Von Berlin nach Istanbul
Was für eine tolle Idee: In Berlin setzt man sich gemeinsam mit dem Onkel, der vor etlichen Jahren aus der Türkei nach Deutschland kam, in einen Trabi-Nachbau, der vielleicht nur aus Lizenzgründen nicht den Namen der ostdeutschen
Rennpappe trägt. Der Onkel will zurück in seine Heimat, die zur Wendezeit frisch geöffneten Grenzen machen es möglich. Also tuckert man durch halb Osteuropa, während man den Geschichten und Erinnerungen lauscht, die eine ganze Ära
Von Berlin nach Istanbul: Auf geht's!
beschreiben. So weit, so
Wander-Simulator.
Pappe braucht Pflege
Im Stile eines
FTL entscheidet man sich dabei jeden Tag für eine von drei Routen, die unterschiedlich lang sind, unterschiedlich schwierig zu befahren und durch verschiedene Witterungsbedingungen führen. Entsprechend könnte man den Laika z.B. mit Profil- oder Regenreifen bestücken, ihm ganz allgemein einen stärkeren Motor verpassen, das Fahrzeug betanken und sofern sich keine Tankstelle auf dem Weg befindet, einen vollen Ersatzkanister in den Kofferraum stellen. Auch eine Werkzeugkiste sollte sich dort befinden.
Das Geld für all das erhält man durch den Verkauf unterwegs aufgelesener Ersatzteile sowie scheinbar vom Laster gefallene Waren wie Medizin, Snacks oder Wolle. Zu allem Überfluss gelten manche Artikel in einigen Ländern als illegal – wird man an einer der Grenzen, die man zu Beginn jeder Fahrt durchquert, damit erwischt, ist eine Strafe fällig. Kommt man buchstäblich damit durch, erhält man für die Schmuggelware hingegen besonders viel Geld. Durchsuchungen am Schlagbaum sind dabei zufällig, hängen aber auch vom Verhalten am Tag zuvor ab. Dazu zählt u.a., wie viele Unfälle man baut.
Und so fährt man stets dieselbe Strecke auf und ab: Von Berlin geht es nach Dresden und von dort über das damalige Tschechien bis nach Ungarn und Bulgarien, bis man schließlich in Istanbul ankommt. Dort steigt der Onkel aus und man darf die Straße alleine weiter unsicher machen. Bleibt der Wagen endgültig liegen, kehrt man mitsamt allen Besitztümern einfach nach Berlin zurück, um erneut zu starten. Frust
Ganz typisch: Der Canaletto-Blick auf Dresden bei Einbruch der Dunkelheit.
kommt also nicht auf. Nicht dadurch jedenfalls.
Fremde Parallelwelt statt Nostalgie
Nun ist es aber leider so: Erstens komme ich im Spiel nicht nur über Dresden, sondern bin im echten Leben dort aufgewachsen, zweitens bin ich die Strecke Ungarn-Dresden (Urlaub am Balaton, logisch) drittens im Trabi tatsächlich gefahren. Und Jalopy hat nicht das Allergeringste mit auch nur einem dieser Punkte zu tun!
Zum einen klingt der Laika partout nicht wie ein Trabi. Gut, faktisch ist es auch keiner. Aber wenn Spielemacher Greg Pryjmachuk und sein Publisher
ganz offiziell davon sprechen einen solchen nachzuahmen, dann muss sein virtuelles Auto unbedingt mit jener hochfrequenten Penetranz plärren, die den Zweitakter so eindeutig identifiziert!
Und klar: Vielleicht gibt es irgendwo ja eine Stadt, die aus genau einem Karree besteht, in dem sich die gleiche Tankstelle, der gleiche Upgrade-Shop, das gleiche Motel (man muss jede Nacht rasten, was als Speicherpunkt dient) und der gleiche Grenzübergang befinden, die in jedem anderen im Karree gebauten europäischen Ort stehen... Dass man in Dresden oder einer der anderen Städte nicht einmal auf eine bekannte Silhouette zu fährt, dass im Hintergrund weder die Frauenkirche noch irgendwo die Elbe zu erkennen sind, ist allerdings gewaltig schwach. Immerhin ist man von Berlin nach Sachsen auf der tatsächlich dort entlangführenden A13 unterwegs. Ein Buchstabe und zwei Ziffern als Referenz – wow.