Test: Tyranny (Rollenspiel)

von Jörg Luibl



Release:
10.11.2016
Erhältlich: Digital (Steam, GOG)
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ab 7,50€
Spielinfo Bilder Videos
Spektakuläre Gefechte

Wenn man einen Zauber wirkt, der die komplette Gruppe bei gleißendem Licht in die Luft befördert, von wo aus Mondlicht für die Heilung der eigenen und die Verwundung feindlicher Kämpfer sorgt, wirkt dieses von der Unity-Engine inszenierte Tyranny spektakulär. Es gibt viele ansehnliche magische Effekte und martialische Animationen. Sehr lobenswert sind auch die Reaktionen innerhalb der pausierbaren Echtzeitgefechte: bei Verbrennungen z.B. schreien die Opfer und fuchteln wild um sich. Trotzdem kann kunterbuntes Chaos sowie Blindheit an Ecken entstehen, zumal die Kamera zwar zoom-, aber nicht drehbar ist.

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Die Echtzeitkämpfe lassen sich pausieren, um Befehle zu geben.
Das Kampfsystem ist taktischer, kombinationsfreudiger und magiefixierter als jenes von Pillars of Eternity. Steigt man einen Level auf, darf man eines der Attribute von Schnelligkeit bis Stärke erhöhen und ein Kampf-, Zauber- oder Heiltalent in einem der Bäume freischalten, die sich natürlich von Klasse zu Klasse unterscheiden. Im Mittelpunkt stehen vor allem die Gefährtenkombos. Dahinter verbirgt sich eine Art von arkanem Tag-Team: Der Held kann mit einem Partner immer mehr der freigeschalteten Kombos ausführen, die einen oder mehrere Feinde in teils akrobatischer Zusammenarbeit in arge Bedrängnis bringen. Es macht Spaß, mit diesen kooperativen Möglichkeiten zu experimentieren, zumal sich manches Gefecht ohne diese nur schwer meistern lässt.

Defizite und Schwierigkeitsgrad

Ups, wer greift denn da in den Kampf ein?
Ups, wer greift denn da in den Kampf ein?
Allerdings gibt es im Kampf auch einige klare Defizite: Zum einen reagiert die KI schrecklich lethargisch, so dass man schonmal mit drei Feinden kämpft, während zwei ihrer Kollegen ein paar Meter weiter im selben Raum nur zusehen. Sprich: Die Radien für das Eingreifen bei Sichtkontakt oder Geräuschen sind viel zu klein.

Zum anderen kann man Deckungen oder Höhenvorteile im Gelände kaum effizient nutzen, zumal die Wegfindung auch immer wieder zicken kann. Schließlich lässt sich die Umgebung auch nicht interaktiv einbeziehen, etwa über zerstörbare Hindernisse, im Vorfeld gelegte Fallen oder etwa entflammbares Öl. Auch dass man in einem Raum mit Feinden für mehrere Stunden bis zu kompletten Heilung und Aufladung mächtiger Zauber rasten kann, wirkt befremdlich.

Es gibt viele ansehnliche arkane Effekte im Kampf.
Es gibt viele ansehnliche arkane Effekte im Kampf.
Ich empfehle einigermaßen erfahrenen Rollenspielern auf jeden Fall den dritten von vier Schwierigkeitsgraden, sonst kommt man viel zu leicht voran. Wer es noch härter mag, hat zwei Möglichkeiten: Man kann den "Expertenmodus" aktivieren, der viele Hilfen deaktiviert - auch dazu würde ich raten, denn sonst sieht man Geheimnisse noch vor der Entdeckung (!) als Symbole auf der Minikarte; das ist für Rollenspieler natürlich ein Unding. Vom "Eisenmodus" würde ich eher abraten, denn dieser lässt euch nur einen Spielstand anlegen, was aufgrund der vielen Entscheidungen und Konsequenzen keine gute Idee ist: schließlich kann man sich ja mal mit einer Antwort vertun.
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Kommentare

oppenheimer schrieb am
Kajetan hat geschrieben: ?16.11.2016 17:13Das ist das Faszinierende an Tyranny. Nicht das platte, dumme Gut/Böse-Schema anderer Spiele, wo Moral nichts weiter ein Zeiger auf einer Skala ist. Sondern die Ambivalenz von Gut/Böse aufzeigen. Aufzeigen, dass böse Taten manchmal auch Gutes hervorbringen können und der Weg zur Hölle stets mit den besten Absichten gepflastert ist.
DAS wird Tyranny später groß machen. Endlich ein RPG, das sich aus dem primitiven Kindergarten-Schema von Gut und Böse lösen kann und Dir als Spieler die Komplexität der Wirklichkeit begreiflich machen kann, wo es eben KEINE einfachen Antworten gibt. NATÜRLICH ist es sinnvoll nicht die ganze Zeit als mordende Killermaschine durch die Gegend zu laufen, aber manchmal könnte es vielleicht sinnvoll sein Menschen zu ihrem Glück zu zwingen.
Sorry, dass ich mich auf diesen uralten Beitrag berufe, aber du triffst es einfach auf den Punkt.
Ich hole Tyranny gerade nach und finde es zutiefst bedauerlich, dass es vergleichsweise untergegangen ist.
Normalerweise spiele ich in solchen Titeln eher den 0815 chaotisch guten Dude von nebenan, aber hier setze ich Kyros' gottverdammtes Gesetz durch, teilweise sogar mit völliger Überzeugung und maximaler Inbrunst, denn irgendjemand muss diese starrsinnigen, von vermeintlicher Ehre besessenen Stufenbewohner ja vor der endgültigen Auslöschung bewahren.
Dass ich, um den Krieg zügig zu beenden, dabei mit noch starrsinnigeren, recht faschistoiden Fanatikern paktiere (und mir insgeheim die Option offen halte, dieses Bündnis bei Bedarf zu brechen), ist nur Mittel zum größeren Zweck.
Grandios! Mehr davon!
Da sind mir die recht lahmen Kämpfe und die Loot-Langeweile auch relativ wumpe. Man stelle sich nur vor, mehr Budget würde in Entscheidungsfreiheit bei Dialogen und daraus resultierende Konsequenzen gepumpt anstatt in raytracing und ähnlichen Klimbim...
Herrbst schrieb am
Ich habe Tyranny durchgespielt und fand die Geschichte meisterhaft. Tatsächlich ist es meiner Meinung nach gar nicht möglich, eine so fesselnde Geschichte zu erzählen, wenn ausufernde Nebenquests oder endloses Schlachtgetümmel den Faden ständig wieder abreißen lassen. Wo vielleicht noch etwas mehr gegangen wäre, sind die Zwiegespräche der Party. So etwas wie: "Nicht so laut Du wandelndes Belagerungsgerät. Es besteht überhaupt kein Grund sich übereilt in den Kampf zu stürzen." Lyra zu Barik. Davon hätte ruhig mehr kommen können, Mit anderen Worten, ich hätte gern noch mehr Text gehabt. Gerade weil Obsidian diesen Punkt bei NWN2 zum Beispiel sehr gut hinbekommen hat. (Dafür war der Plot dort nur gut verpackter Standard).
Die Kämpfe waren tatsächlich weniger spannend und immer etwas hölzern. Am Anfang sind es immer 4 Gegner, später 5 und noch später auch mal 6. Schöner wäre es gewesen wenn mal richtig viele (aber dafür schwächere Gegner aufgetaucht wären) oder anderweitig mehr Abwechslung geherrscht hätte. Z.B. durch die Einbeziehung von Sichtlinien. Lediglich die Geister haben eine kurze Veränderung der Angriffstaktik erfordert. Im allgemeinen kommt man sonst mit ein und der selben Taktik durch. Ich habe bei Halbzeit auf schwer umgestellt, das hat auch keine wirkliche Herausforderung gebracht. Naja, spannende Kämpfe und spannende Story in einem Spiel sind vielleicht zu viel erwartet.
Nach dieser Erfahrung und dem vollständigen Lesen dieses Threads werde ich mir wohl planescape torment bei gog kaufen müssen,
Isegrim74 schrieb am
Skippofiler22 hat geschrieben:Also ich habe nichts dagegen, Text in einem Computerspiel zu lesen. Denn da kann man was über die Hintergrundgeschichte was lernen, was ein Spiel umso interessanter macht.
Stimme ich zu 100% zu! Diese Art Rollenspiel ist eben, als würde man ein richtig gutes Buch lesen! Wie schon Torment ist auch Tyranny obendrein sehr gut geschrieben. Ich bin in der Story nun weiter und werde nicht enttäuscht. Wie gehabt, war auch Torment mit Unmengen an Text versehen. Sollte sich das im zweiten Teil ändern, dank der Spieler, die nicht auf Textlastigkeit stehen, dann wird das für mich eine Enttäuschung. Will mich nicht von Kampf zu Kampf hangeln. Ich würde auch gern Konflikte diplomatisch lösen. Und das ging in Torment und funktioniert auch in Tyranny - und als Bonus gab es immer besonders gut Erfahrung! :-D
durruti schrieb am
_Semper_ hat geschrieben:
durruti hat geschrieben:Allerdings habe ich auch das Kampfsystem von Tyranny und PoE nicht mit dem von BG2 oder anderen IE-Spielen verglichen. Keine Ahnung wieso das immer wieder erwähnt wird. Betrachte meine Kritik doch einfach mal isoliert, dann gehe ich auch gerne auf Gegenargumente ein.
doch, genau das hast du getan:
durruti hat geschrieben:Also gerade für mich als oldschool-rpg und BG2 Fan sind PoE und Tyranny Entäuschungen. Und die Kampfmechanik hat bis auf RtwP nichts mit BG2 zu tun. Diese ist hier Lichjahre schlechter.
du vergleichst direkt beide systeme miteinander und kommst zu dem schluss, dass bg2 um lichtjahre besser wäre. ich habe dir diverse punkte genannt, die genau das widerlegen. die implementierung von adnd 2.0 und inbesondere die ki in bg2 leidet unter vergleichbaren schwächen, macht sogar einiges noch viel schlimmer.
Punkt für dich :)
Ist halt komisch, mit vielem was du schreibst über IE hast du vollkommen recht, trotzdem machen die Kämpfe mehr Spass. Hast sogar vergessen, dass man sich als Magier unverwundbar machen konnte wenn ich mich recht erinnere (in BG2 ohne mods). Super toll war die IE wirklich nicht. Wünsche mir immer noch ein Spiel wie PoE oder Tyranny mit den Kampfmechaniken von PoEE.
listrahtes hat geschrieben:
Kann ich nur dringend empfehlen White March nachzuholen! Mir ging es bei PoE wie dir und Tyranny habe ich aus besagten Gründen erst gar nicht mehr gekauft (mit der Engine kein neues RPG mehr von Obsidian) aber WM war ein extraklasse Addon das noch das Maximum herausgeholt hat und zu interessieren weiß. Storypacing, Textmasse genau richtig und Aspekte wie auflevelbare Waffen herausragend umgesetzt mit eigenen movesets.
Danke, ich werde dann White March definitiv mal versuchen.
_Semper_ schrieb am
durruti hat geschrieben:Allerdings habe ich auch das Kampfsystem von Tyranny und PoE nicht mit dem von BG2 oder anderen IE-Spielen verglichen. Keine Ahnung wieso das immer wieder erwähnt wird. Betrachte meine Kritik doch einfach mal isoliert, dann gehe ich auch gerne auf Gegenargumente ein.
doch, genau das hast du getan:
durruti hat geschrieben:Also gerade für mich als oldschool-rpg und BG2 Fan sind PoE und Tyranny Entäuschungen. Und die Kampfmechanik hat bis auf RtwP nichts mit BG2 zu tun. Diese ist hier Lichjahre schlechter.
du vergleichst direkt beide systeme miteinander und kommst zu dem schluss, dass bg2 um lichtjahre besser wäre. ich habe dir diverse punkte genannt, die genau das widerlegen. die implementierung von adnd 2.0 und inbesondere die ki in bg2 leidet unter vergleichbaren schwächen, macht sogar einiges noch viel schlimmer.
schrieb am

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