Piraten - Herrscher der Karibik27.10.2003, Bodo Naser
Piraten - Herrscher der Karibik

Im Test:

Seeräuber-Abenteuer haben dank Fluch der Karibik mit Johnny Depp derzeit wieder Hochkonjunktur. Es ist also nicht verwunderlich, dass auch Ascaron jetzt eine abgespeckte Action-Version seiner Handelssimulation Port Royale auskoppelte, in der Ihr das Leben eines Freibeuterkapitäns führt. Ob Piraten: Herrscher der Karibik bloße Geldmache ist, oder ob das preiswerte Remake wirklich Spaß bringt, verrät Euch unser Test.

Abgespeckte Fassung

Wer seinerzeit nächtelang Pirates! gezockt hat, wird sich beim Action-Ableger von Port Royale ziemlich schnell heimisch fühlen. Denn der ist nicht nur an den Sid Meier-Klassiker angelehnt, sondern genau genommen ein erstaunlich stilechtes Remake des bekannten Vorbilds unter Verwendung der Port Royale-Engine.

Um das ursprünglich auf Handel angelegte Gameplay zu straffen, hat Ascaron konsequent alle unnötigen Elemente seines Seeräuber-Patriziers über Bord geworfen, was dem Spiel sehr gut getan hat. Auf einen Multiplayer-Modus haben die Macher dabei gleich ganz verzichtet. Weniger ist eben manchmal doch mehr - deutlich entschlackt spielt es sich so flott wie noch nie!

Fordernder Beginn

Ballast könnt Ihr bei Piraten: Herrscher der Karibik zwar nicht einlagern, dafür gibt es andere wertvolle Güter, die Ihr den Handelsschiffen der vier Nationen (England, Spanien, Holland und Frankreich) abluchsen könnt. Nachdem Ihr Euch für eines von 16 nacheinander freispielbaren Szenarien entschieden habt, beginnt Eure Laufbahn ganz bescheiden in einem Hafenstädtchen als kleiner Pirat mit einem durchschnittlichen Segelschiff.

__NEWCOL__Aller Anfang ist bekanntlich schwer, und so ist es auch hier nicht einfach, durch gefährliche Kaperfahrten an Gold, Ehre und ein besseres Schiff zu kommen. Oft müsst Ihr gleich gegen mehrere Schiffe kämpfen und Kollegen jagen Euch. Die fünf Schwierigkeitsstufen lassen Euch Euer Schicksal wenigstens ein bisschen beeinflussen.

Historie der karibischen Eilande

Zwar gibt es bei Piraten keine historischen Karrieren, bei denen Ihr das Leben berühmter Halsabschneider wie Henry Morgan, Sir Francis Drake oder Jack Sparrow nachspielen könnt. Ihr dürft aber stets ein Startjahr auswählen: 1570 etwa, als Spaniens Flotten klar die See dominierten, oder Anno 1590, als Frankreich langsam aufkam.

1610 begann dann Englands unaufhaltsamer Aufstieg zur Seemacht und schließlich 1630, als Spaniens Stern schon deutlich im Sinken begriffen war. Je nach Epoche findet Ihr unterschiedliche Gegebenheiten vor, da die 60 Städte häufiger mal den Besitzer wechselten. Auch Ihr könnt mit Eurer Flotte Städte erobern, was ein Ziel des Spiels ist: Ihr müsst für die spanische Krone drei Häfen in zehn Jahren erobern.

Schiff ahoi!

Für Eure Kaperfahrten stehen Euch zwölf zeitgenössische Schiffstypen zur Verfügung, die von der winzigen Pinasse bis zur ausgewachsenen Galeone reichen. Am Anfang besteht Euer einfach zu steuernder Konvoi nur aus einer einzelnen Brigg, die ein fairer Kompromiss aus Feuerkraft, Zuladung und Geschwindigkeit ist.

Möglichst mit einem teuren Kaperbrief des Gouverneurs in der Tasche begebt Ihr Euch auf große Fahrt und trefft hoffentlich bald auf ein geeignetes Opfer, das nicht zu überlegen sein sollte. Wann immer Ihr auf hoher See auf ein Segelschiff trefft, wird Euch seine Nationalität enthüllt und dann müsst Ihr entscheiden, ob Ihr nur grüßen oder gar entern wollt. Wenn Ihr freundlich grüßt, erhaltet Ihr vom Kapitän oft wertvolle Infos über einzelne Kolonien.

Ladet die Kanonen!

Klickt Ihr aber auf Angreifen, gelangt Ihr in den Bildschirm für Seeschlachten, wo das 3D-Gefecht nun mit Kanonen ausgetragen wird. Drei verschiedene Typen von Munition gibt es: Kugeln, um den Rumpf zu beschädigen, Kettengeschosse, um die Takelage zu zerfetzen, und Schrapnelle, um die Crew zu dezimieren. Letzteres ist immer dann wichtig, wenn Euer Gegner über mehr Matrosen verfügt.

Der Wechsel der Munition ist übrigens während des Gefechts viel zu umständlich. Ganz ähnlich ergeht es Euch bei der Eroberung einer Stadt, wo Ihr die Geschütztürme des Hafens zerstören müsst. Dazu ist ein stabiles Schiff ab Fregatte aufwärts nötig und bisweilen braucht Ihr mehrere Anläufe, bis Eure Fahne über der Hafeneinfahrt weht. Ganz Wagemutige greifen sogar die schwer bewaffneten Galeonen der spanischen Schatzflotte an!

__NEWCOL__Kapern oder Versenken?

Habt Ihr Euren Gegner auf See hingegen genug beschädigt, geht es ans Entern, das einfach dadurch erfolgt, dass Ihr umschaltet und an die Seite des Schiffes fahrt. Dann werden die Matrosen automatisch heruntergezählt. Ist Euer Gegner niedergerungen, was leider ohne den typischen Fechtkampf aus Pirates! erfolgt, könnt Ihr sein Schiff in Euren Konvoi übernehmen.

Ebenso könnt Ihr es auch versenken, um nur die wertvolle Ladung zu behalten. Aber warum auch? Denn Schiffe könnt Ihr für gutes Geld in der nächsten Siedlung verkaufen oder auch reparieren lassen. Die Mannschaft könnt Ihr leider nicht übernehmen, so dass Ihr Eure Crew im nächsten Hafen auffrischen müsst. Versorgt Ihr sie stets mit allem, bleibt die Stimmung länger oben. Sinkt diese in den Keller, solltet Ihr flugs die Beute aufteilen, bevor es eine Meuterei gibt.

Lukrative Aufträge

Zwar fehlt bei Piraten die vom Sid Meier-Klassiker bekannte Hintergrundstory, bei der Ihr nach und nach Eure Familie aus dem Kerker befreien musstet, es gibt jedoch auch so genug lukrative Aufträge. Zum einen sind das normale Transportfahrten, bei der Ihr etwa eine Person in einer bestimmten Zeit in einen andere Stadt bringen müsst, und die Ihr auch schon aus Patrizier 2 kennt.

Zum anderen erteilt Euch auch der Gouverneur Eures Vertrauens geheime Missionen, bei denen Ihr etwa einige feindliche Häfen ausspionieren, wichtige Dokumente bergen oder einen berüchtigten Piraten ins nasse Seemanngrab schicken müsst. So steigt unaufhaltsam Euer Ansehen, bis Ihr eines fernen Tages Admiral des Königs seid.

Piraten sind Händler

Natürlich müsst Ihr die von Euch geraubten Waren auch irgendwo wieder loswerden, um Kasse zu machen. Dafür müssen auch gejagte Seeräuber die vorhandenen Handelsstädte anlaufen, denn reine Piratennester existieren nicht. Ihr solltet deshalb immer eine Nation haben, mit der Ihr nicht verfeindet seid und deren Häfen Ihr ohne Ballerei anlaufen dürft.

Wer stattdessen lieber nur langweilig Handel treiben will, findet die aus Port Royale bekannten Waren vor. Jeder Hafen produziert bestimmte Waren und fordert auch wieder welche. Wird eine Stadt belagert und Ihr durchbrecht die feindlichen Reihen, könnt Ihr so richtig Kasse machen. Ebenso wenn Ihr einer Stadt Nahrungsmittel liefert, in der gerade eine Hungersnot herrscht.

Schwachpunkte?

Schließlich müssen auch noch ein paar vereinzelt auftretenden Schwachpunkte angesprochen werden. Zum einen ist Piraten nicht immer sehr übersichtlich, da es z.B. keine Suchfunktion gibt, mit der Ihr nach Hafenstädtchen suchen könntet. So müsst Ihr stets einen Blick auf die winzige Übersichtskarte im Menü werfen, die Euch aber auch nicht alle Häfen anzeigt, da Ihr manche erst seht, wenn Ihr direkt daran vorbeischippert.

Dass die spannenden Fechtkämpfe fehlen, wurde ja schon erwähnt. Darüber hinaus gibt es auch keine Landkämpfe, bei denen Ihr die Häfen vom Dschungel aus erobern könntet. __NEWCOL__Außerdem gibt es auch die aus Pirates! bekannten Untiefen nicht mehr, so dass Ihr mit großen Pötten ohne Probleme überall hinfahren könnt. Dadurch wurden die Segeltörns aber um vieles ärmer!

Filmchen fehlen

Kein Schwachpunkt ist jedenfalls die Grafik, die schon aus Port Royale bekannt ist und von einer zweidimensionalen Darstellung geprägt wird. Allerdings ist sie schon etwas älter, da seit ihrer Entwicklung einige Zeit verstrichen ist. In den Seeschlachten gibt es dann so etwas wie 3D-Effekte: Das Meer glitzert, die Wollen fegen darüber hinweg, die Schiffe werfen Schatten und an Rumpf und Takelage zeigen sich realistische Schäden. Nur näher hinzoomen solltet Ihr besser nicht, denn dann wird es auf Deck recht pixelig! Wählbar sind die beiden Auflösungen 1024x768 und 1280x1024. Jede Nation besitzt übrigens ihre eigene, unverwechselbare Architektur, dennoch hätte den Städten etwas mehr Abwechslung gut getan. Was dem Spiel fehlt, sind gelegentliche Filmchen, die den Piratenalltag wie bei Die Gilde auflockern und die den Aufstieg Eures Freibeuters besser in Szene setzen.

Passender Piraten-Sound

Auch was die Hintergrundmusik angeht, kann sich das neu aufgelegte Piratenabenteuer durchaus hören lassen: Es erklingen Stücke, wie Ihr sie auch in einem Seeräuberfilm wie Fluch der Karibik finden könntet. Bisweilen klingt die mexikanisch angehauchte Musik aus Port Royale vielleicht etwas zu modern. Auch die Geräusche wie das Brausen des Windes oder Schreie der Möwen sind stimmig, auch wenn es nicht gerade viele davon gibt. Es fehlt aber eindeutig eine Sprachausgabe, die informative Gespräche mit Personen wie Gouverneur, Ehefrau oder Gästen in der Hafenkneipe auch vertont.

Fazit


Natürlich bekommt man sofort ein Déjà-vu-Erlebnis, wenn man wie ich früher begeistert Pirates gezockt hat und jetzt bei Piraten: Herrscher der Karibik in See sticht. Aber dieses Erlebnis ist durchaus positiv! Bislang hat nämlich kaum ein Spiel das Flair von Sid Meiers Klassiker so gut eingefangen wie Ascarons entschlackte Action-Ausgabe von Port Royale. Ihr solltet allerdings genug Zeit mitbringen: Das motivierende Aufstiegssystem sowie die ständige Suche nach Gold und größeren Schiffen sind schlicht Sucht erzeugend - auch wenn die Aufträge bisweilen an der Unübersichtlichkeit der Karten kranken. Dass die Macher sich fast sklavisch an die Vorlage gehalten haben, hat aber auch seine Nachteile, denn das recht simple Seeräuberspielchen bietet leider wenig Neues. Auch eine gescheite Rahmenstory sucht man vergebens. Eines spricht aber ganz eindeutig für die gestrafften Neuauflage von Port Royale: der günstige Preis. Insbesondere Leute, die einmal für wenig Geld ein Freibeuter sein möchten, können deshalb zugreifen!
(Bodo)

Piraten Herrscher der Karibik ist auf den ersten Blick ein abgespeckter Abklatsch von Port Royale - doch weit gefehlt! Die Reduzierung des Handelsteils und die Fokussierung auf die actionreichen Seeduelle sorgen für viele spaßige Stunden. Besonders der alte Sammlertrieb, um schnell noch ein neues Schiff zu finanzieren und den privaten Gold-Schatz aufzufüllen, ist zeitlos motivierend. Allerdings erinnert das Spiel grafisch zu sehr an Port Royale und Neuerungen suchen wir leider ebenfalls vergebens. Zudem ist das Spiel oftmals etwas unübersichtlich, da es viel zu viele Städte zum Anfahren gibt; Besserung ist aber gelobt. Wenn Ihr Fans des uralten Pirates seid und Port Royale nicht besitzt, dann solltet Ihr Euch schleunigst auf die preiswerte Karpertour gehen. Nicht wahr, kleiner sprechender Papagei auf der Schulter? Jawoll, aaarrrr!
(Marcel)

Pro

<li>gestraffter Ableger von Port Royale</li><li>Stimmung von Pirates! eingefangen</li><li>hoher Suchtfaktor</li><li>fordernder Aufstieg als Freibeuter</li><li>historische Epoche wählbar</li><li>simple Bedienung</li><li>packende Seeschlachten</li><li>passende Musik</li><li>preisgünstig</li>

Kontra

<li>wenig Neues</li><li>gelegentlich unübersichtlich</li><li>keine Story</li><li>Fechteinlagen fehlen</li><li>keine Landangriffe</li><li>keine Untiefen</li><li>keine Zwischensequenzen</li><li>kein Multiplayer</li>

Wertung

PC

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