dass man eigentlich nichts auf seinem Schiff hat. Gegenwärtig gibt es keinerlei Schutz gegen Chaos-Piraten. Allerdings wird man nach häufigem Ableben in kurzer Zeit zum Aufwachen mit einem frischen Schiff vor Anker auf eine vom ursprünglichen multiplen Tod weit entfernte Insel versetzt. Ob diese evtl. sogar auf einem anderen Server ist, können wir nicht mit Bestimmtheit sagen.
Verschenktes Potenzial
Dabei hätte Rare sich mit etwas mehr Feingefühl eine noch größere Spielerschaft sichern können, die vielleicht von dem permanenten, sich nicht regulierenden sowie bei Kämpfen 4-gegen-2 sowie 4-gegen-1 unfair wirkenden PvP abgeschreckt wird. So hätte man z.B. Server anbieten können, auf denen nur kleine Schaluppen unterwegs sind und Vierercrews unter sich bleiben. Oder man hätte ähnlich wie bei Ubisofts „The Division“ ein dezidiertes PvP-Gebiet gestalten können. Einige der Aufträge und natürlich die kürzesten Wege über die Karte liegen weiterhin in diesem Areal. Es gäbe sicherlich noch andere mögliche Regulierungsmöglichkeiten. Dann hätten wenigstens die Spieler die Wahl, wie sie vorgehen und vor allem, ob sie das Risiko eingehen sollen. Denn dass die Duelle mit anderen Spielern das Salz in der Piratensuppe sind, stellt man spätestens dann fest, wenn man sich über zehn oder 20 Minuten mit einem gegnerischen Kapitän seiner Schiffsgröße die Kanonenkugeln um die Ohren jagt, dann wieder eine oder zwei Minuten Pause benötigt, um die Löcher im Rumpf behelfsmäßig zu flicken und schließlich beide zugestehen, dass man gleichwertig ist und dann seine Wege geht – nur, um dann im nächsten Außenposten wieder aufeinanderzutreffen und vielleicht in der Kneipe einen Grog zusammen zu trinken. In diesen Momenten zeigt Sea of Thieves, wieviel Spaß in ihm stecken kann.
Nur fürs Ego
Fazit
Sea of Thieves beginnt stark. Die Welt mit ihrem Karibikflair sieht mit Ausnahme der Figuren im Comicdesign nicht nur teils verteufelt gut aus. Sie zieht einen auch mit ihren geheimnisvollen Inseln und den Missionen, die man bei den drei Fraktionen bekommen kann, in ihren Bann. Und über allem schwebt der PvP-Geist, der dafür sorgt, dass man sich theoretisch nie sicher fühlen kann, wenn man einer gegnerischen Crew begegnet. Doch je länger man spielt, desto mehr fallen einem die Defizite auf, die zeigen, dass das Fundament zwar durchweg gelungen ist, die Inhalte aber nur an der Hochglanz-Oberfläche bleiben. Das beginnt bei den unregulierten Gefechten, bei denen man der Server-Willkür ausgeliefert ist, ob man evtl. mit Chaoten zu tun hat, die nur darauf aus sind, das Spiel der anderen kaputt zu machen. Das geht weiter bei den rein kosmetischen Upgrades, die einem vielleicht einen Boost für das Ego, aber nicht das Gefühl geben, etwas erreicht zu haben. Selbst, wenn man mehr als 20 Stunden investiert hat, besitzt man eigentlich nichts, was sich zu zeigen lohnt oder was einem die Überlebenschance erleichtert. Und das endet bei dem Endloskreislauf aus immer gleichen Missionen, die in höheren „Stufen“ nur auf mehr Zielgebiete ausgedehnt werden. Ich hatte mich auf das Piratenleben gefreut. Und auch wenn ich immer wieder gerne in See steche, um die Kulisse zu genießen und den einen oder anderen Auftrag zu erledigen, bleibt das Gefühl zurück, dass mit nur wenigen Mitteln so viel mehr möglich gewesen wäre.
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Das spielerische Fundament stimmt, doch unter der schicken Oberfläche findet sich viel Missions-Redundanz sowie ein interessantes, aber noch unausgereiftes Online-Konzept.
PC
Das spielerische Fundament stimmt, doch unter der schicken Oberfläche findet sich viel Missions-Redundanz sowie ein interessantes, aber noch unausgereiftes Online-Konzept.
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