Batman: The Telltale Series20.12.2016, Jan Wöbbeking

Im Test: Ein zweischneidiges Schwert

Nicht nur Superschurken können zu Monstern werden, so die Moral von Telltales Batman-Adventure: Mit jeder Episode wird deutlicher, dass auch Gothams Bürger mehr Dreck am Stecken haben, als Bruce Wayne es sich zu Beginn seiner Superheldenkarriere ausmalte. Kommt es zu einem gelungenen Abschluss oder dämpfen seichte Spielmechaniken erneut den Spaß an den Ermittlungen?

Freund oder Feind

Batman kämpft an vielen Fronten gegen die Unterwelt Gothams, die sich nicht nur in vordergündig sichtbarer Kriminalität bemerkbar macht: Auch vermeintliche Freunde stecken tiefer in illegalen oder moralisch fragwürdigen Machenschaften, als Bruce Wayne es sich zunächst hätte vorstellen können. In seinem Adventure erzählt Telltale erneut den Beginn der Superheldengeschichte, in welcher der dunkle Rächer nicht nur die Hintergründe zum Mord an seinen Eltern aufklären muss. Im Laufe des Abenteuers wird die Metropole von Terroranschlägen und einer neuen Gangsterbande, aber auch von massiver Korruption geplagt. Mittlerweile sind alle fünf Episoden erhältlich, die sich digital oder als Retail-Version im Paket erwerben lassen (Bei Letzterer befindet sich allerdings nur Episode 1 auf der Disk und für den Download des Rests benötigt man eine Internetverbindung). Bei der Jagd auf den Gangsterboss Carmine Falcone lernt der Held, dass nicht nur Bürgermeister Hill Dreck am Stecken hat, sondern auch einige vermeintliche Freunde und Bekannte tief in den Schlamassel verwickelt sind. Um diese Dualität zu betonen, teilt Telltale das Abenteuer in zwei Bereiche, zwischen denen die Regie immer wieder wechselt: Mal ist man als schlagkräftiger Dunkler Ritter unterwegs, anderswo versucht man in der Rolle von Bruce Wayne, andere Personen mit Argumenten und zahlreichen Dialogoptionen umzustimmen.

Miau!
So versucht Bruce z.B. den immer neurotischer werdenden Freund und Bürgermeisterkandidaten Harvey Dent davon zu überzeugen, endlich wieder Vernunft anzunehmen, statt sich mehr und mehr von ihm zu distanzieren. Nachdem ernsthafte Korruptionsgerüchte über Bruces Eltern die Runde machen, muss der Protagonist sich immer mehr Widerständen entgegensetzen: Dem Aufsichtsrat seines Großkonzerns Wayne Industries gefällt es z.B. ganz und gar nicht, dass die Gerüchte die Investoren verunsichern. Man erwartet, dass Bruce persönlich dafür gerade steht – was natürlich die Zukunft seines geheimen Superhelden-Labors gefährdet. Auch Hacker versuchen, seine moderne Technik zu korrumpieren. Für die größte Gefahr sorgt die neue Terror-Organisation Children of Arkham, welche Mordanschläge auf Politiker plant und auch nicht vor der massenhaften Eliminierung von Polizisten zurückschreckt. Auch deren Motivation hat Verknüpfungspunkte zu Batmans Vorgeschichte.

Moralische Prüfungen

Wer die Serie kennt, weiß allerdings, dass der stoische Held sich von Tiefschlägen nicht wirklich aus der Bahn werfen lässt. Selbst aus der Defensive heraus verfolgt der dunkle Ritter zielstrebig seine Mission – auch wenn ihm noch so viele Gesprächspartner weismachen wollen, dass in korrupten Zeiten und Städten wie dieser der Zweck die Mittel heiligt. Die Prämisse bietet also eine schöne Grundlage für viele moralische Entscheidungen nach dem typischen Telltale-System: Praktisch minütlich darf sich der Spieler entscheiden, ob er ernsthaft oder sarkastisch antwortet, ob die unerschütterlichen ethischen Grundsätze knallhart durchgezogen werden oder ob man auch mal kurzfristige Allianzen mit finsteren Gestalten eingeht, um ein wichtiges Ziel zu erreichen. Hilft man in einer brenzligen Situation zuerst der Journalistin Vicky Vale oder dem alten Freund Harvey Dent? Lässt man sich nach einem wilden Kampf Seite an Seite mit der eigentlich schon vergebenen Catwoman zu einem Kuss hinreißen oder nicht? In solchen Situationen leert sich stets der typische kleine Countdown-Timer, so dass man zur Wahl von zwei bis vier Antworten genötigt wird – oder einfach schweigt.

Im Laufe der Geschichte trifft man auf den Pinguin und andere exzentrische Berühmtheiten der Serie.
Manchmal wird bestätigt, dass sich der Gesprächspartner daran erinnern wird, in der Praxis nehmen die Entscheidungen leider viel weniger Einfluss auf die Geschichte, als es zunächst den Anschein hat. Kurze Zeit später denkt man sich dann „Ach so haben sie es also schon wieder hingebogen, dass die sehr unterschiedlichen Optionen nicht wirklich eine Rolle spielten. Beispiel gefällig? Als Bruce dank zerstörtem Ruf mit dem Rücken zur Wand steht, kann er in einer öffentlichen Rede eine andere Person aus dem Konzern aufliegen lassen und so ihren kriminellen Hintergrund offenlegen – oder aber er spielt das Spiel vordergründig mit und gibt erst einmal nach. Da ihm eine bewusstseinsverändernde Droge verpasst wird, gerät die Situation aber ohnehin außer Kontrolle, so dass Bruce abgeführt und nicht für voll genommen wird. Anderswo stirbt eine Person einfach, so dass das Auftreten ihr gegenüber ebenfalls nicht wirklich eine Rolle spielte. Wenn man erst einmal ein paar dieser enttäuschenden Wendungen miterlebt hat, spult man weitere Entscheidungen eher lustlos ab.

Das Spieldesign ordnet sich unter

Ebenfalls enttäuschend gestalten sich die übrigen kargen Spielelemente, die eher wie ein Alibi für echte Rätsel wirken. An einigen Tatorten muss man z.B. lediglich einige Gegenstände untersuchen und dann mit Linien verbinden. Die Lösungen sind meist derart offensichtlich, dass die Beschäftigung eher an Malen nach Zahlen erinnert als an knifflige Adventure-Rätsel. Mal verbindet man die Utensilien einer kleinen Drogenküche, an einem anderen Ort zeichnet man die Spuren einer Schlägerei nach und kommt so dessen Ausgang auf die Spur. Oder man startet selbst einen Überraschungsangriff und verknüpft in einem ähnlichen Diagramm die Laufwege. Im Hauptquartier sucht man zudem nach Hinweisen in Dokumenten oder inspiziert eine gehackte Drohne. Im Gegensatz zu Sherlock Holmes muss man allerdings nicht wirklich analysieren, kombinieren oder gar forensische Untersuchungen starten. Stattdessen arbeitet man sich lediglich durch ein paar ziemlich offensichtliche Optionen.

Lieutenant James Gordon arbeitet zusammen mit Batman an der Bekämpfung der Korruption.
Zudem werden Batmans Passagen von Schlägereien aufgelockert, die in Form kleiner Geschicklichkeitstests ablaufen, während die entsprechende Logos eingeblendet werden. Hier ein Druck nach rechts, dort einer auf A, B oder Y - den Rest erledigt die agile Fledermaus. Schlägt man sich gut, lädt sich das Symbol für eine Art Finisher auf, der in der Praxis allerdings lediglich die Bewegung eines Zielkreuzes per Stick sowie eine alternative Tastenkombination bedeutet. Spielerisch sorgen die Gefechte nicht gerade für Spannung, zumal es nur in wenigen Situationen überhaupt möglich ist, zu versagen. Selbst dann startet die Sequenz sofort wieder beim letzten Hieb. Zudem sorgte bei uns ein Tastenbug für Frust: Ab und zu reagierte der R-Knopf nicht oder es wurde eine falsche Taste eingeblendet. Mit Maus und Tastatur trat der Fehler dagegen nicht auf.

Nicht wirklich ein Adventure?

Schade, dass sich Telltale beim Spieldesign nicht stärker angestrengt hat, denn der erzählerische Part hat mich durchaus ordentlich unterhalten. Die Geschichte hat zwar einige Längen, meist ist es aber interessant zu erfahren,

In manchen Szenen darf man sich entscheiden, ob man sie als Batman oder Bruce Wayne angeht.
wie sich Batman am eigenen Schopf aus einem Schlamassel nach dem anderen zieht. Vor allem in den letzten Episoden zieht das Erzähltempo an, wobei sich Telltales jahrelange Erfahrung bei cineastischer Regie bemerkbar macht: Es ist fast so, als würde man einem Cartoon zuschauen, in dem man ab und zu eingreift. Mit je rund 90 Minuten fallen die fünf Folgen allerdings ziemlich kurz aus. Die professionelle englische Synchro überzeugt ebenso wie die Charakterzeichnung, bei der immer mehr Figuren nach und nach ihre dunkle Seite offenbaren und man irgendwann selbst ins Grübeln kommt, wie sehr man in den brenzligen Situationen an den eigenen Moralvorstellungen festhalten würde. Manche Zeichnungen sehen aus der Nähe allerdings etwas karg und unscharf aus.

Fazit

Als Zeichentrickserie hätte ich Telltales Interpretation Batmans früher Abenteuer sicher genossen, die seichten Spielmechaniken des Adventures haben aber oft dazu geführt, dass ich mich eher widerwillig durch das Spiel klickte. Weder das zu offensichtliche Verbinden von Indizien am Tatort noch die zu einfach gestrickten Geschicklichkeitstests in Kämpfen können Spannung erzeugen oder die Erzählung auf sonstige Weise bereichern. Selbst die zahlreichen Gewissens-Entscheidungen spielen meist eine viel kleinere Rolle als es zunächst den Anschein hat. Sie bauen aber immerhin ein passables Grundgerüst, an dem sich die Geschichte rund um die dunklen Machenschaften entlanghangelt. Vor allem die Zweiteilung macht die Verstrickungen von Batmans sozialem Umfeld greifbar: In manchen Momenten wirkt Bruce Waynes Verhandlungsgeschick sinnvoller, anderswo die stoische Autorität des finsteren Superhelden, der auf seine eigene Weise außerhalb des Gesetzes agiert. Zudem sind seine ungewollten Verstrickungen eine schöne Parabel auf die heutige Gesellschaft mit all ihren Verpflichtungen gegenüber Investoren und Lobbygruppen. Schade, dass vor allem zu Beginn einige Längen die Erzählung ausbremsen. Später zieht das Tempo zwar an, doch dann werden die sich wiederholenden spielerischen Mankos immer lästiger. Zusammengefasst ist das Spielerlebnis also ein ähnlich zweischneidiges Schwert wie die Geschichte um die Anfänge des Dunklen Ritters.

Pro

professionelle Inszenierung und Kameraregie
gelungene englische Vertonung
spannende Einblicke in korrupte Netzwerke
dynamisch inszenierte Action
bis zu acht Spieler entscheiden im Multiplayer mit

Kontra

meist öde Quicktime-Kämpfe
witzloses, weil zu simples Verbinden von Indizien oder Angriffsplänen
so gut wie keine Rätsel
manche Texturen aus der Nähe sehr unscharf
Bugs bei der Controller-Steuerung

Wertung

PC

Trotz einiger Längen gelingt Telltale ein erzählerisch interessanter Einblick in Gothams korrupte Netzwerke, spielerisch bleibt das Adventure aber erstaunlich anspruchslos.

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