Halo Wars 223.02.2017, Marcel Kleffmann
Halo Wars 2

Im Test: Prächtige und oberflächliche Schlachten

Echtzeit-Strategie fristet weiterhin ein Schattendasein. Die einst glanzvollen Zeiten von Command & Conquer, WarCraft und Supreme Commander liegen lange zurück und abgesehen von StarCraft 2 und dem anstehenden Dawn of War 3 wagt sich niemand ernsthaft mehr in das einst so beliebte Gefilde. Umso überraschender war dann die Ankündigung von Halo Wars 2 (ab 2,99€ bei kaufen) für PC (Windows 10) und Xbox One vor eineinhalb Jahren. Im Test haben wir uns das Spiel von Creative Assembly und Microsoft angesehen und beantworten die Frage, ob Halo Wars 2 dem Genre wieder Leben einhauchen kann.

Das Vorbild ist der Vorgänger

Im Kern ist Halo Wars 2 ein klassisches Echtzeit-Strategiespiel mit minimalistischen Basisbau, schlagkräftigen Schere-Stein-Papier-Einheiten und einer bemerkenswerten Präsentation, die jedoch nur die flache Geschichte sowie das mittelprächtige Missionsdesign zu kaschieren versucht - doch der Reihe nach. Der von 343 Industries, Creative Assembly und Microsoft entwickelte Xbox-Play-Anywhere-Titel für Windows 10 und Xbox One orientiert sich überraschend stark an Halo Wars von den Ensemble Studios und bietet eine Story-Kampagne (sogar kooperativ mit zwei Personen spielbar), einen Gefecht-Modus, drei Multiplayer-Varianten und den Blitz-Modus.

Erstklassige Präsentation

Visuell ist Halo Wars 2 eine Augenweide.

Die Story-Kampagne, die mit famosen cinematischen Zwischensequenzen eingeleitet und mit durchschnittlich netten Ingame-Cutscenes und reichlich Funksprüchen in den Missionen fortgeführt wird, spielt 28 Jahre nach den Ereignissen aus Halo Wars - und kurz nach Halo 5: Guardians. Das verschollene UNSC-Raumschiff "Spirit of Fire" taucht auf einmal wieder auf der Bildfläche auf. Die Mannschaft verlässt den Cryoschlaf und bemerkt alsbald, dass sie sich bei der Arche befinden - einer gigantischen Raumstation, auf der die Halo-Ringe "gebaut" werden. Bei der Erkundung der Oberfläche treffen sie auf Atriox - ein ziemlich rachsüchtiger Brute, der sich den Covenant entgegengestellt hat. Er hat sich die Kontrolle über die Arche unter den Nagel gerissen hat und ohne viel Gerede entbrennt ein Kampf zwischen dem UNSC und den Verbannten.

Die Geschichte ist dabei eher Nebensache und keiner der Charaktere sowie Helden bleibt nachhaltig im Gedächtnis, da sie eigentlich nur eindimensionale Stichwortgeber und völlig austauschbar sind. Zumal auffällt, dass mit den aufwändigen Zwischensequenzen am Anfang nicht gegeizt wird und dann im Mittelteil erstmal nur durchschnittliche Ingame-Cutscenes folgen oder die Gegebenheiten bei der Missionsbeschreibung erzählt werden, bevor die Kampagne zum Ende hin mehr Fahrt aufnimmt. Insgesamt gibt es ein Dutzend Missionen, die man ausschließlich mit den UNSC-Truppen bestreitet. Eine Verbannten-Kampagne gibt es nicht (DLC?). Zumindest darf man die Verbannten im Gefecht gegen KI-Gegner oder im Mehrspieler-Modus steuern. Die Einsätze in der Kampagne dauern zwischen 20 und 40 Minuten (Kampagnenlänge: sieben bis acht Stunden) und geizen nicht mit Halo-Referenzen.

Eingeschränkter Basisbau und seichte Taktik

In den meisten, aber nicht allen Missionen darf man eine kleine Basis an vorbestimmten Orten errichten und mit Gebäuden an ebenfalls vorbestimmten Positionen erweitern. Kaserne, Fahrzeug-Fabrik, Hangar, Waffenkammer und Ressourcenproduktionsgebäude werden bis zur Fertigstellung spektakulär eingeflogen und sichern sowohl Truppennachschub als auch Rohstoffe oder Einheitenupgrades.

Kleine Bosskämpfe gilt es am Ende von manchen Missionen zu bestehen.
In der Basis baut man typische Halo-Einheiten, die grundlegend auf dem Schere-Stein-Papier-Prinzip beruhen. Fahrzeuge sind zum Beispiel effektiv gegen Infanterie. Infanterie ist stark gegen Lufteinheiten, während fliegende Einheiten mit Fahrzeugen kurzen Prozess machen. Kleinere Abstufungen gibt es noch, so sind zum Beispiel Flammenwerfer gut gegen Einheiten, die sich in befestigten Garnisonen verschanzt haben. Zusätzlich können Kommandanten-Fähigkeiten mit Abklingzeit genutzt werden. So können Minen abgeworfen, ein Bombardement angefordert oder eine Heilungs- bzw. Reparaturfläche aktiviert werden. Viel mehr Taktiktiefe darf man bei den actionorientierten Gefechten von Halo Wars 2 nicht erwarten. Das Spiel beschränkt sich nur auf das Nötigste. Wer gerne umfangreiche Flanken-Manöver plant, das Gelände geschickt nutzen möchte oder komplexere Strategien umsetzen will, ist hier falsch. Durch die Konzipierung des Controllers als zentrales Steuerungselement fehlt es einfach an Möglichkeiten, um schnell und koordiniert mehrere Befehle zeitnah geben zu können.

Riesen-Menüs für PC-Spieler

Während sich also das nicht allzu tiefgehende Kampfsystem auf der Xbox One mit Contoller - wie schon beim Vorgänger - ganz gut steuern lässt, fallen vor allem auf dem PC die fast bildschirmfüllenden Ringmenüs bei der Produktion von Einheiten oder der Auswahl der Spezialfähigkeiten negativ auf.

Die für Xbox One dimensionierten Ringmenüs sind auf dem PC einfach viel zu groß.
Diese sind völlig überdimensioniert und unnötig. Das PC-Interface hätten die Entwickler ruhig anders stricken können. Es wirkt so, als sei die PC-Version nur ein Abklatsch der Xbox-One-Variante ist. Diesen Eindruck unterstreicht auch das unübersichtliche und verschachtelte Menü, wenn man die Tastenbelegung ändern möchte - eine gute PC-Adaption sieht anders aus! Zumal es auf dem PC sporadisch zu Steuerungsausfällen kam. Meine ausgewählten Einheiten wollten kurzzeitig partout keine Befehle annehmen. Auch die Wegfindung der Einheiten ist nicht immer das Gelbe vom Ei, vor allem der rasant durch die Gegend flitzende Warthog ist gerne mal auf Kriegsfuß mit der Umgebung.

Kampagnenmissionen

Halo Wars 2 präsentiert sich bei der grundlegenden Spielmechanik eher bodenständig und besinnt sich auf alte Echtzeit-Strategie-Tugenden. In Sachen Missionsdesign wird ebenso auf Bewährtes gesetzt. Die Kampagne zeigt sich in diesem Bereich eher altbacken, aber immerhin um Abwechslung bemüht. In den Einsätzen darf man Portale benutzen, Generatoren zerstören, gegnerische Basen ausheben, Versorgungsanlagen vernichten, dem Ansturm von Gegnern standhalten, ein bisschen Tower Defense spielen, kleine Bosskämpfe bestreiten und manchmal ist man auch komplett ohne Basis mit Helden hinter den feindlichen Linien unterwegs. Außerdem gibt es viele optionale Ziele oder kleine Herausforderungen, die wiederum Punkte für den Account-Rang einbringen.

Trotz gebotener Missionsvielfalt und wirklich schicker sowie detailverliebter Grafik bietet keine der Missionen etwas richtig Besonderes. Wenn ich an StarCraft 2 zurückdenke, fallen mir sofort einige Missionen (Tag-Nacht-Wechsel mit Zombies; auf- und absteigende Lava; auf einem Schienensystem fahrbare Basis etc.)

In dieser Mission muss die eigene Basis von fast allen Seiten verteidigt werden, bevor am Ende eine dicke Überraschung aus dem Wasser stampft.
ein, die herausragend waren. So etwas fehlt bei Halo Wars 2 leider. Die Einsätze sind zu generisch. Erst gegen Ende und damit zu spät wird mehr Vielfalt geboten.

Rasante Mehrspieler-Duelle

Im Multiplayer gibt es drei Spielmodi. Im Modus Dominanz muss man Kontrollpunkte auf der Karte erobern und erhält dafür Dominanzpunkte bzw. Siegpunkte. Bei der Festungsvariante spielen Ressourcen keine Rolle. Ziel ist es, mehr Festungen/Außenposten als der Gegner zu halten. Im Deathmatch hingegen geht es nur um die Auslöschung des Feindes. Außerdem lassen sich die Partien mithilfe von Schädeln (z. B. Grunts oder Marines explodieren beim Tod oder kürzere Abklingzeit) anpassen. Aufgrund der überschaubaren taktischen Tiefe und den eher rudimentären Unterschieden der beiden Fraktionen reichen die Mehrspieler-Partien für rasante, unkomplizierte und zügige Schlachten, denen schnell die Puste ausgeht, weil es an Alternativen und strategischen Handlungsoptionen fehlt.

Achtung Blitzer!

Abschließend ist noch der Blitzmodus zu erwähnen. In dieser Variante darf man Halo Wars 2 völlig ohne Basis spielen. Stattdessen stellt man sich vor einer Partie die eigene Armee und die eigenen Spezialfähigkeiten anhand von Sammelkarten in einem Kartendeck zusammen. Jede Einheit bzw. jede Fähigkeit kostet Energie, damit sie direkt eingesetzt werden kann. Diese Energie kann auf dem Schlachtfeld an verschiedenen Spawnpositionen eingesammelt werden, während man versucht, die Kontrollpunkte auf der Karte zu halten. Möchte man zum Beispiel einen Scorpion (Panzer) aufs Schlachtfeld bringen, muss man 110 Energie-Einheiten ausgeben und dann wäre es gut, wenn der Gegner nicht unbedingt den Konter schon in der Armee hat … aber wer weiß?

Der Inhalt eines geöffneten Kartenpakets. Unter der jeweiligen Karte wird jeweils ihre Stufe angezeigt. Die Energiekosten stehen oben links. Die farbliche Markierung unter dem Bild hebt die Effektivität gegenüber Infanterie, Fahrzeugen oder Lufteinheiten hervor.
Die Matches spielen sich überaus rasant und sind durch die Beschränkung der Ressourcen interessant. Blitzpartien darf man entweder gegen andere menschliche Kontrahenten spielen oder man entscheidet sich für ein "Feuergefecht", in dem man alleine oder gemeinsam mit anderen Mitspielern gegen immer schwieriger werdende Wellen von computergesteuerten Gegnern antritt.

Die nötigen Sammelkarten erhält man durch das Spielen von Halo Wars 2 (auch in der Kampagne). Oder man kauft sie sich gegen Echtgeld. Da die Karten "aufleveln" bzw. stärker werden, je öfter man sie gesammelt hat (z. B. steigen die Reparaturdrohnen auf Stufe 2 auf, wenn ich sie zweimal in irgendeinem Kartenpaket hatte), besteht hier die Möglichkeit, dass diejenigen, die zusätzliches Geld in die Hand nehmen, einen Vorteil gegenüber anderen Spielern haben, die das nicht tun. Es riecht ein bisschen nach "Pay-to-Win" und das ist ebenso schade wie unnötig.

Fazit

Nein, auch Halo Wars 2 verhilft dem darbenden Echtzeit-Strategie-Genre nicht wieder zu dem Glanz vergangener Zeiten - und das ist verdammt bedauerlich. Denn hinter der hervorragenden Präsentation mit stellenweisen eindrucksvollen Zwischensequenzen und den sehr ansehnlichen Schlachten verbirgt sich leider ein ziemlich oberflächliches und altbackenes, aber immerhin rasantes und actionreiches Strategiespiel, dem man seinen Konsolenursprung anmerkt, obwohl die Steuerung mit dem Controller sehr ordentlich funktioniert. Es sind letztlich der arg eingeschränkte Basisbau, die ziemlich überschaubare Einheitenpalette und die simplen Schere-Stein-Papier-Mechaniken, die dafür sorgen, dass es nicht zu fesseln vermag. Ähnlich ist es bei der zwölf Missionen kurzen Einzelspieler-Kampagne, die zwar wuchtig inszeniert ist, aber weder bei Story noch Charakteren oder Missionsdesign irgendetwas bietet, das über das Bewährte oder die gehobene Mittelklasse hinausgeht. In vielen Bereichen orientiert es sich zu sehr an Halo Wars, anstatt mutig neue Dinge zu bringen oder auszuprobieren - alles wirkt zaghaft und auf Risiko-Minimierung ausgerichtet. Neben Gefecht und Multiplayer-Modus, in denen man ebenfalls mit der anderen Fraktion spielen darf, weiß der basislose Blitz-Modus mit Sammelkarten und auf das Wesentliche beschränkte, zügige Schlachten zu überzeugen, wenn es bloß nicht möglich wäre, Karten für Echtgeld zu kaufen und sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen. PC-Spieler müssen außerdem mit einem übertrieben großen Ringmenü vorlieb nehmen und sich durch unübersichtliche Menüs klicken. Alles in allem entfacht Halo Wars 2 also kurzzeitig spaßige, actionreiche und schicke Gefechte mit zu überschaubaren taktischen Möglichkeiten und nur wenigen Inhalten.

Pro

aufwändige Präsentation mit tollen Zwischensequenzen
schicke Grafik und stimmiger Halo-Stil
actionreiche Gefechte
um Abwechslung bemühte Kampagnen-Missionen
hilfreiche Anführer-Fertigkeiten
gute Steuerung mit Controller
gelungener Einstieg
zweite Fraktion im Gefecht oder Multiplayer spielbar
prinzipiell gelungener Blitz-Modus
Kampagne kann kooperativ gespielt werden
rasante Multiplayer-Modi

Kontra

ziemlich rudimentäres Kampfsystem mit wenig Taktiktiefe
sehr eingeschränkter Basisbau
vergleichsweise kurze Kampagne mit nur einer Fraktion
dröge Geschichte mit schwachen Charakteren
kaum Höhepunkte bei den Missionen und statische Karten
Kartenpakete (Blitz-Modus) können gegen Echtgeld gekauft werden
Wegfindungsmacken und andere Bugs (keine Befehle annehmen)
PC-Umsetzung wirkt lieblos (Ringmenü, Steuerung anpassen)

Wertung

PC

Halo Wars 2 entfacht kurzzeitig spaßige, actionreiche und schicke Gefechte mit überschaubaren taktischen Möglichkeiten und zu wenigen Inhalten.

XboxOne

Halo Wars 2 entfacht kurzzeitig spaßige, actionreiche und schicke Gefechte mit überschaubaren taktischen Möglichkeiten und zu wenigen Inhalten.

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