The Bunker26.09.2016, Marcel Kleffmann
The Bunker

Im Test: Alleine im Atombunker

In den 90er-Jahren waren FMV-Spiele (Full-Motion-Video) nichts Ungewöhnliches - also Spiele, die im Prinzip interaktive Filme mit echten Schauspielen und Kulissen waren, wie z.B. Phantasmagoria. Diese Art von Spielen ist selten geworden, aber Splendy Interactive, Wales Interactive und Green Man Gaming Publishing haben sich mit The Bunker an ein düsteres Horror-Adventure gewagt. Wir haben uns in den Atombunker begeben und Johns Geschichte als letzter Überlebender erlebt...

Nach dem Atomkrieg

In The Bunker dreht sich alles um John, gespielt von Adam Brown (Zwerg Ori aus The Hobbit), der als letzter Überlebender in einem britischen Atombunker zunächst der täglichen Routine nachgeht, bis ihn urplötzlich der tägliche Systemcheck dazu zwingt, in die tieferen Etagen des Bunkers vorzudringen, um die Fehlfunktionen zu finden und zu beheben. Dabei wird er stets von seiner dunklen Vergangenheit verfolgt und mit seinen verdrängten Erinnerungen konfrontiert, während die allgegenwärtige radioaktive Verstrahlung droht. Weiter soll an dieser Stelle nicht auf die Geschichte eingegangen werden.

Neben Adam Brown sind Sarah Greene (Penny Dreadful), Grahame Fox (Game Of Thrones) und Jerome St. John Blake (Star Wars) in weiteren Rollen zu sehen. Die Geschichte beginnt mit der Geburt von John in dem besagten Bunker. Er kennt somit nichts anderes als das Leben unter der Erde.

Die erste Interaktion: Atmen *klick*.
Adam Brown verkörpert den unsicheren und ängstlichen Bunker-Bewohner mit Leidenschaft und Intensität. Man nimmt ihm seine Rolle ab, auch wenn die Grenze zum Overacting nicht weit ist. Die anderen Charaktere sind treffend besetzt, vor allem seine Mutter.

Ein echter Bunker als Kulisse

Wirklich gut gefallen haben mir die filmischen Produktionswerte, die locker mit aktuellen Serien mithalten können. Das liegt u.a. daran, dass The Bunker vor Ort, also in einem echten stillgelegten Atombunker, gedreht wurde und daher sowohl die Kulisse als auch die altbackene Ausstattung ziemlich klasse sind - obgleich mir das Ausmaß des Bunkers doch etwas klein für die Anzahl der Bewohner vorkam. Durch Beleuchtung, Kameraeinstellungen, Kameratricks (wie z.B. Perspektive durch Sicherheitskameras), den Schnitt und vielen Nahaufnahmen der starken Darstellerriege kommt problemlos cineastisches Flair auf - gerade wenn man die tägliche Routine überstanden hat und der Spaziergang im Bunker beginnt. In der zweiten Hälfte zieht die unheimliche Atmosphäre der Filmszenen durch Beleuchtung, Inszenierung und Musikeinsatz stark an.

Verschiedene Perspektiven wie z.B. aus dem Blickwinkel einer Überwachungskamera sorgen für Abwechslung bei der Inszenierung.
Generell lässt sich der interaktive Film in die Kategorien Thriller bzw. Horror einordnen. Es gibt wenig Jump-Scares und ebenso wenig Schockeffekte. An der filmischen Umsetzung kann ich nur kritisieren, dass die einzelnen Szenen stellenweise einen Hauch zu lang sind und man manche Szenen etwas bündiger hätte scheiden können. Manchmal passen auch die einzelnen Szenen-Elemente nicht so gut zueinander, wenn man zwischendurch tätig werden darf. So ist z.B. die Position von John in Szene A einige (wenige) Pixel von seiner Position in Szene B entfernt. Außerdem sind in vielen dunklen Szenen noch Artefakte bzw. ein Rauschen von der Komprimierung der Filmszenen erkennbar.

Linear und zu kurz

Klingt soweit ganz gut, aber The Bunker hat neben der mauen Spieldauer von zwei bis zweieinhalb Stunden hauptsächlich mit der Linearität der Geschichte, zu wenig Interaktion und kaum Entscheidungsmöglichkeiten zu kämpfen. Bedingt durch die lange Exposition und der Veranschaulichung der täglichen Routine kommt das Geschehen erst langsam in Fahrt, nimmt dann aber Tempo auf und endet zu schnell. Die Entwickler verpassen die Chancen, ihre überzeugende Welt mit mehr Hintergründen und Tiefe zu füllen. Ab und an findet man zwar Aufzeichnungen, Audio-Kassetten und Karten von Atombomben-Einschlägen, aber es hätte gerne mehr solcher Elemente geben dürfen, nein, müssen.

Hinzukommt, dass die Geschichte völlig linear ist und nur am Ende mit einer Wahlmöglichkeit überrascht, deren Konsequenzen jedoch völlig vernachlässigbar sind. Relevante Entscheidungen trifft man nicht, was ebenso damit zusammenhängt, dass John vorwiegend alleine im Bunker unterwegs ist und keine Dialogpartner hat.

Zu selten wird das Szenario mit zusätzlichen Hintergründen wie dieser Karte vertieft.
Oftmals hört man zudem seine Gedanken, die den Spieler daran erinnern sollen, was gerade zu tun ist. Man wird unnötigerweise zu sehr an die Hand genommen, denn die Aufgaben sind in der Regel klar formuliert und nicht sehr kompliziert - zumal die geschickt platzierten Bunkerpläne gut dabei helfen, stets die Übersicht zu behalten. Bedingt durch die Story-Wendung kurz vor dem Ende und der einsamen Entscheidung, die erst vor dem Abspann getroffen werden darf, ist der Wiederspielwert aufgrund der Linearität und der fehlenden Entscheidungsmöglichkeiten ziemlich gering bis nicht vorhanden.

Zu wenig Spiel

Ebenso mau sind die spielerischen Interaktionsmöglichkeiten. Es gibt kein Inventar und keine Möglichkeit, Gegenstände wie in einem Adventure zu kombinieren. Zumal die meisten Räume nicht wirklich viele Interaktionspunkte zu bieten haben.

Wirklich viele Interaktionspunkte gibt es in den meisten Szenen nicht.
Es gibt zu wenige Objekte, mit denen man interagieren kann, was den linearen Weg noch linearer wirken lässt. Richtige Rätsel sind Mangelware, dafür muss man manchmal kleine Quicktime-Events absolvieren und auf dem PC möglichst schnell mit einer Maustaste hintereinander auf einen Punkt klicken - mehr nicht.

Der Übergang zwischen Film und Interaktion ist in der Regel fließend und manchmal ziemlich überraschend. Verpasst man beispielsweise den Einsatz, klickt zu langsam oder lässt es darauf ankommen, geht es entweder einfach weiter oder man muss die Szene wiederholen.

Fazit

Schon auf der gamescom 2016 hat mich The Bunker neugierig gemacht. Seitdem hatte ich mich auf den ausführlichen Bunkerbesuch gefreut, doch leider war der kurzweilige Trip zu schnell vorbei und bot vor allem als Spiel zu wenig. Es liegt nicht an der tollen Kulisse, den herausragenden Darstellern, der intensiven Atmosphäre, der cineastischen Inszenierung und der zumindest einmal packenden Geschichte, nein, es fehlt einfach an spielerischen Elementen und Entscheidungsmöglichkeiten. Es gibt abseits der linearen Story, die nach maximal zweieinhalb Stunden vorbei sein sollte, nicht wirklich viel zu tun. Die Entwickler hätten die Geschichte locker mit mehr Hintergründen, interaktiven Elementen und Rätseln versehen und vielschichtiger gestalten können. In dieser Form ist The Bunker nur ein arg linearer Film mit zu wenig Interaktion und quasi keinen Entscheidungsmöglichkeiten.

Pro

tolle Atmosphäre und professionelle Inszenierung
gute Schauspielerriege
Geschichte auf mehreren Zeitlinien mit netter Wendung
großartige Kulisse
klare Struktur mit Hilfepassagen
stimmiger und treibender Soundtrack

Kontra

wenig Spiel: kaum Interaktion und Rätsel
sehr linear und kurz
Bunker wirkt zu klein
Hintergründe hätten stärker vertieft werden können
manchmal passen die Audio-und Video-Schnipsel nicht genau aneinander
stellenweise Komprimierungsartefakte zu sehen
nur in englischer Sprache verfügbar

Wertung

PC

Ein toll inszenierter und produzierter interaktiver Film, der als Spiel jedoch zu wenig bietet und zu kurz ist.

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