Die neue Leichtigkeit
Wo man bislang allerdings in den Tiefen der Benutzerführung navigieren musste, um z.B. die Ratschläge der Assistenten umzusetzen oder viele wichtige Informationen einzuholen und entsprechende Einstellungen vorzunehmen, macht es der Football Manager 2017 dieses Jahr in vielen Bereichen deutlich einfacher. Häufig findet man schon in den E-Mails, die wie in den letzten Ausgaben als zentrale Anlaufstelle für alle relevanten Informationen dienen, Möglichkeiten, entsprechend auf Vorschläge zu reagieren. Und das sorgt dafür, dass man mehr Zeit damit verbringen kann, sein Team zu optimieren und weniger dafür opfern muss, in den Untiefen dieser hinsichtlich ihrer Basis-Statistiken vorzüglichen Simulation nach einem bestimmten Schalter oder Dropdown-Menü zu suchen.
Natürlich kann man immer noch den komplizierten Weg gehen, weil man sich daran gewöhnt hat. Doch sowohl Veteranen als auch Einsteiger, denen es noch nie so leicht gemacht wurde, Zugang zu der spröde präsentierten Materie zu finden, dürften schnell Gefallen an den vereinfachten und damit übersichtlicheren Strukturen finden – zumal dies nicht zu Lasten des Tiefgangs oder Umfangs geht. Stattdessen kommt man schneller als zuvor an die richtigen Infos und Bildschirme, um seine Einstellungen vor zunehmen, damit man sich auf das Salz in der Suppe konzentrierten kann: Die Match-Darstellung, die seit ihrer Umstellung auf ein 3D-System kontinuierlich besser wird.
Alles Kopfsache
Die Matchdarstellung wird durch dynamische Kamerawechsel bei Standards aufgewertet.
Dass Fußball auch Kopfsache ist, wissen dieses Jahr vor allem die Fans der Hamburger Profi-Clubs. Hängst du einmal unten drin, kannst du machen was du willst – es klappen nicht einmal mehr einfache Pässe und Torschüsse, die man normalerweise mit geschlossenen Augen versenken würde, fänden nicht einmal mehr ihr Ziel, wenn sich der Torwart zum Sonnen hinlegen würde. Beim Football Manager findet das ganz eigene Kopfkino einmal mehr im 3D-Spiel statt, das nicht nur mit Freistoßspray, sondern auch mit Einmärschen, Aufwärmen und weiteren Details angereichert wurde. Denn wenn hier die blanken Zahlen und Statistiken über im Vergleich zum Vorjahr zwar deutlich filigranere, aber weiterhin mit weitem Abstand zu aktivem virtuellen Fußball wie FIFA oder PES liegende Bewegungen auf den Platz gebracht werden, fiebere ich vor dem Monitor aktiv mit. Zwar ärgere ich mich, dass die Kugel mitunter merkwürdig wegflippert. Oder dass manche Jubel-Animationen schlichtweg lächerlich aussehen. Oder dass meine Spieler sich oder dem Schuss eines Kameraden häufig im Weg stehen. Doch wenn mir ein Abseitstor aberkannt wird (egal ob zurecht oder nicht), die Mannschaft Druck auf den Gegner aufbaut und Schuss um Schuss abfeuert oder mein Team einfach keinen Zugriff auf die Passmaschinerie der Gegner bekommt, geraten die Emotionen in Wallung. Sowieso, wenn die Taktik aufgeht und meine Mannschaft in der Nachspielzeit nach einer Umstellung das Siegtor erzielt und man darüber endlich dem Niederlagen-Strudel entkommt. Ich leide, ich zittere mit, ich ärgere mich – fast so, wie beim allwochenendlichen Live-Spiel oder der Konferenz. Nur mit dem Unterschied, dass ich hier nicht nur verantwortlich bin, sondern natürlich auch während des Spiels eingreifen kann, um einzelne taktische Anweisungen zu geben oder ganze Mannschaftsteile um- oder neu einzustellen.
Statistiken, wohin man schaut. Doch nahezu jede Info kann wichtig sein, wenn man sein Team optimal auf den Gegner einstellen will.
Doch egal ob in der Match-Vorbereitung oder im Spiel selbst fehlt mir eine Option, die mittlerweile zum modernen Fußball gehört wie Konzeptmannschaften à la RB Leipzig: Gegenpressing. Diese Methode, nach einem Ballverlust so schnell wie möglich das gegnerische Team zu einem Ballverlust zu provozieren, kann man hier zwar über ein paar Einstellungen emulieren. Aber eine einfache taktische Vorgabe per Knopfdruck gibt es nicht. Und vor allem im laufenden Spiel ist es zu umständlich, die Mannschaft auf „Gegenpressing“ umzustellen, insofern es erforderlich werden sollte. Dafür jedoch gibt es einen Haufen Möglichkeiten, seine Aufstellung bis hin zur Positionierung bei Standardsituationen zu modifizieren. Nach eigenem Gutdünken auf dem Transfermarkt umtriebig werden, kann man hingegen wie bislang nicht. Hierzu braucht man die Befürwortung der Entscheidungsträger, die das Ok meist erst geben, wenn man die vorgegebenen Budget-Grenzen nicht sprengt. Wer sich jedoch nur um die Mannschaft kümmern möchte, kann auch sämtliche Transfers, die übrigens um ein Details wie neue Sonderkonditionen oder Versprechen erweitert wurden, von den weitreichend einstellbaren Assistenten übernehmen lassen.
Neuerungen und Ungereimtheiten
Doch nicht nur auf dem Transfermarkt hat sich einiges getan. Denn der Football Manager 2017 zollt auch den immer populärer werdenden sozialen Medien Tribut. Immer wieder findet man mit Hashtags versehene Tweet-ähnliche Meldungen, die Bezug auf aktuelle Leistungen des Teams oder Entscheidungen seitens des Spielers nehmen. Allerdings stellt man fest, dass man diese Stürme im Social-Media-Glas wie auch meistens in der Realität nicht zu ernst nehmen sollte. Denn einerseits findet sich für jeden Befürworter auch einer, der so gar nicht mit der Entscheidung übereinstimmt. Andererseits wiederholen sich die Einsendungen recht schnell und haben über einen Schauwert auch keinerlei Einfluss auf irgendetwas. Man kann dieses Medium auch nicht nutzen, um bestimmte Infos zu lancieren oder à la Donald Trump seine Kontrahenten anzugreifen. Um zusätzliche Atmosphäre aufzubauen, ist der so genannte „Social Feed“ aber sehr gut geeignet. Ebenfalls oberflächlich und nur mit Schauwert versehen bleibt die Einführung von Sportwissenschaftlern. Diese werden hier der medizinischen Abteilung zugeordnet und scheinen nur
Entscheidet man sich für die komprimierte Darstellung werden Passagen, in denen nur wenig passiert, durch Statistiken aufgelockert.
der allgemeinen Effektivität der Mediziner zu helfen. Ebenfalls nett, aber vollkommen unerheblich und höchstens dem Atmosphäre-Aufbau zuträglich: Man kann das Konterfei des Coaches und damit auch der Einblendungen gegen sein eigenes eintauschen, das per Frontalfoto importiert wird und überraschend gut implementiert wird.
Sprich: Eigentlich sind viele der neuen Elemente in diesem Jahr nicht so sauber bzw. so gut verzahnt in die tiefer liegenden Mechaniken eingebaut, wie man es von der Serie gewohnt ist. Das ist jedoch Jammern auf sehr hohem Niveau. Denn dabei darf nicht vergessen werden, dass der Football Manager hinsichtlich Tiefgang bei gleichzeitiger Glaubwürdigkeit nicht nur mangels Konkurrenz das Nonplusultra darstellt. Und es ist gut zu wissen, dass das Team für nächstes Jahr auch noch Optimierungsbedarf hat. Übrigens auch in einem ganz speziellen Fall, der nur HSV-Fans auffallen dürfte. Denn während man stilecht bei der Jobvorstellung von Dietmar Beiersdorfer und dem Aufsichtsratschef Karl Gernandt begrüßt wird, laufen sämtliche Budget-Verhandlungen mit Klaus-Michael Kühne. Das mag zwar unter bestimmten Gesichtspunkten eine richtige Interpretation seiner Person bzw. Stellung im Verein sein. Doch da Herr Kühne letztlich nur Edelfan, Anteilseigner (und manchmal Einflussnehmer) ist, aber offiziell beim HSV in keiner strukturellen Position steht, hat man in London seine Rolle offensichtlich falsch aufgefasst. Denn die Gegenkontrolle bei RB Leipizig und Hoffenheim ergab, dass man hier nicht mit Herrn Mateschitz oder Herrn Hopp um Transfersummen feilscht, sondern den entsprechenden Verantwortlichen. Doch letztlich sind dies alles nur oberflächliche Probleme. Denn wo es zählt, nämlich auf und abseits des Platzes, gibt sich die Vorzeige-Trainer-Simulation wieder einmal keine Blöße.