Wars & Warriors: Jeanne d´Arc14.03.2004, Jörg Luibl
Wars & Warriors: Jeanne d´Arc

Im Test:

Vom Schafott auf`s Schlachtfeld: Das Team von Enlight Software lässt die französische Freiheitskämpferin Jeanne d`Arc auferstehen und schickt sie erneut in den Kampf gegen die verhassten Engländer. Und Publisher Vidis lockt gleich mit Action, Strategie, Adventure und Rollenspiel. Warum ihr die Hälfte davon streichen könnt und der Rest nicht begeistern kann, verrät der Test!

Stumm wie Fische

Was ist das denn? Nach einem stimmungsvollen Intro, das noch mittelalterliche Neugier wecken kann, und einem kurzen Trip durch ausgesprochen edle Menüs, wird man in der ersten Mission gleich von Heldenfreund Jean de Metz angesprochen. Das ist ja nicht weiter schlimm, denn Jeanne d`Arc kann jeden starken Arm gebrauchen. Aber Jean bleibt stumm wie ein Fisch, während deutsche Texte in einer Box erscheinen – arrrgh!

So schön sind die Wiesen und Wälder Frankreichs...

...schade, dass das Spiel da nicht mithält.

Damit hat Enlight Software gleich zu Beginn wichtige Atmosphärepunkte verschenkt, denn ein Charakter ohne Stimme ist einfach keiner. Auch die dünne Story ist quasi nur Beiwerk für das kommende Gemetzel zur Rettung Frankreichs und kommt nicht über oberflächliche Dialoge hinaus. Dass dabei Stilblüten wie "Du hast eins Brötchen genommen" auftauchen, macht die karge Lokalisierung noch unattraktiver. Wer ein cineastisches Heldenepos oder wenigstens gut inszenierte Kampagnen à la Age of Mythology erwartet, wird enttäuscht. Wer leicht verdauliche Action und Strategiekost sucht, sollte dennoch weiterlesen.

Action light

Egal ob Sprungattacke, Rundumschlag oder Finishing Move - in den ersten vier Missionen wütet Jeanne d´Arc in Schulterperspektive wie ein Berserker unter den Engländern. Ein realistisches Kampfsystem mit Trefferzonen sollte niemand erwarten, denn es geht in einfacher Hack`n´Slay-Manier zur Sache. Trotz Plattenpanzer hüpft man leicht wie eine Elfe, streift in Begleitung anderer Helden oder einfacher Soldaten durch die Gegend und dezimiert Horden englischer Eindringlinge. Warum ihr heroischer Begleiter trotz seiner sehr guten Bogenkenntnisse nie zum selbigen greift, bleibt ein KI-Geheimnis.__NEWCOL__Die künstliche Intelligenz ist ohnehin eine Frustquelle: Gut ist, dass die feindlichen Bogenschützen die Distanz zu euch suchen und von Höhen angreifen. Gut ist auch, dass sich die eigenen Fernkämpfer meist automatisch hinten postieren. Aber die computergesteuerten Heroen setzen erstens ihre Heilkräfte nicht immer selber ein, so dass man oft hin und her schalten muss. Zweitens wird Johanna z.B. nicht effektiv von ihren Truppen geschützt, wenn man sie nicht selbst steuert.  Hinzu kommen völlig untätige Söldner und das Fehlen koordinierter Angriffe.

Kampfkombos für alle

Mit der Zeit gewinnt ihr an Erfahrung und könnt die Schläge eurer Helden aufwerten oder neue dazulernen. Auch Artfekate und bessere Waffen sorgen für mehr Durchschlagskraft. Die durchgestylten Charaktermenüs bieten zudem interessante Statistiken wie die Zahl der vernichteten Feinde, der kritischen Treffer und der entscheidenden Siege gegen hochrangige Feinde.

Meistert ihr eine der zahlreichen Spezialschläge, gibt es meist eine ansehnliche Animationsphase mit Lichteffekten.

Es gibt eine Vielzahl an Kampfbewegungen, aber im Endeffekt reicht es aus, nur einen Schlag zu verbessern, damit man die Gegnermasse effektiv bewältigen kann. Meistert ihr eine Kombination aus linken und/oder rechten Mausklicks, wird ein Spezialschlag ausgeführt, der schon mal ein Dutzend Feinde zu Boden schickt. Leider wurden die Verteidigung und der ulkige Finishing-Hopser auf eine Taste gelegt, so dass es immer wieder Missverständnisse gibt, wenn man nicht exakt positioniert ist: Da liegt der englische Eroberer am Boden, und statt ihm den Rest zu geben, geht Johanna in Verteidigungsposition – ärgerlich! Schade ist auch, dass sich die Französin in der Defensive nicht bewegen kann. Das vergleichbare Conan entfacht im Nahkampf mehr Klingenzauber; ganz zu schweigen vom packenden Gemetzel in Knights of the Temple .

Auf Distanz könnt ihr den Bogen wie in einem Shooter mit einem Fadenkreuz benutzen. Manche Flugkurven sehen richtig gut aus, und die Getroffenen werden sogar kurz zurückgeworfen, aber der schnelle Pfeilausstoß erinnert eher an Speed-Dart als an Robin Hoods Kriegskunst - zumal ihr beim Dauerfeuer frei strafen könnt. Das ist zwar unrealistisch, aber sorgt für komfortable Action.

Später könnt ihr zwischen verschiedenen Helden in der unteren Bildleiste wechseln, um nicht nur mit Johanna kräftig zuzuschlagen.

Dynasty lässt grüßen

Das Team um Trevor Chan wollte im Nahkampfteil scheinbar das Spielgefühl der Dynasty Warriors -Serie von der Konsole auf den PC übertragen. Das gelingt jedoch nur in Ansätzen, denn die PS2-Vorbilder sind sowohl was die Kampfdynamik als auch die Spezialmanöver angeht, weit überlegen. Und man darf nicht vergessen: Auf der PS2 werden die historischen Gemetzel von einer epischen Story umrahmt; hier bleiben die Geschehnisse des Hundertjährigen Krieges nur steriles Beiwerk. Bleibt die Frage, wie der Feldherrenteil abschneidet...

Strategie light

Aber der fünften Mission könnt ihr dann über die F2-Taste in die Strategieansicht wechseln, um kleine Truppenverbände zu bewegen, die jeweils von einem Helden angeführt werden. Zwar funktionieren die genretypischen Befehle wie Lassomethode, Doppelklick und Wegpunkte einwandfrei, aber anspruchsvolle Feldherren werden schnell frustriert und gelangweilt.

Zum einen sorgen Wegfindungsprobleme und wilde Marschauflösungen dafür, dass die Truppen an Waldecken hängen bleiben oder wie ein Ameisenhaufen Richtung Gegner laufen. Zum anderen ist taktische Finesse vollkommen unnötig, denn es gibt keine Formationen und man kommt mit der Alles-drauf-Methode billig zum Ziel.

Das geht sogar so weit, dass man alle verfügbaren Soldaten markiert, sie auf der Minikarte zu den roten Feindpunkten schickt und eine Tasse Tee trinkt, bis die Schlacht geschlagen wurden. Da helfen auch die effektiven Reitangriffe und ansehnlichen Stadtbelagerungen nicht mehr, um Feldherren zu ködern - zumal diese Zusätze erst sehr spät ins Spiel kommen.

__NEWCOL__Das ebenfalls mit kleinen Verbänden ausgestattete Praetorians ist im Taktikbereich zwei Klassen besser. Den fehlenden Multiplayermodus kann man angesichts dieser Anspruchslosigkeit sogar verschmerzen.

Was mach ich falsch?

Frustrierend sind zudem plötzliche Spielabbrüche, da man eine der Aufgaben nicht gemeistert hat. In der zweiten Mission soll man Orleans z.B. gegen die Engländer verteidigen, gleichzeitig über ein Dutzend Zivilisten sowie einen Adligen schützen. Während man sich hier verzweifelt durch englische Angreifer hackt und sogar die Tore schließt, endet plötzlich die Mission, da man eines der Ziele verfehlt hat. Aber warum? Das wird leider nicht aufgelöst und so muss man noch mal von vorne ran.

Französische Flora

Die Landschaften locken mit sanften Höhenzügen, die Städte mit Fachwerk und es gibt einige schöne Lichteffekte, animierten Himmel sowie bewegtes Gras. Nur das Nachladen stört die Streifzüge durch idyllische Wiesen und Wälder, die zusammen mit dem authentischen Einheitendesign die großen grafischen Pluspunkte des Spiels ausmachen. Aber die Freude hält nicht lange an: Im Texturdetail wird man schnell wieder auf PSone-Niveau gebracht, vor allem was Treppen und Türen angeht. Auch so manche starre Tapete, die einen Raum vorgaukelt, ernüchtert neugierige Abenteurer beim unerwarteten Aufprall.

Die Kampfanimationen sind dank feurig bunter 360-Grad-Hiebe und wuchtiger Donnerschläge recht ansehnlich, können aber nicht an das famose Enclave oder die delikate Schwertakrobatik aus Knights of the Temple anknüpfen. Besonders in den Städten enttäuscht die immer gleich aussehende Bevölkerung mit ihren unansehnlichen Gleitbewegungen.

Auch Stadt- und Burgeroberungen gehören zum martialischen Alltag. Leider verliert man hier oft die Übersicht und die Taktik kommt zu kurz.

Zwar lockt die Wildnis mit Schätzen, aber das Leveldesign ist stark begrenzt und sorgt mit unsichtbaren Grenzen an Hügeln und Zäunen für frustrierende Enge. Selbst das einfache Springen über kniehohe Hindernisse ist manchmal nicht möglich. Als offene Hack`n ´Slay-Welt hätte das Spiel sicher mehr Spaß entfachen können, aber so macht selbst das eintönige Gemetzel mit Conan mehr Laune.

Fazit

Action, Strategie, Adventure und Rollenspiel? Ja, damit lockt Publisher Vidis auf der Rückseitige der Verpackung. Um es kurz zu machen: Die letzten beiden Punkte könnt ihr komplett streichen, die ersten beiden muss man mit dem Zusatz "light" versehen. Was hat Seven Kingdoms-Vater Trevor Chan hier bloß verzapft? Mir kam es während des Tests immer wieder so vor, als würde ich Dynasty Warriors für Arme spielen. Weder der Hack`n´Slay- noch der Feldherrenteil können mit Finessen in Sachen Kampfsystem oder Taktik überzeugen. Im Gegenteil: Gerade der Strategiemodus enttäuscht mit Wegfindungsproblemen, fehlenden Formationen und der Belohnung stupider Alles-Drauf-Methoden. Enlight Software spricht so höchstens alle Einsteiger an, die sich gerne von schönen Landschaften und melodischen Klängen berieseln lassen, während sie in wilder Kombogier die Maustasten malträtieren und alle Truppen blind auf den Feind hetzen. Aber selbst die werden sich kaum mit der blassen Heldin identifizieren können, zumal eine Sprachausgabe komplett fehlt – gerade bei einem historischen Szenario ein atmosphärischer Fauxpas der schweren Sorte. Dabei ließen die edlen Menüs, die feinen Statistiken und die warmen Lichteffekte zunächst auf ein gutes Spiel hoffen. Aber die teilweise unklaren Missionsabbrüche werden selbst den anspruchslosen Gelegenheitszocker nerven. Ein einziger Reinfall ist der französische Freiheitskampf nicht: Die Kämpfe machen kurzfristig Spaß, die Massenkeilereien sind ansehnlich und gerade hoch zu Ross haut man den Engländern ausgeprochen gerne die Keule um die Ohren. Aber da draußen gibt es einfach zu viele bessere, weniger frustrierende und auf Dauer unterhaltsamere Spiele!

Pro

edle Menüs
viele Kombos
gute Statistiken
gute Lichteffekte
schöne Landschaft
einfache Bedienung
gutes Einheitendesign
stimmungsvolle Musik

Kontra

blasse Heldin
KI-Schwächen
keine Formationen
schwache Texturen
Nachladen der Karte
keine Sprachausgabe
Wegfindungsprobleme
08/15-Taktik reicht aus
magere acht Missionen
kein Multiplayermodus
zu wenig Befehlsfinessen
kleine Übersetzungsfehler
unsichtbare Levelgrenzen
grausame Bewohneranimationen
teilweise unklare Missionsabbrüche

Wertung

PC

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.