Batman: The Telltale Series - Episode 1: Realm of Shadows05.08.2016, Jan Wöbbeking

Im Test: Frische Impulse?

Telltales Adventure-Output läuft nach wie vor auf Hochtouren: Als Nächstes will man dem Dunklen Ritter auch im Spielebereich mehr erzählerische Tiefe verleihen und geht zurück zum Anfang der Geschichte. Können zahlreiche moralischen Entscheidungen und Reaktionstests bei den Kämpfen der Serie eine neue Facette verliehen oder verzettelt sich das Studio?

Zurück auf Anfang

Der Neustart der Geschichte dürfte auf Serienfans etwas konservativ wirken, stellt Neulingen aber Bruce Wayne und andere zentrale Figuren auf unterhaltsame Weise vor. Ich liege vermutlich irgendwo in der Mitte zwischen diesen Extremen: Ich kenne nicht die Comics, habe aber den Großteil der Kinofilme gesehen und in ein paar der Spiele hineingeschnuppert – und auch ich empfand den Ansatz reizvoll, erneut dem Start von Bruce Waynes technisiertem Undercover-Kampf gegen kriminelle Elemente in Gotham City beizuwohnen. Während meiner ersten Begegnung wird Catwoman noch als unbekannte Katzen-Einbrecherin tituliert und beim Privat-Pläuschchen mit Gangsterboss Carmine Falcone darf ich zum ersten Mal in Multiple-Choice-Dialogen meine Integrität beweisen. Die Erzählung teilt die erste Episode in zwei Parts: Als Batman wird meist in Quicktime-Events gekämpft und in Adventure-Manier ermittelt. In der anderen Hälfte bin ich als sein ziviles Alter Ego Bruce Wayne unterwegs, um in zahlreichen Gesprächen Entscheidungen zu treffen, potenzielle Unterstützer für die Kampagne von Bürgermeisterkandidat Harvey Dent zu begeistern oder z.B. den schmierigen Gangsterboss Falcone auf Abstand zu halten.

Zwischendurch werden in der Bathöhle Fundstücke ausgewertet.
Schade allerdings, dass das Spiel in beiden Parts nicht so richtig in Fahrt kommen will. Die Kämpfe nach dem Quicktime-Schema wirken eher ermüdend als spannend und auch während der Dialoge plätschert die Geschichte zu ruhig vor sich hin – gerade für ein Thema wie Batman, dass man bekanntlich deutlich exzentrischer umsetzen kann. Allgemein wirkt der kriminelle Moloch Gotham City in Telltales typischer dreidimensionaler Comicgrafik ein wenig bieder. Zudem sehen manche Zeichnungen wie die vom Rathaus aus der Nähe reichlich unscharf aus. Zum Glück bleibt der Blick auf verwaschene Texturen die Ausnahme, denn davon abgesehen bemerkt man wieder an jeder Ecke Telltales Erfahrung im Bereich filmischer Inszenierung. Wenn sich der finstere Held Faust- und Wortgefechte mit seinen Widersachern liefert, wird das in gekonnten Einstellungswechseln lebendig präsentiert – ganz so, wie man es aus Hollywoods aktuellen Serienproduktionen kennt.

Enttäuschender Schlagabtausch

Zurücklehnen konnte ich mich dabei allerdings selten: Es gibt zwar keine wirkliche Kampfmechanik, in die meisten Auseinandersetzungen muss ich aber mit Hilfe kleiner Geschicklichkeitstests unter Zeitdruck eingreifen, wenn das entsprechende Logo eingeblendet wird. Hier ein Druck nach rechts, dort einer auf A, B oder Y - den Rest erledigt die agile Fledermaus. Schlage ich mich gut, lädt sich das Symbol für eine Art Finisher auf, der in der Praxis allerdings lediglich eine alternative Tastenkombination bedeutet.

Miau?
Spielerisch sorgen die Gefechte also nicht gerade für Spannung, zumal es nur in wenigen Situationen überhaupt möglich ist, zu versagen. Selbst dann startet das Spiel sofort wieder beim letzten Hieb. Lediglich ein Steuerungs-Bug sorgte einmal dafür, dass ich solch eine Szene des Scheiterns zu Gesicht bekam, weil sich der angezeigte Finisher partout nicht ausführen ließ. Erst wildes Drücken auf andere Knöpfe half irgendwann weiter. Außerdem litt die getestete PC-Version unter gelegentlichen Bildblitzern und zwei Abstürzen. Ärgerliche Fehler, mit denen ich aber leben kann.

Routinierte Inszenierung

Als Batman einige Einbrecher im Rathaus abfertigte und später Catwoman auf den Dächern konfrontierte, hat mich das also nicht spielerisch, sondern nur aufgrund der hübschen Inszenierung unterhalten: Geboten werden gelungene dynamische Kameraperspektiven, ein angemessen pompöser Orchester-Soundtrack und eine professionelle englische Synchronisation. Deutsch ist lediglich in Untertiteln enthalten. Ähnlich enttäuschend gestalteten sich Batmans Ermittlungs- und Planungsphasen, deren zu leichte Aufgaben eher an Lückenfüller als an echte Rätsel erinnern. Bevor Batman z.B. ein Anwesen überfällt, in dem es nur so vor Gangstern und korrupten Gestalten wimmelt, muss ich erst einmal seinen Schlachtplan austüfteln: Beim Festlegen des Weges mit dem Cursor lässt sich aber nicht wirklich etwas falsch machen, fast wie beim Malen nach Zahlen.

Arm brechen, Gesicht zerstümmern oder verschonen: Beim Verhören der Gegner stehen mitunter Entscheidungen über ziemlich harsche Methoden an.
Immerhin eine Deut anspruchsvoller wird es an einem Tatort: In einer Lagerhalle wurden Gangster und Polizisten von einer geheimnisvoll kraftvollen Explosion in explizit dargestellte Eizelteile zerlegt. Auch hier werden Linien gezogen, und zwar zwischen zueinander passenden Indizien. Das gestaltet sich ebenfalls zu einfach, erfordert aber immerhin etwas Kombinationsgabe.

Entscheidungen in Gotham City

Deutlich interessanter wird es immer dann, wenn ich mich entscheiden muss: Unterstütze ich beim Aufdecken eines brenzligen Kriminalfalls Lieutenant James Gordon, um Vertrauen aufzubauen – oder lanciere ich die Geschichte lieber an die aufstrebende Reporterin Vicky Vale, die in jedem noch so ungünstigen Moment den richtigen Riecher hat. Als Bruce plötzlich selbst in Konflikt mit der Polizei gerät, muss ich z.B. abwägen, ob ich Vicky trotz meines Unwissens bereits mit einem Statement auf meine Seite ziehe oder noch nichts zu den Anschuldigungen sage. Diese persönliche Einbindung peppt das etwas behäbige Erzähltempo ein wenig auf, zumal mit Hilfe des neuen lokalen Mehrspielermodus‘ „Crowdplay“ auch Freunde mitentscheiden können (mehr dazu in dieser News). Bis zu sieben Mitspieler dürfen sich per Handy mit einer Website verbinden und dann abstimmen, welche der Multiple-Choice-Antworten ausgewählt wird - eine nette Ergänzung für gesellige Spielrunden, die bei einer Testrunde gut funktionierte.

Spielerisch witzlos: Vor einem Überfall wird per Kamera-Drohne der Weg der Attacke geplant.
Bisher nehmen die Entscheidungen aber ohnehin nur leichten Einfluss auf den weiteren Verlauf. Oft wird dann das typische „Xy wird sich daran erinnern“ eingeblendet, was in späteren Episoden noch einmal eine gewisse Bedeutung bekommen könnte. Erstaunlich oft muss man sich auch unter Zeitdruck entscheiden, ob man sich beim Verhör kleiner Ganoven zur unterschiedlich drastischer Folter hinreißen lässt. Bislang sieht es aber nicht wirklich danach aus, als wolle Telltale wirklich einschneidende Abzweigungen wie in Dreamfall Chapters einbauen. Ein wenig auf die Nerven ging mir manchmal, dass die Dialogzeilen vor der Auswahl lediglich in Stichworten angedeutet werden.

Vielsagende Andeutungen?

Das ist zwar verständlich, weil Telltale mit Zeitdruck Dynamik ins Spiel bringen möchte – trotzdem kommt manchmal ein ganz anderer Satz dabei heraus als ich vermutete. Als Vicky z.B. im Wayne-Anwesen auftaucht und Bruce auf sein Befinden anspricht, habe ich mich z.B. für das selbstironisch charmante „Besser - jetzt wo Sie hier sind“ entschieden. Bei der Auswahl wusste ich allerdings noch nicht, dass Bruce noch mit schleimigem Unterton hinterher schickt, dass er sie unter anderen Umständen am liebsten auf eine ausgiebige Tour durch seine Privatgemächer mitnehmen würde. Anderswo passen die trockenen kleinen Gags aber besser zum sich emotional abkapselnden Bruce. Auch das gelungene Ende sorgt nach nur rund zwei Stunden Spielzeit noch einmal für einen dramaturgischen Höhepunkt und macht neugierig auf die zweite Episode.

Fazit

Für meinen Geschmack setzt Telltale das Thema Batman bislang etwas zu bieder und spielerisch anspruchslos um. Weder das fade Knöpfchendrücken in den Kämpfen noch die simplen Planungs-Skizzen oder Ermittlungs-Rätsel haben mich zum Weiterspielen animiert. Auch das Erzähltempo wirkt etwas zu behäbig, die dynamische Inszenierung von Batmans frühem Kampf gegen die Kriminalität in Gotham City hat mich aber doch noch solide unterhalten und bietet mit seinem Ende einen gelungenen Übergang zur Episode 2. Wie so oft bei Telltale sind auch hier die Entscheidungen das Salz in der Suppe: Obwohl die Multiple-Choice-Antworten vermutlich nur Kleinigkeiten am Story-Verlauf ändern, hatte ich Freude daran, immer wieder meine ethischen Grundsätze auf die Probe zu stellen oder bestimmte Figuren zu unterstützen. Nach dem nur gut zwei Stunden kurzen Einstieg warte ich also mit gemischten Gefühlen auf die Fortsetzung der Geschichte rund um den Dunklen Ritter.

Einschätzung: befriedigend

Pro

professionelle Inszenierung und Kameraregie
gelungene englische Vertonung
unterhaltsame Einführung von Figuren und Hintergründen
Episoden-Ende macht neugierig
bis zu acht Spieler entscheiden im Multiplayer mit

Kontra

meist öde Quicktime-Kämpfe
witzloses, weil zu simples Kombinieren bei Rätseln und Planungen
Geschichte plätschert zu ruhig vor sich hin
gelegentliche Steuerungs-Bugs, Grafikblitzer und Abstürze
manche Texturen aus der Nähe sehr unscharf

Wertung

PC

Spielerisch schwacher Start ins etwas behäbig erzählte Batman-Abenteuer, das aber durch interessante Entscheidungen und eine gelungene Regie aufgepeppt wird.

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