Zenith04.10.2016, Jens Bischoff

Im Test: Rollenspiel-Ikonen als Lachnummer

Mit Zenith (ab 11,69€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ziehen Infinigon und BadLand Games nicht nur bekannte Spielehelden und -klischees durch den Kakao, man nimmt sich auch selbst nicht allzu ernst. Trotzdem soll abseits aller Blödeleien und Seitenhiebe ein vollwertiges Action-Rollenspiel geboten werden. Ob das gelungen ist, verrät der Test.

Notorischer Pechvogel

Nachdem die Suche nach einem legendären Artefakt nicht so verlief wie geplant, hängt Arkanologe und notorischer Fettnäpfchentreter Argus Windell seinen Job an den Nagel und schlägt sich fortan als windiger Trankbrauer durchs Leben. Doch auch dieser Lebensabschnitt findet aufgrund folgenschwerer Fehlmedikationen bald ein jähes Ende.

Fast so sicher wie das Amen in der Kirche: Wo Argus auftaucht, sind Ärger und Chaos nie weit.
Es beginnt eine Flucht quer durchs Land, auf der Argus' verkorkstes Schicksal anhand skurriler Begegnungen und Rückblicke nach und nach aufgedeckt wird und ihn zum tragischen Helden einer unglaublichen Geschichte avancieren lässt.

Trotz aller Dramatik bleibt dabei kaum ein Auge trocken, denn Argus hat nicht nur eine bewegte Vergangenheit, sondern zieht Pech und Ärger geradezu magisch an. Zudem bringt ihn sein angeborener Sarkasmus, für den es im Charaktermenü sogar einen eigenen Wert gibt, immer wieder in brenzlige Situationen, die meist in Tumult und Chaos enden.

Neben Spielehelden und -klischees bekommen auch Film- und Comic-Größen ihr Fett weg.
So wird nicht nur die Bitte eines Veranstalters für Abenteuerreisen missachtet, gefundene Ausrüstung nach dem Gebrauch wieder zurück in die jeweiligen Schatzkisten zu legen, man bekommt es auch mit mafiösen Orks, singenden Killerspinnen und furzenden Katzen zu tun.

Parodistischer Rundumschlag

Neben einer kräftigen Portion Selbstironie wird auch vor bekannten Gesichtern und Klischees aus Spiel und Film nicht Halt gemacht. So werden Final-Fantasy-Ikonen wie Cloud, Tidus oder Aerith immer wieder als psychotische Aushilfsabenteurer Claude, Titus und Iris vorgeführt. Zudem gibt es Gastauftritte von Hexer Geralt von Riva und Piratenkönig Monkey D. Ruffy im örtlichen Thermalbad,

Die Final-Fantasy-Ikonen Tidus, Cloud und Aertih alias Titus, Claude und Iris müssen gleich mehrfach als unfähige Aushilfsabenteurer mit psychischen Problemen herhalten.
aufschlussreiche Verkaufsgespräche mit dem Händler aus Resident Evil 4 oder gar einen Nebenauftrag von Harry Potters Erzfeind Lord Voldemort alias Sir Volodimorte, der eine Ersatznase für eine Lesebrille sucht.

Man kann aber auch einfach nur zuhören, wie ein geflohener König über den Verfall von Rollenspielwerten philosophiert, ein Topfhändler über krankhafte Sammel- und Zerstörungszwänge eines bekannten Zipfelmützenträgers lamentiert oder ein Amok laufender Golem Binsenweisheiten rezitiert. Die an sich ordentliche, teils sogar mit Dialektfärbungen aufwartende deutsche Übersetzung scheint man aber leider nur einer hastigen Korrekturlesung unterzogen worden zu sein. So trüben nicht nur immer wieder mitten im Satz endende und nicht fortgesetzte Textfenster, sondern auch zahlreiche Grammatik- und Rechtschreibfehler den Spaß am Lesen der süffisanten Dialoge. Sprachausgabe gibt es abseits weniger englischer Kampfkommentare leider keine. Auch sonst wirkt die Inszenierung eher zweckmäßig, die zugrundeliegende Technik holprig.

Brüchiges Fundament

Vor allem auf der begehbaren und von sichtbaren Gegnern bevölkerten Weltkarte ruckelt und ploppt es teils ungemein, auch wenn man hier im Gegensatz zum restlichen Spiel wenigstens die Kameraperspektive beeinflussen kann. Animationen und Effekte wirken teils fast schon stümperhaft, KI und Kollisionsabfrage zumindest fragwürdig. Hinzu kommt, dass man selbst beim Lesen von Schildern, Untersuchen von Umgebungsobjekten oder Plündern der teils viel zu schnell wieder verschwindenden Leichen angegriffen wird, ohne sich wehren zu können.

Auf der begehbaren 3D-Weltkarte fallen die technischen Gebrechen besonders in Auge.
Auch eine Kartenfunktion oder ein besonders bei späteren Nebenaufgaben vermisstes Quest-Log sucht man vergebens.

Die in klassischer Action-Rollenspiel-Manier ausgefochtenen Kämpfe lassen sich sowohl mit Maus und Tastatur als auch Game-Pad bestreiten, wobei Letzteres aufgrund der in beiden Fällen direkten Charaktersteuerung selbst von den Entwicklern empfohlen wird. Man kann im Nahkampf zwischen Schwert-, Hammer- und Faustattacken sowie jeweils einem ziel- und flächengerichteten Zauber wählen. Sowohl magie- als auch waffenbasierte Angriffe fußen dabei auf den drei Elementen Feuer, Wasser und Erde, gegenüber denen sowohl Gegner als auch man selbst mit Fertigkeiten und Ausrüstung beeinflussbare Affinitäten sowie Resistenzen besitzt.

Die Charakterentwicklung ist mit ihren drei Fertigkeitsbäumen sehr einfach gehalten.
Schützen kann man sich zudem mit schnellen Ausweichrollen oder dem gezielten Aktivieren eines Zauberenergie fressenden Schutzschilds. Auch der mit Abklingzeiten reglementierte Einsatz von Heil- und Mana-Tränken ist erlaubt.

Einfach gestrickt

Der Schwierigkeitsgrad ist eher moderat. Nur wenn man seine Ausrüstung vernachlässigt oder Orte aufsucht, die eigentlich erst für später gedacht sind, kann's schon mal etwas haarig werden. Eine Flucht ist aber fast immer und überall möglich, ein Sichern des Spielstands hingegen nur an klassischen Speicherkristallen. Im Todesfall kommen aber auch diverse Rücksetzpunkte zum Einsatz.

Bei den Bosskämpfen kommt es oft auf das richtige Timing und Stellungsspiel an.
Die Charakterentwicklung ist eher einfach gehalten und beschränkt sich auf die Wahl der Ausrüstung sowie das Festlegen einer individuellen Reihenfolge beim Lernen neuer Aktiv- und Passivfähigkeiten anhand drei überschaubarer und am Ende ohnehin gänzlich komplettierter Fertigkeitsbäume.

Auch der Spielverlauf ist abgesehen von wenigen möglichen Ausreißern und Nebenbeschäftigungen wie dem Zerstören von Portalen oder Aufspüren der legendären DragonBalls, die hier natürlich würfelförmig sind, sehr linear, der Spielumfang mit zirka zehn bis 15 Stunden überschaubar. Auch einen in diesem Genre meist gern gesehenen Koop-Modus gibt es, obwohl man immer wieder mit wenig brauchbaren KI-Partnern unterwegs ist, leider nicht. Dafür wissen die wenigen, aber abwechslungsreichen Rätsel, die taktisch angehauchten Bosskämpfe sowie viele kleine Details und unerwartete Überraschungen zu gefallen. Auch der Soundtrack präsentiert sich von ruhigen Klavierpassagen über beschwingte Folklore- und Orchesterklänge bis hin zu treibender Heavy-Metal-Mucke ungemein stimmungsvoll und abwechslungsreich.

Fazit

Als vollwertiges Action-Rollenspiel in Diablo-Manier ist Zenith leider nur Durchschnitt: Die technische Umsetzung ist holprig, der Spielkomfort mäßig, die Charakterentwicklung vergleichsweise simpel, der Umfang überschaubar. Nicht einmal eine Koop-Funktion ist mit an Bord - und das, obwohl man häufig zu zweit unterwegs ist und die KI-Partner kaum eine Hilfe sind. Dass ich trotzdem gut unterhalten wurde, liegt vor allem an den skurrilen Situationen, amüsanten Dialogen und albernen Parodien, die die spanischen Entwickler hier ähnlich wie in The Bard's Tale von 2005 immer wieder auftischen. Schade nur, dass es der deutschen Lokalisierung hier und da an Sorgfalt mangelt. Aber allein die als Running-Gag servierte Final-Fantasy-Stümpertruppe um Claude, Titus & Co gleicht das wieder aus. Auch der vielseitige Soundtrack weiß zu gefallen - ebenso wie die vielen unerwarteten Überraschungen, charmanten Details, gelungenen Rätsel- und Slapstick-Einlagen sowie taktisch angehauchten Bosskämpfe. Keine Offenbarung, aber ein solides Fantasy-Abenteuer mit vielen Gelegenheiten zum Schmunzeln.

Pro

süffisante Dialoge
gelungene Parodien
nette Rätsel & Bosskämpfe
facettenreicher Soundtrack

Kontra

holprige Technik
überschaubarer Umfang
durchwachsene Lokalisierung

Wertung

PC

Kurzweiliges Action-Rollenspiel mit amüsanten Dialogen, Situationen und Seitenhieben.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.