Power & Revolution02.06.2016, Mathias Oertel
Power & Revolution

Im Test: Auf Obamas Spuren

In Großbritannien tauschen die Politiker erhitzte Argumente pro und kontra "Brexit" aus. In den USA wartet Ende des Jahres ein heißer Kampf um das Weiße Haus. Und überhaupt gibt es weltweit genug politische oder militärische Brennpunkte. Einen Großteil der geopolitischen, diplomatischen oder kriegerischen Entscheidungen darf man jetzt auch am PC mit Power & Revolution erleben bzw. nachstellen. Ob die mittlerweile vierte Ausgabe des Politik-Simulators ein Präsidentschaftskandidat ist, klären wir im Test.

Sieg der Demokratie?

Ronald Drump liegt in den Umfragen und Prognosen nur wenige Prozentpunkte vor mir. Nichts, was Sorge bereiten würde. Eine Diffamierungskampagne in der entscheidenden Phase vor dem Urnengang und schon sieht es anders aus. Dann noch bei entsprechenden Auftritten in der Öffentlichkeit die richtigen Themen ansprechen, Wahlkampfversprechen machen und bald sollte der Schlüssel zum Weißen Haus mir gehören. Also klicke ich mich durch die Menüs, treffe Entscheidungen, verteile Wahlkampfbudgets, lege für den Fall der Wahl grobe Budgets fest und hoffe, irgendwann die Auswirkungen in einem anderen Menü oder als kurze Einblendung über den Bildschirm huschen zu sehen.  Ich treffe mich mit zahlreichen Personen aus Politik, Kultur, Gesundheit oder Wirtschaft und versuche, sie von meinen Ideen und Vorstellungen zu überzeugen. Die Umfragen werden positiver. Das Wahlergebnis wird dennoch knapp. Knapper, als ich es mir angesichts des investierten Kapitals gewünscht habe. Ich werde es wohl nicht mehr schaffen, bestimmte Gruppen auf meine Seite ziehen zu können. Nicht, weil ich sie nicht identifizieren kann oder mir die Argumente ausgehen. Sondern vielmehr, weil ich es partout nicht schaffe, in den unübersichtlichen Menüstrukturen dieses prinzipiell staubtrocken bis schlichtweg hässlich präsentierten Politik-Simulators auf Anhieb die richtigen Ziele zu finden.

Man verbringt viel Zeit in diesen vorsintflutlichen Textbildschirmen.
Ob ich es ins Weiße Haus geschafft habe? Das lasse ich unbeantwortet. Viel wichtiger ist nämlich, dass Power & Revolution: Politik-Simulator 4 inhaltlich im Vergleich zu seinen Vorgängern massiv zugelegt hat. Es stehen fast 20 Szenarien zur Verfügung, die man in nahezu allen von der UN anerkannten Nationen starten kann. Dabei reicht das Spektrum von allgemeinen Aufgaben wie „Führe die Opposition an die Regierung“ bis hin zu spezifischen Aufgaben wie Terrorbekämpfung, Revolution, der Senkung des Staatsdefizits à la Griechenland. Je nach Wahl ändert sich nicht nur die Basiskonfiguration und Aufgabenstellung, sondern auch die Auswahl der zur Verfügung stehenden Länder. Eine Revolution kann man nur in politisch instabilen Staaten oder Diktaturen starten, während die Verringerung des Staatsdefizits nur in zehn Ländern gespielt werden kann. Dabei orientiert man sich weitgehend an realen Ereignissen wie der Ukraine-Krise oder dem Krieg in Syrien und Irak gegen (oder für) IS. Allerdings verwendet man wie beim bereits erwähnten Ronald Drump verfremdete Namen von realen Personen/Politikern und hat den vorkommenden Parteien eher übergeordnete Beschreibungen gegeben und diese dann abgekürzt. Doch gerade deswegen wäre es vielleicht auch besser gewesen, sich fiktiven Szenarien zuzuwenden. Einerseits ist es zwar faszinierend, den Versuch zu starten, gegenwärtige Konflikte auf politischer oder militärischer Ebene im Spiel lösen zu wollen. Andererseits ist das „Spiel“ mit diesen realen Grundvoraussetzungen problematisch. Vor allem, wenn sich Konsequenzen nur als leicht aufbereitete Tabellenkalkulation oder schwach dargestelltes Taktik-Geplänkel präsentieren.

Sieg der Übersichtlichkeit?

Man kann sich auch an der Lösung für aktuelle Probleme versuchen.
Zwar versucht ein Tutorial, einem die wichtigsten Elemente nahezubringen, doch schon hier wird man mit Infos überfrachtet, die auf dem Bildschirm aufploppen oder sich in den verschachtelten Menüstrukturen hinter einem weiteren Reiter verstecken. Trotzdem findet man sich immer wieder in Sackgassen, die einem nicht erklärt werden. Wieso kann ich auf Aussagen bestimmter Persönlichkeiten oder Politiker nicht reagieren und muss sie stillschweigend hinnehmen? Wieso kann ich die von mir gewünschte Zahl bei der Budgetierung nicht eingeben? Wieso kann ich Termine vereinbaren, das Datum verstreicht und nur per Zufall kann ich vielleicht irgendwo die Auswirkungen sehen? Die Möglichkeiten, die man hat, sind durchaus umfangreich. Die dazu gelieferten Erklärungen überhaupt nicht. Man muss sich vieles zusammenreimen. Ergebnisse wirken angesichts der getroffenen Entscheidungen durchaus plausibel, aber auch diffus. Es lässt sich schwer ausmachen, ob dieses oder jenes Resultat nun direkt oder indirekt mit einer getroffenen oder ausgelassenen Entscheidung zu tun hat. Sprich: Aus anfänglich noch spannendem Trial&Error wird irgendwann Beliebigkeit, im schlimmsten Fall sogar Belanglosigkeit.

Bei militärischen Aktionen, die man natürlich mit entsprechenden Parlamentsmandaten, Budget usw. auch starten kann, ist der Probierfaktor noch höher, da die Kontrollen hier schrecklich unintuitiv sind. Wieso kann ich z.B. bereits im Tutorial die Panzer nicht einfach in die Stadt schicken, sondern muss sie erst daneben platzieren? Abgesehen davon, dass ich einen Ort in Afghanistan erst auf einem anderen Bildschirm in einer Suchmaschine finden musste, damit ich eine ungefähre Ahnung habe, ob ich die Truppen nach Norden oder Süden schicken muss. Nicht einmal hier hilft einem das Tutorial. Das Tutorial! Ich hoffe, dass die Ballung von Suchanfragen afghanischer Städte nicht zu irgendwelchen negativen Einträgen in meiner NSA-Akte führt... Nein, Power & Revolution macht es einem nicht leicht, sich mit den Inhalten anzufreunden. Dabei suggeriert es einem viele Möglichkeiten.

Sieg der Atmosphäre?   

Die militärtaktische Ansicht ist ebenso grob wie die strategischen Möglichkeiten.
Doch die sind sperriger präsentiert als reale Politik, so dass die clevere Symbolik und Benutzerführung eines Demokratie 3 zu einer wahren Wonne wird. Klar: Dort ist man letztlich nur mit Bürger-Interaktion und deren Auswirkungen beschäftigt. Doch all das, was dort fehlt und hier vorhanden ist wie z.B. außenpolitische Beziehungen, Auseinandersetzungen mit Koalitionspartnern oder Opposition, Wahlkämpfe, Krisen oder Naturkatastrophen, reicht nicht, um Power & Revolution zu einem spannenden oder gar überzeugenden Spielerlebnis zu machen. Natürlich ist es reizvoll, eine geopolitische Simulation anbieten zu wollen, die innerhalb realistischer Grenzen bis hin zu den Bundesländern, Counties oder Bundesstaaten einzelner Nationen und der jeweiligen Infrastruktur gut recherchiert scheint - vor allem auch, wenn man globale Auswirkungen bestimmter politischer Aktionen und Reaktionen widerspiegeln möchte.

Doch wie schon seine Vorgänger scheitert auch dieser Politik-Simulator an seiner Ambition. Unter dem Strich sind die diplomatischen Optionen zwar relativ tief, aber nicht zahlreich genug, um das weltpolitische Klima nachhaltig beeinflussen zu können, ohne dass man irgendwann immer

Es wird versucht, den politischen Alltag mit Videoeinspielern aufzulockern.
auf Schema F zurückgreift. Die militärischen Möglichkeiten sind ebenso oberflächlich. Und so sehr ich es schätze, dass man von einer globalen Ansicht bis hin zu einer Stadtoberfläche zoomen kann, ist die höchste Zoomstufe nicht nur potthässlich, sondern wird darüber hinaus in Deutschland z.B. mit merkwürdigen Bahntrassen verschandelt, die auf irgendwelchen Säulen durch Land führen - hier kriegt man das Schaudern. Dazu gesellen sich eine technisch zwar meist saubere, inhaltlich jedoch vollkommen langweilige Sprachausgabe oder sich wiederholende Videosequenzen. Nicht zu vergessen: eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Bugs, die von Abstürzen bis hin zu nicht ladbaren Spielständen reicht, machen es einem zusätzlich schwer, sich als Diplomat, Terrorist oder sonstiger Machthaber  zu versuchen. Dass komplexe Strategie nicht immer leicht zugänglich ist, zeigen auch viele Titel aus dem Portfolio von Paradox wie z.B. Europa Universalis 4. Doch gerade dort hätte sich das Team vom Politik-Simulator vielleicht auch inhaltlich Nachhilfe holen sollen, um seine Verzahnungen der unterschiedlichen Bereiche wie Diplomatie, Militär oder politischen Entscheidungen auf nationaler sowie internationaler Ebene zu optimieren.

Fazit

Abgesehen davon, dass für die meisten Politik ohnehin ein sperriges Thema darstellt, macht Power & Revolution es einem nicht leicht. Wo das ähnliche Demokratie 3 mit einer cleveren, intuitiven Benutzerführung und nachvollziehbaren Zusammenhängen die Spieler ins Boot holt, schmeißt der Politik-Simulator 4 einen ohne Rettungsweste in von Raubfischen verseuchte Gewässer. Die Menüs sind nicht nur hässlich, sondern beinahe ohne Aussagekraft. Man muss immer wieder schauen, wo man sich befindet, nur um festzustellen, dass man gerade den falschen Reiter aufgeklappt hat. Da auch die Auswirkungen bestimmter Entscheidungen, Gesetzgebungen oder Verhandlungen nicht klar ersichtlich sind, lässt sich der taktische bzw. politische Tiefgang nur schwer austarieren. Man kann viel machen, im Rahmen der jeweiligen politischen Richtlinien der Staaten entscheiden und es werden einem plausible Ergebnisse vorgegaukelt - womit man ja eigentlich sehr lebensnah scheint. Doch als Spiel bleibt auch abseits der vollkommen spröden Kulisse vieles zu diffus. Hat dies oder jenes jetzt Auswirkungen? Welche im Detail? Zwar sind zwar realistische Landesgrenzen vorhanden und auch Infrastrukturen wirken in weiten Teilen der Welt des Politik-Simulators gut recherchiert. Auf der anderen Seite wiederum sind die imaginären Parteilandschaften einiger Länder wie z.B. Deutschland oder England zwar nicht vollkommen aus der Luft gegriffen, aber auch nicht immer korrekt kategorisiert. So muss man nicht nur Geduld, sondern auch eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen, wenn man die durchaus vorhandenen Tiefen von Power & Revolution ausloten und zumindest in Ansätzen so etwas wie unterhaltenden Spielspaß finden möchte.

Pro

korrekte Landkarten-/Grenzzeichnung
Karte mit zahlreiche Zoomstufen
umfangreiche politische Einflussmöglichkeiten
fast 20 Missionen (u.a. Revolution)
teilweise aktuelle weltpolitische Bezüge
größtenteils sauber recherchierte Statistiken bzw. Basiswerte
nicht immer ernste Annäherung an die Thematik
inklusive Politik-Quiz in mehreren Stufen

Kontra

Bugs (Abstürze, Speicherdaten werden nicht geladen)
hässliches Artdesign
spartanische Präsentation
trotz Tutorial unhandliche Bedienung
schwache deutsche Sprachausgabe
Zusammenhänge bzw. Folgen nicht immer ersichtlich
schwache visuelle Umsetzung militärischer Aktionen
gelegentlich unrealistische politische Grundsituationen
schreckliche Höchstzoomstufe

Wertung

PC

Geopolitische Entscheidungen zwischen Spannung, Trial&Error und gähnender Langeweile. Hinter der spröden Kulisse schlummert eine Menge Tiefgang. Doch Power&Revolution gibt sich in jeder Hinsicht Mühe, die Spieler abzuschrecken.

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