Through the Woods04.11.2016, Benjamin Schmädig

Im Test: Familienspuren

Das furchteinflößende Gefühl beim einsamen Durchstreifen eines nächtlichen Waldes wollte das norwegische Studio Antagonist einfangen: Through the Woods (ab 29,99€ bei kaufen) heißt daher das Abenteuer einer Mutter, die ihren Sohn auf einer verwunschenen Insel sucht – eine Insel, auf der Kreaturen der nordischen Mythologie ihr Unwesen treiben...

Große Namen...

Schon im Vorfeld erregte das Erstlingswerk der jungen Entwickler Aufmerksamkeit. Kein Wunder: Seine aufwändigen Kulissen und der eindringliche Ton machen Bäume und Häuser unter dem sternenklaren Himmel zu einer plastischen Umgebung. Äste knacken unter den Schuhen, ein eisiger Wind pfeift an schroffen Felsen vorbei und nicht nur das Plätschern im Wasser scheint die Gegenwart geheimnisvoller Jäger anzukündigen.

Immerhin, und daraus macht das Spiel kein Geheimnis, leben Trolle, Draugar, Nøkken und andere Kreaturen dort, wohin ein alter Mann Karens Sohn verschleppt hat. Ungefähr drei Stunden lang folgt sie deshalb seiner Spur, wobei sich das Team von Antagonist ganz offiziell von Resident Evil, Silent Hill und Project Zero inspirieren ließ – und von Amnesia, Alan Wake oder The Last of Us.

... kleines Spiel

Die aufwändige Kulisse ist die große Stärke der unheimlichen Reise.

Sogar Gone Home soll einen Einfluss gehabt haben und tatsächlich nimmt das Erkunden der Insel den mit Abstand größten Platz ein. Auf Notizen entdeckt Karen dabei Hinweise über ihre Umgebung (sowie viel zu genaue Anleitungen, um kommende Gefahren zu entschärfen), während Sammelgegenstände als überflüssige Beute dienen. Man kann die Gegenstände nicht einmal aus der Nähe ansehen oder in den Händen drehen, später im Menü ist sogar nur ihre Beschreibung verfügbar. Interessantes über die nordische Mythologie erzählt Antagonist leider kaum.

Sogar im eigentlichen Spiel dienen z.B. die Kreaturen meist nur als Gegner und kaum als Stichwortgeber für aufregende Geschichten. Gelegentlich erläutert Karen, die in einem Rückblick ihren Ausflug auf die Insel Revue passieren lässt, zwar Einzelheiten. Dabei beschreibt sie aber vor allem ihre akuten Umstände, anstatt Spielern die mythische Fremde näherzubringen.

Spielerisch bleiben die Begegnungen mit den mythischen Kreaturen zu blass.

Mehr wandern als gruseln

Spielerisch zitiert Through the Woods zwar alten und neuen Survival-Horror, wenn Karen schleicht, um von Trollen nicht gesehen zu werden oder die Huldra mit dem Licht ihrer Taschenlampe blendet. Auch diese Interaktion gelingt den Entwicklern allerdings nicht sehr gut, denn hat man die wenigen Gegner einmal durchschaut, ist man im Handumdrehen an ihnen vorbei. Mehr als das Schleichen in der Hocke, das An- und Abschalten der Taschenlampe sowie das Wedeln einer Fackel beherrscht Karen ohnehin nicht – entsprechend überschaubar sind die nur auf dem Papier interessanten Stealth-Action-Anleihen. Gelegentlich baut Through the Woods durch das Ankündigen eines neuen Gegners zwar Spannung auf, es bleibt aber immer mehr Wandersimulator als Horrorabenteuer.

Die Geschichte um Karen und ihren Sohn findet ein durchaus interessantes Ende, nachdem sich die Mutter auch ihren eigenen Dämonen gestellt hat. Doch insgesamt streicht das Abenteuer einfach zu belanglos vorbei. Zum Teil liegt das am oberflächlichen Abklappern der Checkpunkte, aber auch an den steifen Animationen und schlecht eingesprochenen Dialogen der wenigen zentralen Filmszenen.

Fazit

Wenn unheimliche Geräusche die nächtliche Stille durchbrechen und man Schritt für Schritt das Geheimnis um ein entführtes Kind aufdeckt, dann ist Through the Woods ein stimmungsvoller Ausflug in die Welt der nordischen Mythologie. Das Erkunden der recht aufwändigen Kulissen ist vor allem atmosphärisch gelungen und die typisch unaufgeregte Erzählweise der norwegischen Künstler eine gelungene Abwechslung zum überzeichneten Horror ähnlicher Spiele. Allerdings fehlt ihrem Abenteuer wichtige spielerische Tiefe. Zum einen nutzt Antagonist die nordische Mythologie lediglich als Vorwand, um Schauplatz und Gegner darzustellen, führt seine Spieler aber trotz Sammelgegenstände und lose verteilter Zettel kaum an deren erzählerische Besonderheiten heran. Zum anderen stellen die steifen Filmszenen wichtige Höhepunkte der Geschichte zu trocken dar, als dass eine emotionale Bindung zwischen Spielern und Spiel entstehen könnte. Das gelegentliche Schleichen oder Abwehren der Kreaturen ist zudem dermaßen simpel, dass Through the Woods die durch den guten Ton aufgebaute Spannung stets schnell wieder verliert. Eine nette Kurzgeschichte erlebt man in den etwa drei Stunden allemal - mehr aber leider nicht.

Pro

unaufgeregte Erzählung um Mythen und persönliche Schicksale
aufwändige, plastische Kulissen

Kontra

fehlende Spannung, weil Kreaturen leicht durchschaut sind
lieblos präsentierter Sammelkram
eindringlicher Ton und über weite Strecken gute Sprecherin der Hauptfigur...
... in wichtigen Szenen aber sehr steife Animationen und hölzerne Dialoge

Wertung

PC

Stimmungsvolle, spielerisch aber überschaubare Reise in die nordische Mythologie.

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