Hitman10.11.2016, Michael Krosta

Im Test: Ein Klon-Killer in der Hightech-Klinik

Zum großen Staffel-Finale lässt sich Agent 47 als Patient in eine japanischen Hightech-Klinik einweisen, um das tödliche Schicksal von zwei weiteren Zielpersonen zu besiegeln. Liefert IO Interactive mit der sechsten Episode einen dramatischen Höhepunkt oder leidet der Verkleidungs-Killer zunehmend an einem vorhersehbaren Trott aus bekannten Spielelementen?

Klaviersaite muss draußen bleiben

Dieses Mal muss man sich auf jeden Fall kreativere Methoden einfallen lassen, um seine beiden Opfer auszuschalten, denn als Patient in der luxuriösen Anlage trägt man zunächst lediglich einen Kimono – das übliche Mordequipment wie die schallgedämpfte Pistole oder die bewährte Klaviersaite zum Strangulieren kann die ICA nicht einschmuggeln. Aber 47 hat sich ja bereits in den vergangenen fünf Episoden als sehr einfallsreich erwiesen, seine Ziele auf eher unorthodoxe Art und Weise zu erledigen.

Eine der beiden Zielpersonen liegt bereits wehrlos auf dem OP-Tisch und wird nur noch durch einen aufmerksamen KI-Aufpasser beschützt .
Und auch in Japan ergeben sich wieder viele Gelegenheiten, die von einer Yoga-Stunde mit tödlichem Ausgang über das Servieren einer vergifteten Mahlzeit bis hin zu ärztlichen Eingriffen der besonderen Art führen. Selbstverständlich erweisen sich dabei auch wieder die Verkleidungen als äußerst sinnvoll. Hier sogar noch etwas mehr als sonst, denn die Klamotten fungieren innerhalb der Hightech-Anlage dank integrierten Chips gleichzeitig als Schlüssel, damit sich die Türen zu bestimmten Bereichen öffnen. So gelangt man z.B. schon allein durch den Arztkittel zur Intensivstation oder darf als verkleideter Leibwächter in die privaten Gemächer einer Zielperson vordringen. Der gesamte Komplex, der neben Gästeräumen auch den Operationssaal, einen Wellness-Bereich, ein Restaurant sowie eine Pathologie umfasst, wird von einer KI überwacht, die sogar die medizinischen Geräte im Auge behält. Darüber hinaus patrouillieren aber auch die üblichen Wachen im Gebäude und in dem schneebedeckten Außenareal, zu dem auch ein kleiner Zen-Garten und ein Helikopterlandeplatz gehören.

Leichte Opfer

Standen in Colorado noch vier Zielpersonen auf der Liste, kehrt man jetzt wieder zum üblichen Duo zurück: Da wäre zum einen Yuki Yamazaki, eine Anwältin mit Yakuza-Vergangenheit, die wertvolle Daten besitzt und mit ihren Leibwächtern durch die Anlage spaziert. Einfacher hat man es beim zweiten Ziel, seinem alten Bekannten Eric Soders, den die ICA zum Abschuss freigegeben hat. Denn der Verräter liegt bereits servierfertig auf dem Operationstisch, kann sich also weder zur Wehr setzen noch fliehen. Tatsächlich fällt es nach Colorado auch hier relativ leicht, die beiden Attentate erfolgreich auszuführen. Nach den vielen gemeinsamen Stunden mit dem Hitman (ab 18,80€ bei kaufen) weiß man aber auch langsam, wie der Hase läuft: Erneut warten die üblichen Ablenkungsmanöver wie überfüllte Waschbecken, Münzen oder ein lautes Radio, um sich Zugang zu den benötigten Klamotten zu beschaffen. Das macht trotz so manchem KI-Aussetzer immer noch Laune, doch die spannende Mischung aus Stealth-Action und Erkundung wird mittlerweile immer mehr zu einer Routine, die abseits ausgefallener Gelegenheiten nur noch selten überraschen kann.

Ewige Ruhe im Zen-Garten?
Vor allem enttäuscht der Trip nach Hokkaido aber in zweierlei Hinsicht: Genau wie der thailändische Hotelkomplex der vierten Episode könnte auch dieses spezielle Krankenhaus an nahezu jedem anderen Ort auf der Welt angesiedelt sein. Zwar versucht man, mit Kimono, Sushi-Restaurant, Tanzmatten-Duellen, High-Tech & Co für Japan-Flair zu sorgen, doch das gelingt angesichts des austauschbaren Szenarios leider nur bedingt. Anders gesagt: Die schneebedeckten Berge im Umfeld könnten genauso gut die Alpen darstellen und die Besonderheiten der japanischen Kultur treten sowohl hinsichtlich der Architektur als auch beim Verhalten der Figuren kaum in Erscheinung. Die Story zählte bisher trotz ein paar netter Cliffhanger nicht unbedingt zu den Stärken des Episodenspiels. Es häuften sich viele Fragen, aber Antworten wurden nur selten geliefert. Daran ändert sich auch im Finale nichts. Im Gegenteil: Man hat am Ende umso mehr das Gefühl, dass diese erste Staffel lediglich einen Auftakt bildet. Und der geht leider nicht mit dem erhofften Knall, sondern eher mit einem Gähnen zu Ende. IO Interactive hat in der zweiten Staffel viel Arbeit vor sich, um nicht nur weitere interessante Spielplätze für den Auftragskiller zu gestalten, sondern endlich auch einen größeren Fokus auf die Geschichte zu legen. Wäre Hitman eine TV-Serie, würde ich sie nach diesem enttäuschenden Auftakt  - wohlgemerkt nur hinsichtlich der Story - nicht unbedingt weiter anschauen wollen.

Fazit

So, jetzt ist die erste Staffel von Hitman also abgeschlossen – und sie endet nach dem viel versprechenden Auftakt in Paris, der darauf folgenden Highlight-Episode in Sapienza sowie dem Auf und Ab bei weiteren Reisen rund um den Erdball eher enttäuschend. Nach Bangkok zählt die die Hightech-Klinik in Japan zu den schwächsten Schauplätzen. Als Profi-Killer hat man die bekannten Mechaniken rund um Ablenkungsmanöver, Verkleidungen und Observation mittlerweile durchschaut. Obwohl IO Interactive über die gesamte Staffel hinweg mit kreativen Tötungsmethoden überraschte und mitunter für gute Unterhaltung sorgte, führte man die Aufträge mit jeder neuen Episode immer routinierter aus. Zumal auch die kleinen Story-Häppchen für zu wenig Spannung sorgen. Die anfänglichen Befürchtungen hinsichtlich der Wahl auf ein Episodenformat haben sich dagegen nicht bestätigt. Im Gegenteil: Vermutlich hat das Konzept einen entscheidenden Teil dazu beigetragen, dass man die Wartezeiten mit neuen Schleichtaktiken oder der Suche nach Geheimnissen nicht nur sinnvoll überbrückte, sondern die Schauplätze auch viel besser kennenlernte. Dazu kamen neben den Escalation-Aufträgen die schwer zu fassenden Ziele, um die Motivation aufrecht zu halten. Nicht zu vergessen die Herausforderung, Missionen für eine bessere Bewertung ohne große Aufmerksamkeit und mit perfekter Tarnung abzuschließen. Die KI agiert dabei nicht immer clever, leidet mitunter sogar an Aussetzern oder ist zu berechenbar. Außerdem wirken sich die Attentate bei gefundenen Leichen zu wenig auf die Spielwelt aus – die Figuren, darunter auch andere Zielpersonen, gehen einfach weiter ihrem Alltag nach, als sei nichts geschehen. Hier wäre es z.B. schön gewesen, wenn sie nach einem entdeckten Mord stärker geschützt werden, sich irgendwo verschanzen oder eine andere Route auf ihren geskripteten Rundgängen einschlagen würden. Die Qualität der Szenarien mag schwanken, aber eines haben alle sechs Schauplätze gemeinsam: Sie bieten sehr weitläufige Areale mit zahlreichen Möglichkeiten und alternativen Wegen. Außerdem sorgt die Weltreise für viel Abwechslung – nicht nur innerhalb der Orte, sondern auch im direkten Vergleich zueinander. Schaut man sich z.B. die Gassen im sonnigen Marokko rund um den großen Basar mit vielen kleinen Händlern an, wirkt das im Vergleich zur Farm in Colorado oder Sapienza mit seinem Mittelmeer-Feeling wie eine andere Welt. Technisch hat sich der Hitman im Laufe der Staffel ebenfalls weiterentwickelt: Vor allem die langen Ladezeiten wurden spürbar verkürzt und befinden sich endlich auch auf den Konsolen in einem akzeptablen Bereich. Auf PS4 und Xbox One wurde zudem die Darstellung optimiert, obwohl die Bildrate manchmal immer noch an Schluckauf leidet oder der Ton zwischenzeitlich nur verzerrt aus den Boxen kommt. Kleinere Bugs trifft man ebenfalls noch an, denn vor allem die Kollisionsabfrage oder das Ziehen von Körpern bereitet manchmal noch Probleme. Trotzdem: Im Großen und Ganzen ist Hitman auch in Episodenform eine gelungene Fortsetzung rund um die Einsätze des glatzköpfigen Auftragskillers und beinhaltet einige der besten Schauplätze der Reihe.


[Einschätzung der ersten Episode: Ein guter Einstieg, der angenehm viele Freiheiten beim Meucheln bietet und dank Online-Aufträgen trotz des knappen Umfangs zum Weiterspielen motiviert. - gut]

[Einschätzung der zweiten Episode: In Sapienza wartet ein riesiges Areal voller Möglichkeiten auf den Hitman, das den gelungenen Auftakt in Paris übertrifft. - gut]

[Einschätzung der dritten Episode: Das Niveau der zweiten Episode wird zwar nicht erreicht, aber auch Marrakesch ist mit vielen Freiheiten, abwechslungsreichen Arealen und kreativen Eliminierungen für alle Auftragsmörder eine Reise wert. - gut]

[Einschätzung der vierten Episode: Dem Schauplatz fehlt (kulturelles) Flair, vielen Gelegenheiten das gewisse Etwas. Die Bangkok-Episode ist nur Durchschnitt. - befriedigend]

[Einschätzung der fünften Episode: In Colorado warten viele kreative und unterhaltsame Attentat-Gelegenheiten. Auch die Story bekommt durch weitere Erkenntnisse endlich neuen Schwung.  - gut]

Pro

viele Möglichkeiten für (kreative) Eliminierungen, Ablenkungen und Verstecke
enorm großes, sehr weitläufiges Areal mit vielen Routen
Verkleidungen als wichtiges Spielelement
Gelegenheiten liefern wertvolle Hinweise auf alternative Anschlag-Methoden
gute Auswahl an konventionellen und ausgefallenen Mordwerkzeugen
angenehme Schleichmechanik
KI agiert oft aufmerksam bei verdächtigen Aktionen
überzeugende (englische) Sprecher
Instinkt- und Verdachtsanzeigen abschaltbar
mehrstufige Escalation-Aufträge und zeitlich begrenzte Jagd auf Zielpersonen
motivierende Online-Herausforderungen zum Selbsterstellen und Teilen

Kontra

vereinzelte KI-Aussetzer
Körper hängen manchmal fest und lassen sich nicht mehr ziehen
lange Ladezeiten (Konsolen)
schwankende Bildrate (Konsolen)
nur deutsche Untertitel
vereinzelte Bugs
Spielelemente nutzen sich spürbar ab

Wertung

PC

Das Staffelfinale enttäuscht, aber insgesamt hinterlässt der Hitman im Episodenformat trotz anfänglicher Skepsis und schwankender Qualität einen guten Eindruck.

XboxOne

Das Staffelfinale enttäuscht, aber insgesamt hinterlässt der Hitman im Episodenformat trotz anfänglicher Skepsis und schwankender Qualität einen guten Eindruck.

PlayStation4

Das Staffelfinale enttäuscht, aber insgesamt hinterlässt der Hitman im Episodenformat trotz anfänglicher Skepsis und schwankender Qualität einen guten Eindruck.

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