Champions of Anteria02.09.2016, Dieter Schmidt
Champions of Anteria

Im Test: Die Macht der Pause

Fünf Gegner sollten kein Problem sein. Meine drei Helden schlagen auf sie ein, bis eine Patrouille uns entdeckt. Mist! Die hätte ich vorher erledigen müssen. Weitere sechs Krieger steigen ein. Dann wenden die Kontrahenten auch noch Heilungszauber an. Da hilft nur noch die Rammattacke des … Wo ist mein Krieger? Schon tot? Mist! Solche Situation wird man bei Ubisofts Champions of Anteria (ab 5,62€ bei kaufen) häufiger finden - mehr dazu im Test.

Siedlungsbau light

Die Siedlung dient nur einem Zweck: Die Helden zu verbessern. Hierfür benötigt man entsprechendes Material der jeweiligen fünf Elementarkräfte und baut von der Fischerhütte über Minen bis zu Holzfällereinrichtungen etliche Gebäude. Dabei spielt der Boden sowie die Zusammenstellung der Gebäude eine Rolle, da jeder Sektor Boni spendiert: Ein paar Wasserträgerhütten an einem Fluss sind ergiebiger und siedelt man dort zusätzlich noch eine Brauerei und einen Getreidehof an, dann wird man auf dem Gebiet profitabel mit Wasser wirtschaften. Um Gebäude zu bauen, braucht man wiederum Steinmetze und Dorfbewohner. Und das gewonnene Elementarmaterial wird für Rüstungen, Waffen, Tränke oder Kriegsmaschinen eingesetzt. Obwohl man ab Stufe 7 sehr viele Punkte braucht, um stärkere Rüstungen zu bauen, gehen die Ressourcen nur in der Anfangsphase zur Neige, da man hier noch nicht alle Gebäude errichtet hat.

Die Alchimistin versorgt die Recken mit wichtigen Tränken.
Trotzdem kommt man nicht umhin, zu optimieren: Man muss immer wieder Gebäude abreißen, umplanen und es macht einfach Spaß dabei zuzusehen, wie das Dorf Tag für Tag wächst. Apropos Tag: In einer Runde bekommt man Elementarmaterialien, Gold und Ansehen, kann sein Dorf erweitern und dann anschließend auf der Kartenebene ein Gebiet erobern oder verteidigen. Nimmt man ein neues Areal ein, kann man ein Vielfaches des Ansehens oder des Golds erwirtschaften, wenn man dort Handelsposten baut, die wiederum sehr viel Stein und Währung benötigen, die man auch für Waffen und Rüstungen aufwenden muss. Mit mehr Ansehen steigen die Helden auf, erhalten dann neue Fähigkeiten oder man schaltet neue Sektoren im Dorf frei. Von der Siedlung und der Risikokarte darf man taktisch allerdings nicht zu viel erwarten:  Das Prinzip ist schnell durchschaut, während die drei gegnerischen Fraktionen in der ersten Hälfte des Spiels so gut wie nie angreigen. Falls dies doch passieren sollte, gibt es keinen Grund zur Panik - die Verteidigungsmissionen sind von allen zur Verfügung stehenden Aufgaben am leichtesten zu bewältigen. Dementsprechend sollte man auf der normalen Stufe nur im Ausnahmefall in die Gefahr kommen, ein Gebiet zu verlieren.

Unveränderbare Grundlage

Im Kampf ist die richtige Positionierung von Bedeutung.
Bei den fünf Helden von Anteria, die sich jeweils einer der Elementarkräfte verschrieben haben, sollte man im Kampf darauf achten, mit welchem Recken man welchen Gegner bekämpft und wie man ihn danach aus der Angriffslinie der Feinde bringen kann. Das ist anfangs zwar noch relativ egal, wird aber im weiteren Spielverlauf immer wichtiger. Und auch über den Gegnern schwebt das Symbol der Kräfte. Statt des gängigen Stein-Schere-Papier-Dreiecks zeichnet das Spiel quasi ein Fünfeck: Metall fügt Naturkundigen kritischen Schaden zu, Natur schlägt Blitz, während elektrische Angriffe einen Bonus auf Wasserkrieger bieten. Wasser ist Feuer überlegen und Flammen schließlich bringen das Metall zum Schmelzen. Diagonalbegegnungen innerhalb dieser Abhängigkeiten (zum Beispiel Blitz gegen Feuer) bringen keinerlei Vor- oder Nachteile mit sich. Allerdings verfügen manche Helden über Fähigkeiten, die eine andere Elementarkraft verwenden, so dass man mehr Optionen zur Verfügung hat. Und wenn man sich einer Gruppe aus acht Flammenskorpionen gegenübersieht, kann es ratsam sein, dem Hauptangreifer einen Trank einzuflößen, der ihn für 60 Sekunden zu einem Wasserkrieger macht.  

Vor jeder Mission muss man planen, welche Gegenstände und Champions man in die Schlacht nimmt.
Den muss man allerdings vorher ausrüsten, so dass vor jedem Auftrag sorgfältige Planung angesagt ist. Aus den 13 Fähigkeiten der Helden kann man maximal acht auswählen. Davon wiederum darf man nur vier in die Schlacht mitnehmen. Zudem dürfen nur drei der fünf Helden pro Mission mitgenommen werden, wodurch die Elementarwahl betont wird. Auch die Anzahl der Heiltränke sowie die Ausrüstung werden festgelegt und lassen sich im Lauf der Mission nicht ändern. Hier ist eine Mischung aus Tränken, magischen Heilfeldern und Kriegsmaschinen ratsam, die während der taktisch geführten Gefechte das Zünglein an der Waage sein können. Ist einmal die strategische Grundlage abgeschlossen, kann daran nichts mehr geändert werden. Stirbt ein Held, ist er für diese Mission außer Gefecht gesetzt. Gehen die Heiltränke aus, wird man in den ausgetrockneten Wüsten, den dichten Wäldern, vereisten Schneefeldern oder dem Dschungel auch nichts finden, das die Lebenskräfte wieder herstellen kann.

Das Haushalten mit den Tränken

Um auf der Karte Gebiete einzunehmen, muss man Missionen abschließen, die per Zufall aus einem kleinen Pool an Aufgaben ausgewählt werden. Neben einer Eskorte einer Karawane muss man z.B. einen Spion zum Ausgang begleiten, einen Häuptling töten oder Verteidigungstürme beschützen bzw. ausschalten. Wer hier schnell und effizient vorgeht, hat auch noch Zeit, Nebenmissionen zu erfüllen, die zwar Ressourcen versprechen, aber bei fortgeschrittenem Siedlungsbau eigentlich nicht weiter benötigt werden.  Und spätestens wenn man sich nach einigen Stunden mit den immer gleichen Aufgaben beschäftigt hat, wünscht man sich Abwechslung.

In den taktischen Kämpfen sollte man ständig pausieren und überlegen, wie man den Feinden effektiv zusetzen kann.
Hatte ich in einer Vorabversion noch gehofft  dass man in der Mitte der Karte innehält und sich evtl. mit der Frage herumplagt, ob man noch ausreichend Heiltränke besitzt, um eine Nebenmission in Angriff nehmen zu können, werde ich in der finalen Version insofern ernüchtert, da man die dort mögliche Beute ohnehin nicht benötigt. Zudem findet man auch sonst auf der Karte nichts. Hier wird kein Anreiz geboten, sich abseits der Hauptmission in dem Gebiet umzuschauen. Schon ein paar Ketten und Ringe, welche die Rüstungswerte verbessern, würden Abhilfe schaffen. Das ist insofern schade, da dadurch der Motivationsfokus einzig auf die pausierbaren Kämpfe gelegt wird, die es allerdings in sich haben. Nach einer anfänglichen Schonfrist gerät man immer wieder in eine Situation, in der einem z.B. die Heiltränke ausgehen, während man sich beim letzten Angriff verspekuliert hat, gleichzeitig ein Hinterhalt den Kampfverlauf ändert und man in der Summer aller Ereignisse die Mission in den Sand setzt. Zudem muss man sich beim Eskortieren klug positionieren, um an zwei Fronten gleichzeitig kämpfen zu können. Ein falsches Manöver und man wird das Opfer umherstreifender Bären, wodurch das Hauptziel massiv gefährdert wird. Im Zweifelsfall hilft nur das Neuladen eines Spielstandes - oder aber man machte einfach mit dem nächsten Tag weiter. 

Pausieren und Planen

Die schwierigen Bosskämpfe sind in mehrere Phasen unterteilt.
Champions of Anteria ist ein Titel, dessen strategisches Herz in den Pausen der Kämpfe pocht. Klar: pausierbare Auseinandersetzungen lassen Echtzeit-Strategen (immerhin ist dies im weitesten Sinne ein "Siedler"-Spiel) oder Hack&Slay-Fans kalt. Aber BlueByte hat einerseits bewusst das "Siedler" aus dem Titel gestrichen, denn dafür bietet dieser Aspekt zu wenig Tiefe und andererseits hat man sich für die Gefechte dem Baldur’s-Gate-Prinzip verschrieben: Immer wieder muss man hier pausieren, abwägen und überlegen. Bis zu vier Aktionen hintereinander kann man für jeden Helden einplanen, was man aber nur auf höheren Schwierigkeitsstufen benötigen wird. Im Kern verlässt man sich auf Dauer zwar immer wieder auf die gleichen taktischen Konzepte, doch man muss situativ reagieren und z.B. die Bogenschützin neu platzieren oder die Kriegsmaschinen zum richtigen Zeitpunkt einsetzen und dadurch Schutzzauber wirken lassen, so dass es trotz einer gewissen Routine nicht langweilig wird.

Gerade in den Bosskämpfen, die in unterschiedliche Kampfphasen unterteilt sind und in denen man nicht speichern darf, wird man von der Leertaste Gebrauch machen.  Hier ist jeder kleine Vorteil von Nutzen und nicht selten habe ich hier verloren oder nur mit Mühe und einem Überlebenden. Was allerdings immer wieder nervt, ist die Wegfindung:  Helden stehen zwischenzeitlich wie blöd im Wald rum und attackieren nicht, weil sie in einem anderen Champion feststecken. Das kann man allerdings mit manuellem Eingriff schnell lösen. Was man aber nicht verhindern kann sind KI-Helfer, die man in bestimmten Missionen als Nebenaufgabe erwecken darf. Es kann passieren, dass sie wegen der Wegfindungsprobleme die halbe Karte ablaufen und dann mit einigen Gegnern im Schlepptau zurückkehren. Nicht selten kann das die ganze Mission gefährden!

 

Fazit

Es ist gut, dass Blue Byte im Titel von Champions of Anteria die Assoziation mit den Siedlern weitgehend entfernt hat. Der Siedlungsbau ist simpel, macht Spaß und motiviert, da man damit seine Champions stärkt. Doch letztlich spielt dieser Aufbau nur eine sehr untergeordnete Rolle. Der Fokus liegt auf den Kämpfen, die man zwar auch in Echtzeit erleben darf, deren taktische Tiefe man jedoch nur per Druck auf die Leertaste und die darauf folgende Pause erfasst. Vor allem in den Bosskämpfen kommt man nicht um das Einfrieren der Kämpfe herum, damit man seine Recken geschickt positionieren kann. Zwar benutzt man auf Dauer immer wieder die gleichen Taktiken, während die Missionen schnell redundant werden, dennoch zieht es mich immer wieder an den Rechner, um noch eine Runde zu spielen. Immer wieder erzeugen die Geplänkel eine situative Spannung, die u.a. daraus resultiert, dass man nach der Vorbereitungsphase keine neuen Heiltränke oder Vorteile herbeizaubern kann. Wer falsch plant oder sich ungeschickt anstellt, wird die Mission auch mal in den Sand setzen. Leider zieht der Schwierigkeitsgrad erst in der Mitte des Spiels an, die Wegfindungsprobleme sind sehr nervig und mitunter verheerend, während die Nebenmissionen mit ihren Elementarrohstoffen als Belohnung irgendwann obsolet werden. Doch im Kern macht Champions of Anteria vieles richtig, weiß zu unterhalten und lässt in besonderen Momenten Erinnerungen an Baldur’s Gate aufleben.

Pro

Stein-Schere-Papier-Prinzip mit fünf Elementarkräften
Tränke und Kriegsmaschinen haben deutliche Vorteile
kein Auffüllen von Tränken nach der Vorbereitung möglich
Siedlungsbau ist einfach, aber unterhaltsam
Kämpfe bauen Spannung auf
gelungene Bosskämpfe

Kontra

anfänglich ist das Prinzip mit den Elementarkräften irrelevant
Ressourcen für Nebenmissionen werden kaum benötigt
redundante Nebenaufgaben
Siedlungen spucken zu viele Ressourcen aus
zu einfache Verteidigungsmissionen
keine Gegenstände auf der Karte zu entdecken
Wegfindungs-Probleme

Wertung

PC

Der Siedlungsbau ist zwar simpel, die Verzahnung zu den spannenden taktischen Auseinandersetzungen jedoch ist gelungen, so dass man rundum gute Unterhaltung bekommt.

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