For The King11.05.2018, Benjamin Schmädig

Im Test: Edles Würfelglück

Wann hatte ich zuletzt so viel Spaß mit Würfeln? Dabei kommt kein einziger im Spiel vor. Doch For the King (ab 3,89€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) erzeugt ein Flair, als würde man am Familientisch Figuren verschieben, Ereigniskarten ziehen und darum würfeln, ob die aus Holz geschnittenen Helden einen Schatz finden oder nur ein leeres Grab. For the King ist außerdem ein Roguelike sowie ein Taktik-Rollenspiel vom Schlage eines Heroes of Might & Magic. Und wie es das Beste der drei Welten vereint, das lest ihr im Test.

Drei Helden sollt ihr sein

Für eins von drei Abenteuer müsst ihr euch entscheiden. Da ist zum einen die titelgebende Geschichte um den geheimnisvollen Tod des Königs des Fantasy-Reichs Fahrul sowie den Angriff des Chaos‘. Da ist zum anderen das freie Erkunden des übrigens stets prozedural erstellten Landes. Und da ist die Schatzsuche im frostigen Norden, wo eisige Kälte beim Übernachten im Freien Lebenspunkte kostet.

Jedes dieser Abenteuer bestreiten drei Helden, die ihr entweder alleine steuert, deren Kontrolle bis zu drei Online-Spieler übernehmen oder ebenso viele lokale Mitspieler. Und jeden Helden bzw. jede Heldin erstellt man zu Beginn der Reise aus einem Pool verfügbarer Klassen, wobei man durch gesammelte Belohnungen neue Klassen für neue Reisen freischaltet.

Schicker Minimalismus: For the King vereint Brett- und Videospiel.

Wunderschön vernebelt

Verdecken anfangs noch dicke Wolken (ein wunderschöner „Kriegsnebel“) die Sicht, wandert man bald über eine weite Karte, deren große Hexfelder an ein edles Brettspiel erinnern. Wie viele Felder eine Figur laufen darf, entscheiden dabei fünf imaginäre Würfel; vereinfacht werden daraufhin die Ergebnisse angezeigt, also ob der Wurf erfolgreich war oder.

In Ortschaften erhält man Quests, kauft man Ausrüstung und stellt die Gesundheit wieder her, an Wunschbrunnen steigert man eine beliebige Charaktereigenschaft, Fragezeichen könnten alles sein. Man besiegt einzelne Gegner oder meistert in Dungeons aufeinanderfolgende Herausforderungen – dazu zählen Kämpfe, Fallen sowie das Trinken aus Gesundbrunnen, bevor im letzten Abschnitt eine Schatztruhe wartet. Man bereist sogar das von einem Kraken geplagte Meer, um entfernte Landstriche zu erreichen.

Das Bestehen aller Ereignisse verlangt einen Wurf, sei es das Umschleichen eines Gegners, das Graben nach einem Schatz oder das Entkommen eines Hinterhalts, und meist kann man frei entscheiden, ob man das Risiko überhaupt eingeht oder z.B. auf die mögliche Beute lieber verzichtet. Je nach Aufgabe würfelt man ja mit verschieden vielen Würfen gegen einen der Werte des aktiven Charakters, darunter Stärke, Ausdauer sowie Intelligenz. Und ein Held, der zum Schleichen nicht gemacht ist, würde wahrscheinlich in einen Kampf geraten, den man eigentlich vermeiden möchte.

Konzentration+Glück=Erfolg?

Nun ist all das nichts Neues; fast jedes Videospiel bestimmt mal mehr, mal weniger offensichtlich durch Auswürfeln und Wahrscheinlichkeiten, ob eine Aktion von Erfolg gekrönt ist. For the King bzw. Entwickler IronOak Games inszeniert das Würfeln aber so plastisch, dass sich der Klick mit der Maus beinahe wie der Wurf eines Würfels anfühlt. Das Schöne ist: Wahrscheinlichkeiten, Anzahl der Würfe und mögliche Ergebnisse werden immer angezeigt. So trifft man stets bewusste Entscheidungen; eventuelles Pech ärgert höchstens das eigene übermütige Ego, nimmt aber nie die Lust am Spiel.

Clever: Händler verkaufen nicht verschiedene Varianten gleicher Kräuter. Hat man genügend Geld, kauft man vielmehr Pfeifen zum effektiveren "Einnehmen" der Mittelchen.

Richtig klasse ist das aktive Beeinflussen des Erfolgs durch den Einsatz von Fokuspunkten. Jeweils einer davon deklariert einen Wurf zum sicheren Erfolg oder erhöht die generelle Wahrscheinlichkeit aller zwei, drei oder fünf Würfe. Diese Ressource ist natürlich knapp, doch sie verleiht dem Glücksfall eine taktische, sehr befriedigende aktive Note.

Los, los, los!

Und es gibt so viele Ereignisse, die man auf diese Art beeinflusst! Ständig tauchen tote Abenteurer, Schatztruhen, Dungeons und andere Herausforderungen auf – häufig während eines Zugs, sodass man improvisieren muss. Viele Ereignisse hinterlassen dabei Spuren: Je weiter sich das Chaos ausbreitet, desto stärker werden etwa die Gegner. Das Erfüllen bestimmter Missionen drängt das Chaos zurück – dieses Wechselspiel ist ein zentraler Bestandteil der Reise, falls man nicht im eisigen Norden auf Schatzsuche geht. Am Tag begegnet man zudem anderen Kreaturen als nachts, was dem Spielfeld zusätzliches Leben einhaucht.

Weil man nie lange wandert, bevor etwas geschieht, ist das Abenteuer immer in Bewegung. Allerdings fühle ich mich durch die Dichte an Ereignissen auch gehetzt. Man kann Fahrul ja nicht in Ruhe erkunden. Stattdessen gibt es immer irgendein Portal, das man schließen oder einen Gegner, den man besiegen muss, damit sich das Chaos z.B.

Mächtige Waffen fallen auseinander, wenn man bei der Schadensbestimmung ausschließlich "Nieten" würfelt. Man sollte sie deshalb nur gegen starke Feinde ausrüsten - auch hier ist gute Vorbereitung also das A und O.
nicht ausbreitet. Schnell nehmen Plagen Überhand, die Helden ein Zug aussetzen lasen oder durch die Vulkane etliche Wege versperren. Ein bisschen mehr Ruhe hätte durchaus gutgetan, mehr Tagebücher vielleicht, durch die man nichts erreicht außer die Welt kennenzulernen.

Kleider machen Helden

Man wird schon deshalb zum Kampf gezwungen, weil feindliche Kreaturen ebenso schnell stärker werden wie die eigenen Figuren. Und durch Siege erhaltene Beute ist die wichtigste Einnahmequelle für Gold und Gegenstände – beides braucht man, um die Charaktere zu entwickeln. Man verteilt nämlich keine abstrakten Punkte, um nach Gutdünken Werte zu verbessern. Vielmehr legt man Waffen, Schmuck und Rüstung an, die jeweils bestimmte Eigenschaften stärken oder schwächen. Oft muss man sich zwischen Resistenzen gegen verschiedene Zustände, allgemein höheren Werten oder einer einzelnen, besonders mächtigen Eigenschaft entscheiden. Wichtig sind außerdem Mittelchen, die einen der Grundwerte dauerhaft steigern.

Diese Vorbereitung ist ebenso wichtig wie taktische Entscheidungen im Kampf, auch weil man die Ausrüstung während eines Gefechts nicht ändern kann. Aktiviert man also lieber eine Waffe, die für einen sehr mächtigen Hieb ganze fünf Würfe erfordert? Oder begnügt man sich mit einer schwächeren, die mit nur dreimaligem Würfeln relativ sicher moderaten Schaden anrichtet? Und vergesst die pflanzlichen Aufputschmittel nicht! Ein einziges Heilkraut kann den Unterschied ausmachen zwischen Leben und Tod. (Letzteres habe ich gerade erst erlebt.) Lange dauern die Scharmützel ja nicht, weil fast alle Gegner relativ großen Schaden anrichten; umso wichtiger kann das eine Heilen der gesamten Gruppe sein.

Kein taktisches Schwergewicht?

Welche Fähigkeiten ein Held im Kampf verwendet, hängt dabei nicht von seiner Klasse ab, sondern allein von der gewählten Waffe. Dazu zählen normale Angriffe wie auch solche, die mehreren Feinden Schaden zufügen und Zauber, die Kreaturen verlangsamen oder Begleiter schneller als vorgesehen aktiv werden lassen. Jede Figur reiht sich ja in Abhängigkeit ihrer Geschwindigkeit in die Aktionsfolge ein. Manche Waffen lassen ihren Besitzer zudem die Aufmerksamkeit aller Gegner auf sich ziehen, während passive Fähigkeiten gelegentlich einen erfolgreichen Wurf garantieren oder kritische Treffer auslösen.

Die Kämpfe sind keine taktischen Schwergewichte, fordern aber Entscheidungen, die Leben und Tod bedeuten können.

Doch auch die Gegner sind einfallsreich, stehlen z.B. eine Menge Gold und ergreifen im nächsten Zug glatt die Flucht. Ganz allgemein liegt die zentrale Herausforderung darin, die Zusammenstellung des feindlichen Trupps richtig einzuschätzen und in Abhängigkeit von magischen und physischen Widerständen sowie dem zu erwartenden Schaden und natürlich der Zugreihenfolge die eigenen Möglichkeiten sinnvoll aneinanderzureihen.

Es sind nicht die Kämpfe eines taktischen Schwergewichts, aber oft knifflige Herausforderungen mit schwerwiegenden Entscheidungen. Eigenhändig speichert man ja nicht, denn es wird stets der einzige Spielstand aktualisiert. Zwar darf man beliebig viele Partien starten – geht eine zu Ende, ist sie aber definitiv vorüber.

Leben ist heilig

Und trotzdem verfolgt mich in For the King nicht das Gefühl ständig von vorn beginnen zu müssen. Wer halbwegs gut vorausplant, kommt nämlich erstaunlich weit. Keine Situation fühlt sich nach einer Sackgasse an; sieht man dann doch das Ende kommen, dann weiß man auch, welchen Fehler man begangen hat. Es ist schon bedauerlich, dass ich hier nicht in Ruhe das eine große Abenteuer erlebe. Im Gegensatz zu anderen Roguelikes liegt der Schwerpunkt aber nicht auf zahllosen Neustarts, sondern dem aktuellen Durchmarsch.

Bessere Gamepad-Unterstützung?

For the King soll 2019 auch für PlayStation 4, Xbox One und Nintendo Switch erscheinen.

Bis dahin sollte IronOak die Steuerung per Gamepad überarbeiten. Die funktioniert zwar einwandfrei, ist aber so unübersichtlich, dass man lange braucht um sich hineinzudenken.

Die Helden sterben ohnehin nicht sofort, sondern können mehrmals wiederbelebt werden. Immerhin gibt es abseits des höchsten Schwierigkeitsgrads nicht nur eine begrenzte Anzahl allgemeiner Lebenspunkte, von denen jeder Wiederbelebte einen aufbraucht. Mit Heiligtümern verbundene Helden werden zudem unmittelbar nach ihrem Ableben „kostenlos“ wiederbelebt – auch dadurch wirkt die Kampagne nie übermäßig schwer.

Nicht zuletzt gibt es natürlich auch globalen Fortschritt, durch den man über das Einlösen spezieller Belohnungen nicht nur weitere Charakterklassen freischaltet, sondern auch Waffen, Rüstungen und sogar Ereignisse, die das ohnehin sehr abwechslungsreiche Erkunden weiter bereichern. So ist der Anreiz stets groß, nach dem Ende einer Partie gleich wieder aufzubrechen.

Fazit

Mit For the King ist dem jungen kanadischen Team gleich ein bemerkenswertes Spiel gelungen! Die wie aus Holz geschnittenen Figuren wirken wunderbar plastisch und spätestens, wenn das Würfelglück den Ausgang zahlreicher Aktionen bestimmt, versprüht das Abenteuer ein stilvolles Brettspiel-Flair. Die Weltkarte dient dabei nicht nur dem Verschieben der Helden, sondern ist vollgestopft mit Ereignissen, Abenteuern und Herausforderungen. Das wird gerne mal zu viel; das geruhsame Erkunden kommt leider zu kurz. Dafür entschädigen aber die vielen wichtigen Entscheidungen, spannenden Kämpfe und die gelungene Charakterentwicklung über das Zusammenstellen einer taktisch sinnvollen Ausrüstung. Besonders gelungen sind die übersichtliche Darstellung anstehender Ereignisse und Wahrscheinlichkeiten sowie das Beeinflussen des Würfelglücks über die Ressource „Fokus“. So hat das eigene Taktieren nämlich immer einen höheren Stellenwert als das trotzdem wichtige Würfelglück. Dass man drei sehr verschiedene Abenteuer erlebt, wahlweise sogar zu dritte, und dass die einzelne Kampagne wichtiger ist als der ständige Neustart, hebt For the King zudem über das Niveau typischer Roguelikes. Ich bin jedenfalls selten so tief in einem versunken wie in dieser edlen Mischung aus Brett- und Videospiel!

Pro

drei abwechslungs- und ereignisreiche Kampagnen in je drei Schwierigkeitsgraden
übersichtliche Anzeige kommender Ereignisse sowie möglicher bzw. notwendiger Würde und Wahrscheinlichkeiten
gelungenes Freischalten bzw. -kaufen neuer Charaktere, Ereignisse und Ausrüstung
Fokus als aktive Ressource zum Beeinflussen des Würfelglücks
anspruchsvolle, immer faire taktische Herausforderungen
Charakterentwicklung über Fähigkeiten und leistungssteigernde Mittel statt sterile Punkteverteilung
holzschnittartiges edles Artdesign zwischen Brett- und Computerspiel
man spielt alleine oder bis zu dritt, sowohl online als auch lokal, und kann angefangene Spiele mit oder ohne Begleiter fortsetzen

Kontra

ruhiges Erkunden praktisch unmöglich man ist zum schnellen Kämpfen und Erledigen gezwungen
Dichte der Ereignisse und Aufgaben fühlt sich gelegentlich erschlagend an
etwas undurchschaubare Gamepad-Steuerung

Wertung

PC

Edle Mischung aus Brett- und Rollenspiel in einem abwechslungsreichen Abenteuer für bis zu drei Spieler.

Echtgeldtransaktionen

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