Prächtige Fantasywelt
Jetzt habe ich die Stimmung so gelobt, ohne ein Wort über diese Kulisse zu verlieren - dabei kann man so viel sehen und hören. Man kann eine Welt auf sich wirken lassen, die mit gekonnten Pinselstrichen und Akkorden ein ebenso farbenfrohes wie episches Piratenflair mit einigen historischen Anklängen sowie der Eleganz der Renaissance entstehen lässt. Mal fühlt man sich aufgrund der bärbeißigen Kommentare oder der Gesänge der Matrosen an klassische Seeräuberfilme erinnert, zumal sich viele bauliche und kulturelle Merkmale der Karibik wiederfinden. Es gibt aber auch asiatische Einflüsse. Dann scheint wiederum die Pracht des alten Venedig durch: Dazu trägt auch die Sprache bei, die über vailianische Ausdrücke von "Bazzo" bis "Sientere" an das Italienische erinnert (es gibt auch ein kleines Lexikon), sondern auch die Architektur in den Städten.
Ab und zu kann man in eine verzerrte Wächtersicht schalten, um z.B. die Seele eines Fremden zu erkunden.
Wie im Vorgänger besteht die mit der Unity-Engine inszenierte Welt aus zweidimensionalen vorgerenderten Hintergründen und dreidimensionalen Charakteren, aber sie wirkt intensiver, farbenfroher und lebendiger. Wer malerische Abenteuer dieser Art mag, wird sich beim Scrollen und Zoomen pudelwohl fühlen, denn man kann den ganzen Zauber dieses alten Genres entdecken: Egal ob man in Meereshöhlen bei tanzenden Schatten unterwegs ist, in einer vollgestopften Bibliothek bei flirrendem Staub vor dem Fenster steht oder in einem Palast an einer riesigen Glaskugel voller Fische vorbei schreitet - dieses Pillars of Eternity 2 sieht von der schwankenden Deckenlampe bis zur Kellerfliese unheimlich stimmungsvoll aus. Zumal auch Alltägliches wie der Tagesablauf der Bewohner jetzt sichtbar ist, so dass das Geschehen in den Straßen lebendiger wirkt.
Pirates! lässt grüßen
Hinzu kommen spektakuläre Momente, wenn sich etwa ein Titan aus dem Wüstensand erhebt oder Tentakel aus den Tiefen um sich greifen. Neben der Fülle an Motiven überzeugen vor allem die Licht- und Zaubereffekte, das sehr liebevoll
Es gibt mediterrane, vulkanische, tropische und auch wüstenähnliche Gebiete.
ausgearbeitete Interieur sowie die vielen Animationen, die die Figuren sowohl bei der Erkundung als auch im Kampf lebendiger wirken lassen. Obsidian hat sich gegenüber dem recht ansehnlichen Vorgänger deutlich gesteigert, was Bewegungsabläufe sowie Choreografie in den Gefechten betrifft. Ich habe sehr oft die Ultrazeitlupe aktiviert, um mir multiple Pfeilgeschosse, blitzschnelle Schurkenmanöver oder die Sogwirkung schwarzer Löcher, die taumelnde Feinde immer näher in ihren Schund ziehen, en detail anzusehen. Und man hat sich dermaßen Gedanken gemacht, wie man das maritime Element auch spielerisch unterhaltsam integrieren kann, dass man sich gleich wie in einem Pirates! in XXL fühlt.
Ein Schiff managen
Das Schiff ist kein reines Transportmittel oder bloß ein Gimmick, sondern kann selbst wie ein Charakter gemanagt werden: Es gibt zig Klassen von der Dschunke bis zur Galeone mit unterschiedlicher Geschwindigkeit, Rumpf und Besatzung - wobei ihr
Man kann auch an und unter Deck gehen.
viele Stunden Schätze anhäufen müsst, um euren Startkahn aufzurüsten oder gar zu tauschen. Eine Galeone kostet mal eben 45000, ein Schwarzholzrumpf sogar 57000 - und selbst bessere Anker, Laternen oder Kabinen sind teuer. Ihr müsst es mit einer spezialisierten Crew und diversen Kanonen sowie Ausrüstung bestücken und die Moral möglichst heben, indem ihr nicht nur Wasser und Reis, sondern auch mal Rum und Obst anbietet. Wer selbst kocht, kann die größten Moralboni erzielen, darunter auch temporäre Verbesserungen diverser Statuswerte.
Es kann auch nicht schaden, die Beute nach einem Kampf unter der Mannschaft zu teilen. Für Reparaturen am Schiff braucht man Werkzeug und für Verletzte einen guten Chirurgen sowie ausreichend Medizin, sonst schleppen sie tagelang ihre Wunden mit. Und wenn die Moral einen zu tiefen Punkt erreicht, kann es zur Meuterei kommen - wobei dabei auch die Zusammenstellung der Crew relevant ist. Und natürlich wollen sie alle regelmäßig bezahlt werden! Trotzdem hört sich das kniffliger an als es ist, denn der Anspruch liegt weit entfernt von etwaigen Survival-Spielen und wenn man irgendwann den Dreh raus hat, kommt man angesichts der Fülle an Beute viel zu komfortabel über die Meere. Das hätte man etwas kniffliger designen können.