Hacknet19.08.2015, Benjamin Schmädig
Hacknet

Im Test: Echter Cyberspace

Ein harmloser Test meiner frisch erworbenen Kenntnisse im Hacken sollte es sein: Ich würde die Schwarzkopie vernichten, mit der ein unmoralischer Hacker Profit einfährt. Also verschaffe ich mir Zugriff auf seinen Rechner, entferne die Datei... da fährt mein eigener Computer runter, aber nicht wieder hoch. Nur über die Eingabezeile kann ich mein Betriebssystem wiederherstellen – was für ein Idiot! "Fuck you!" maile ich dem Übeltäter zu. "Yeah, fuck you too, buddy" pfeffert er doch tatsächlich zurück. In diesem Augenblick war Hacknet großartig!

"Hilfe!"

Der E-Mail-Austausch fand natürlich nur im Spiel statt und war fest einprogrammiert. Die Tatsache, dass Hacknet eine Antwort auf meine vorhersehbare, aber vollkommen freiwillige Reaktion parat hatte, bescherte ihm allerdings einen tollen Moment.

Der bissige Tritt ans Schienbein ist ja nur die halbe Geschichte; Hacknet baute den kleinen Höhepunkt auch hervorragend auf. Immerhin presste ich bis zu besagtem Absturz dem Betriebssystems Unix entlehnte Befehle in die Tasten, knackte Firewalls, änderte Dateiinhalte oder sah mich in privaten Dateien anderer Leute um. Alleine die Sammlung auf bash.org archivierter Beiträge ist das Stöbern wert.

Die Benutzeroberfläche besteht immer aus den Menüs eines fiktiven, aber realitätsnahen Bildschirms. Ich kann fast sämtliche Aktionen über die Kommandozeile ausführen, sogar das Farbschema aus dem Spiel heraus ändern, im Hintergrund lief zu besagtem Zeitpunkt schwungvoller Retro-Elektro – dann war es plötzlich still. Bluescreen, der Rechner fährt runter, bootet erneut, kann die grafische Benutzeroberfläche aber nicht laden. "Help"! Dieser Befehl öffnet zwar eine Liste aller verfügbaren Befehle. Was ich damit anstelle, muss ich allerdings

Wer sich in die richtigen Datenbanken hackt, kann lange in fremden Dateien wühlen. Man erfährt so kleine Geschichten, vor allem aber amüsante Episoden.
selbst austüfteln. Also knobele ich zum drögen Rauschen meines realen Lüfters, während ich das so genannte Hacknet-OS wieder herstelle.

Und danach maile ich dem Vollpfosten eben, was er sich mal kann...

Hacker am Fließband

Diese einfache Art, das Spiel Realität werden zu lassen, ist die große Stärke von Hacknet. Es verlässt nie die Ebene des Blicks auf den Bildschirm und ganz wichtig: Es lässt seine Spieler mit echten Befehlen arbeiten, anstatt sie durch Menüs zu lotsen. Viele Schritte kann man zwar vereinfachen – das E-Mail-Programm ist etwa auf dem grafischen Teil der Benutzeroberfläche mit Maus erreichbar. Für das Hacken ist die Kommandozeile aber unerlässlich. Man muss sogar darauf achten, dass nicht zu viele Programme laufen, weil die sonst den Hauptspeicher blockieren.

Obwohl man beim Einbruch in andere Systeme meist mehrere Sicherheitsblockaden ausschaltet, wiederholt sich allerdings vieles – diese Monotonie ist die größte Schwäche des Spiels. Viel gibt es zwischen den Cyberangriffen ja nicht zu tun und so aktiviert man stets dieselben Programme, um Hindernisse ganz automatisch auszuschalten. Und selbst wenn man dabei so langsam ist, dass der versuchte Einbruch auffliegt, zieht man sich aus der Affäre, indem man sich auf einem anderen Computer mit bekannten Mitteln Zugriff verschafft und im übertragenen Sinn auf "Ausweg" klickt. Man muss im späteren Verlauf einige harte Kopfnüsse knacken, die kreatives Denken erfordern! Trotzdem wirkt der gleichförmige Ablauf ermüdend.

Fazit

So clever wie das ebenfalls vor kurzem erschienene TIS-100 ist Hacknet nicht: Das freie Programmieren, das Finden einer einzigartigen Lösung, genau das fehlt dieser Simulation. Manche Aufgaben bringen die grauen Zellen zwar gehörig zum Rauchen, offen ist Hacknet aber nur dort, wo man freiwillig E-Mailserver knacken oder in fremden Dateien stöbern darf. Eines gelingt ihm jedoch hervorragend: Es ahmt die Arbeit eines Hackers – ich spreche dabei aus der Sicht eines absoluten Laien – glaubwürdig nach. Diese vereinnahmende Immersion ist ungemein fesselnd. Hacknet bringt seinen Spielern Kenntnisse eines im Kleinen funktionierenden Betriebssystems bei und fordert diese auch ein. Das ist klasse, weil der Kopf immer im Spiel sein muss. Vor allem aber ist es clever, weil man als "echter" Crack irgendwann versteht: So was wie Watch Dogs ist nur Spielzeug!

Pro

nahezu alle Aktionen über Menüzeile ausführbar
einige knifflige Aufgaben
glaubwürdige Menü- und Eingabefenster und an Unix angelehnte Befehle
kleine, aber wichtige Speicherverwaltung
nachgestellter E-Mailverkehr mit kleinen interaktiven Überraschungen
cooler elektronischer Soundtrack
viel Lesenswertes, u.a. unterhaltsame Anekdoten von bash.org

Kontra

insgesamt recht geradlinige Wiederholung des immer Gleichen
unübersichtliche Anzeige anderer Computer
Darstellungsfehler bei niedrigen Auflösungen
übernimmt nicht immer alle Menüänderungen

Wertung

PC

Watch Dogs ist nur Spielzeug! Hacknet-OS simuliert ein echtes Betriebssystem und zeigt, welche Türen echten Cracks offenstehen.

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Kommentare

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ClassicGamer76

Cooles Spiel, kommt man gut rein... wer auch mit Windows 10 zu kämpfen hat und das Spiel nach dem Start freezed:

Creating a settings file in C:\Program Files (x86)\Steam\steamapps\common\Hacknet
from here
http://hacknet-os.com/Support/Settings.txt

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Damit lief es bei mir, habe es aus dem Steam Forum. Die ersten beiden Values passt ihr analog eurer Bildschirmauflösung an. Multisample muss auf False stehen, sonst freezed es wieder. Fullscreen lasst ihr am besten auch, stellt eure normale win Auflösung ein und lasst es laufen. Viel Spaß!

vor 4 Jahren