The Fall - Last Days of Gaia17.12.2004, Jörg Luibl
The Fall - Last Days of Gaia

Im Test:

Das Jahr 2004 glich für Rollenspieler einer ausgedörrten Wüste. Nach dem zweiten Add-On für Neverwinter Nights war weit und breit lange Zeit nichts Abenteuerliches zu sehen, bis in Gestalt von Vampire endlich die erste erfrischende Oase erschien - war das köstlich! Aber da gibt es noch einen Geheimtipp aus Deutschland, der die Weihnachtszeit in packende Endzeit verwandeln will: The Fall.

Lust auf Rollenspiel

Endlich wieder eine sechsköpfige Party! Endlich wieder Attribute, Fähigkeiten und Talente! Endlich wieder eine epische Story! Ich habe mich als schmachtender Rollenspieler nach all dem Action-Fantasybrei richtig auf diesen Titel gefreut. Erstens wandeln die Berliner auf klassischen Fallout-

Das schöne Renderintro stimmt mit einem Gespräch über Mut auf das Abenteuer ein.
Pfaden, zweitens konnten sie zwei ehemalige Black Isle-Mitarbeiter verpflichten und zu euphorischer Letzt haben einige Gazetten sogar Gothic-Potenzial vermutet. Was sollte da schief gehen?

Aber trotz meiner Genre-Sympathie und angelesener Vorschusslorbeeren hinterließ der Titel in der Preview nur einen befriedigenden Eindruck. Vor allem aufgrund der vielen technischen Mängel und Bugs war ein Test quasi nicht möglich. Mittlerweile sind fünf Patches ins Land gezogen und das Spiel läuft so stabil, dass es endlich bewertet werden kann. Das zeigt einerseits, wie viele grobe Schnitzer noch in der Verkaufsversion steckten, was zu verständlichen Fan-Protesten im Forum führte. Andererseits zeigt das aber auch, wie schnell Silver Style Entertainment reagieren kann - andere Firmen brauchen Monate für den ersten Patch.

Idylle & Ernüchterung

Ich habe mir natürlich nur eine Frage gestellt: Wie gut ist das Endzeit-Rollenspiel in Version 1.5? Kann es über meine Preview-Skepsis hinauswachsen? Macht es jetzt auch mehr Spaß? Nur bedingt. The Fall hat einfach immer noch zu viele Schwächen, um richtig zu begeistern. Obwohl das Berliner Team in fleißiger Akkordarbeit elementare Fehler ausgemerzt und kleine Verbesserungen hinzugefügt hat,

Leider führen die ersten Schritte nicht gerade in eine üppige 3D-Kulisse.
kann man nicht in die Liga der außergewöhnlichen Rollenspiele aufsteigen. Das Spiel hat einige Reize, die gerade angesichts der Genre-Flaute ins Auge fallen, krankt aber an zu vielen offenen Baustellen und Designschwächen.

Immerhin beginnt das Abenteuer sehr stimmungsvoll: Kostbares Wasser perlt an einem Blatt hinab, eine Libelle tanzt im gleißenden Licht und sucht sich ihren Weg zu einer mächtigen Kuppel. Ein malendes Mädchen spricht mit seiner Mutter über die Bedeutung des Wortes "Mut". Als lebendes Beispiel nennt die Frau mit dem seltsam weißen Haar einen Helden, der nach der Katastrophe Großes geleistet hat. Und plötzlich wechselt das idyllische Renderintro in die dreidimensionale Spielgrafik - das ist gute Regie.

              

Retter in der Not

Worum geht`s? Im Jahr 2088 ist nichts mehr so wie es war: Eine Umweltkatastrophe hat das bekannte Antlitz der Erde zerstört: Wasser und Nahrung sind knapp, Geld gibt`s nicht mehr, es herrscht knallharter Tauschhandel und militante Gangs stecken ihre Reviere ab. Das Gesetz des Stärkeren bestimmt das Leben, der Ton verrät viel über den brutalen Alltag: Da ist von

Obwohl man auch mal Teddybären finden und kleine Mädchen retten muss, geht`s meist derb zur Sache.
"Scheißkerlen", "Schlampen" und "Drecksschweinen" die Rede, und am liebsten wollen euch die Gangbosse die "Fresse wegballern". Öffentliche Hinrichtungen, Entführungen und Vergewaltigungen sind an der Tagesordnung: ein Held muss her!

Ihr spielt diesen Retter, den ihr in der angenehm komplexen Charaktererstellung mit einem Porträt, Attributen, Fähigkeiten und Talenten ausstatten könnt. Er schließt sich der "Neuen Regierung" im amerikanischen Südwesten an und kann aus einem Pool aus vorbereiteten NSCs (Nicht-Spieler-Charakter) gleich bis zu fünf Söldner mit unterschiedlichen Vorteilen anheuern: Da gibt`s flinke Diebe, gewiefte Mechaniker, gute Mediziner und natürlich einige tödliche Waffenexperten. Sie gewinnen im Laufe des Spiels Erfahrungspunkte für erledigte Aufträge, die man in ihre Ausbildung investieren kann.

Das Korsett an Statistiken ist nachvollziehbar und übersichtlich. Sehr motivierend ist zudem, dass ihr ab 70% in einer Fähigkeit auch eine bestimmte Spezialisierung wie z.B. das Safe knacken oder Schlossfallen entdecken aktivieren könnt. Ihr könnt euch also nach Lust und Laune in der Karriereplanung austoben und euer Team den eigenen Wünschen anpassen. Später werdet ihr weiteren NSCs begegnen, die ihr anheuern könnt; insgesamt dürfen es allerdings nur sechs sein. Die Party-Entwicklung ist eine der motivierenden Stärken von The Fall.

Stilbrüche & Endzeitkulisse

So weit, so gut. Aber schon nach dem Trainingsparcours werden die ersten Stilbrüche deutlich, die einige Abgründe zwischen dem erwarteten Highlight und der Wirklichkeit offenbaren. Konnte das Intro noch eine prächtige Kulisse zeigen, ernüchtert die Spielwelt zum einen mit seltsam blechernen Stimmen. Die meisten Charaktere verwöhnen euch zwar mit Sprachausgabe und selbst das

Die Charakterentwicklung ist komplex und wird sehr übersichtlich dargestellt.
Betrachten unwichtiger Gegenstände wird vorbildlich kommentiert, aber die Tonaufnahmen lassen technisch und schauspielerisch zu wünschen übrig. Außerdem müsst ihr komplett auf Mimik verzichten und mit einer puppenartigen Gestik Vorlieb nehmen. Wer sich kürzlich an Vampire erfreut hat, wird gewaltige Abstriche machen müssen.

Hinzu kommen weitere Dämpfer, die zeigen, dass die Designer die Grafik-Engine noch nicht ganz im Griff haben. Optische Entdeckerlust kommt nicht gerade auf, wenn man all die Beschränkungen wahrnimmt: Es gibt z.B. weder Strauch-, Wolken- oder Baumbewegungen. Der Wind spielt quasi keine Rolle, obwohl man ihn gerade in diesem Szenario erwartet hätte. Die Figuren sehen einfach zu holzschnittartig aus und bewegen sich oftmals wie Pinocchios Erben - zu steif, zu unnatürlich. Das Umschauen in liegender Schussstellung kann zwar noch versöhnen, aber vor allem im Nahkampf und bei Aktionen wie dem Ausweiden sehen die Animationen einfach schlecht aus; da wird einen Meter neben dem erlegten Tier zum Messer gegriffen.

          

Veraltete Mad Max-Atmosphäre

Ein Rollenspiel muss in erster Linie mit inneren Werten überzeugen, und das tut The Fall an einigen Stellen, aber das Auge wird im Zeitalter von Shaderpomp und Spiegelglanz einfach nicht verwöhnt, teilweise sogar verärgert: Da tauchen plötzliche dieselben Porträts im Inventar auf, das Mouseover funktioniert nicht einwandfrei, da verschwinden Figuren halb in der Landschaft, da zeigt die Kamera das Innere von Hügeln, da schlagen Axtsöldner zu wie in Trance. Selbst Neverwinter Nights zeigte bessere Kampf-Animationen.

Grafisch kann The Fall nur in drei Bereichen punkten, aber die retten tatsächlich die Stimmung: Architektur, Farbgebung sowie Tag- und Nachtwechsel. Die Entwickler haben den amerikanischen

Überall sorgen Wracks und verfallene Gebäude für Endzeit-Stimmung.
Südwesten samt seines rotsandigen Mad Max-Flairs sehr gut eingefangen. Die Vorort-Recherche zahlt sich aus: Überall sorgen windschiefe Bretterbuden, verwitterte Wassertanks und herrenlose Autowracks für eine glaubwürdige Endzeit-Kulisse. Auch die schroffe Landschaft kann mit ihren weitläufigen Plateaus, dem mageren Bewuchs und den tiefen Schluchten überzeugen. Vor allem, wenn Bisons grasen oder die rotglühende Sonne am Horizont versinkt.

Gute Story, schwache Dramaturgie

Leider plätschert die Story rund um den engagierten Rache-Engel zunächst so vor sich hin, während man fleißig seine Charaktere aufsteigen und sein Inventar anwachsen lässt. Hier eine Schießerei, da ein witziges Gespräch, oder eine bizarre Persönlichkeit. The Fall motiviert in den ersten Stunden nur deshalb, weil es so viel zu erforschen gibt bzw. zu plündern gibt. Bis zur Sichtung des Grabes gleich am Anfang wird man noch sehr schön auf das Abenteuer eingestimmt - danach geht es erstmal um Questroutine.

Und warum bleibt der Protagonist charakterlich so blass? Weil die Aktionen nicht in ein lebendiges Feedback-System integriert sind. In Star Wars: Knights of the Old Republic (KotOR) konntet ihr je nach Spielweise zwischen Gut und Böse, in Arcanum zwischen Technik und Magie, in The Elder Scrolls 3: Morrowind zwischen Gilden und in Gothic zwischen Lagern wählen. Hier gibt es jedoch keine moralischen oder politischen Fraktionen. Außerdem reagiert die KI der zahlreichen Dorfbewohner und Einsiedler weder auf eure Diebstähle noch auf eure Morde. Und weil selbst die eigenen Gruppenmitglieder nicht reagieren, kann man beliebig klauen und töten - ohne Konsequenzen. Warum muss das im Rollenspieljahr 2004 noch sein?

Abseits vom durchaus interessanten Entdeckeralltag fehlt zudem die erzählerische Dramaturgie. Erst, als man hinter einer Bruchbude eine 2,40 Meter große Leiche mit schlohweißem Haar und grauer Haut findet, schließt sich wieder der Kreis zum Intro. Jetzt wird die Neugier geweckt, denn auch die Mutter

Fleißiges Suchen lohnt sich: In Kisten, Tonnen und Zelten gibt`s oftmals Waffen und Ausrüstung.
des Kindes hatte weißes Haar und einen grauen Teint. Aber wieso braucht die Story fast ein halbes Dutzend Stunden, um endlich etwas wie Spannung auf- und etwas Rätselhaftes einzubauen? Und wieso wird diese Szene so belanglos dargestellt: es sei eben ein Mutant, der nachts herumschleicht. Warum gibt es hier keine Zwischensequenz?

Trotz all dieser offenen Wünsche hält einen die Erzählung ab dieser Entdeckung bei der Stange. Man fragt sich, mit wem der Präsident der Neuen Regierung in seinem Lager diskutiert. Man fragt sich, was es mit der Droge Z auf sich hat. Man fragt sich, wer eigentlich die Strippen im Hintergrund zieht. Und tatsächlich: Es gibt einige Überraschungen, die der Story die nötige Würze verpassen. Aber die hätte auch der Party-Interaktion gut getan.

        

Echte Party-Interaktion oder Willkür?

Erinnert ihr euch an Star Wars: Knights of the Old Republic ? Hier waren die lebendigen Gespräche eines der Highlights: Die Charaktere mischten sich ein, zickten und meckerten, je nachdem, wie man in bestimmten Situationen reagiert hat. So konnte man sich wunderbar mit den Figuren identifizieren.

Leider ist das Inventar schnell mit Waffen und Munition überfüllt. Letztere ist nicht stapelbar.
The Fall wirbt zwar auch mit "interagierenden Party-Mitgliedern", aber das ist leider maßlos übertrieben. Es kommt zwar vor, dass euer Auto-Fetischist in der Nähe von heißen Karossen lobend in Verzückung gerät oder dass sich eine Vegetarierin über Fleischkonsum aufregt.

Aber die Party-Mitglieder kommentieren erstens keine einzige wichtige Aktion eures Helden, wie z.B. das Stehlen, das Einschüchtern oder das Töten. Und zweitens werden viele Kommentare einfach nach Zufallsprinzip willkürlich abgegeben. Da sagt Vasquez einfach mal "Agnes, du brauchst einen, der es dir richtig besorgt." Agnes? Die war doch seit einer Stunde still. Hier wird man als Rollenspieler einfach enttäuscht, denn gerade das überzeugend inszenierte Leben in der Gruppe mit Rede und Gegenrede hätte für immense Motivation sorgen können.

Echtzeit oder Runde?

Messer, Machete, Desert Eagle, Axt, Pumpgun, Uzi, Granate, Kalashnikov, Molotov-Cocktail - es gibt Dutzende Waffen und jedes existierende Kaliber an Munition, aber die Kämpfe werden dieser Vielfalt nicht gerecht: sie sind zu eintönig. Dabei habt ihr die Möglichkeit, eure Männer schleichen, knien oder liegen zu lassen, und die Geschwindigkeit in Duellen so zu regeln, dass ihr bequem rundenbasiert oder in flotter Echtzeit spielen könnt. Und die automatische Pausierfunktion lässt sich ganz euren Wünschen anpassen - sehr schön.

Aber was nützt mir die Ruhe der taktischen Überlegung, wenn Taktik nicht nötig ist? Ich hatte nach sechs Spielstunden erst einen einzigen Toten zu verzeichnen, weil ich alle Kämpfe auf folgende Art und Weise gewonnen habe: Alle Mann legen sich hin, Gegner anvisieren, Feuer frei. Die Gegner gehen weder klug in Deckung noch machen sie Anstalten der Umzingelung oder fliehen, um sich neu zu gruppieren. Und da man viel zu schnell viel zu viele mächtige Schusswaffen findet, ist der Nahkampf

Diebe dürfen sich ohne Konsequenzen an Kisten austoben. Die Bewohner reagieren nicht.
vollkommen unwichtig. Wozu brauche ich dann noch einen Spezialisten für Faust & Axt? Vor allem, wenn er trotz deutlich schlechterer Werte in leichten Waffen besser mit der Uzi als mit dem Messer trifft?

Einfaches Schadenssytem

Dieses einfache Action-Schema verhindert zwar Frustmomente für Einsteiger, ist aber auf Dauer zu anspruchslos. In Spielen wie Neverwinter Nights und KotOR entsteht ja gerade deshalb Motivation in Kämpfen, weil ich mir genau überlegen muss, welche Waffe oder welcher Zauber jetzt gerade wirkungsvoll ist. Auch die Organisation meiner sechs Kämpfer krankt an der fehlenden freien  Überischtskamera: Das führt dazu, dass ich meine Gruppe nur sehr schlecht teilen kann, um von zwei Seiten anzugreifen. Die Kamera kann nie so weit raus, dass ich alle im Blick habe - sie wird immer auf einen Charakter fokussiert. Hinzu kommt, dass es trotz fast rundenbasierter Kämpfe kein echtes Schadens- oder Verletzungssystem gibt, das noch in Fallout für einen Hauch von Realismus sorgte. Die Verletzung von Körperteilen hätte den eintönigen Schuss-Gefechten noch eine prickelnde Note verliehen. Alle Wunden bleiben schnöde Hitpointverluste, die man hinterher einfach mit Wasser, Fleisch oder Heilpaketen aufstockt. Apropos Wassersuche: Eine wirklich passende Idee angesichts der wüstenähnlichen Landschaft. Aber warum kann ich selbst drei Tage campen, ohne dass ich durstig werde? Wozu brauche ich überhaupt das kostbare Nass? Warum wurde die Verpflegung nicht realistisch ins Spiel eingebunden?

          

 So hastet man viel zu bequem und sicher durch eine postapokalyptische Welt, die nie auch nur den Ansatz einer Bedrohung verströmt. Warum gibt es keine giftigen Winde? Warum beißt die Sonne nicht in die Haut? Warum brauche ich keine Schutzkleidung? Wo bleiben die Auswirkungen der Umweltkatastrophe? Nur das entfernte Donnergrollen und Pfeifen der Stürme lässt einen wenigstens akustisch erahnen, was das an Atmosphäre verschenkt wurde. Die Musikuntermalung von The Fall kann im Gegensatz zur Optik vollends überzeugen: Egal ob lieblicher Gesang, trügerisch fließende Melodien oder düstere Gitarrenklänge - das Ohr wird verwöhnt.

Minikarte & Wegfindung

Es ist zwar löblich, dass man die Minikarte nicht nur vergrößern und transparent einstellen, sondern auch besuchte Orte als Markierung finden und Marschbefehle über sie erteilen kann, aber in der

Wer seine Party aufteilen will, muss auf eine zentrale Kamera verzichten und hin- und her springen.
Realität flutscht die Wegfindung einfach nicht gut genug. Viel zu oft muss man seine an Bäumen, Felsen oder Wracks fest steckenden Figuren manuell befreien, damit sie ihr Ziel erreichen. Und wenn man seine Mannschaft auf diese Weise begleitet, wird man trotz Patch 1.5 die vielen offenen Baustellen entdecken - vor allem in engen Canyons. Und ganz übel wird es, wenn meine Diebin zum Öffnen einer Truhe aus dem Haus raus geht, um die Wand läuft, um dann von außen (!) das Schloss zu knacken.

Kombinieren von Items?

Die Fülle an Items lässt schon fast Adventure-Flair aufkommen: Da gibt es Klebeband, Gürtel, Toaster und Spritzen, da gibt es rote Scherben, Stahlrohre, Kopfhörer und Bilder.

Gerade diese Fülle hat mich zunächst fasziniert und der Welt von The Fall einen gehörigen Schuss Faszination eingeimpft. Aber im Laufe des Spiels habe ich all den Tand verflucht. Warum? Erstens wird das Inventar viel zu schnell damit überfüllt, da man den Platz für die zig Arten Munition und Nahrung braucht - und all das lässt sich nicht stapeln, was sehr ärgerlich ist. Zweitens machen Dinge nur Sinn, wenn man sie abseits des Sammelns auch benutzen kann. Und hier hat das Handbuch Kombinationen versprochen, die ich im Spielalltag entweder nicht brauchte oder nicht finden konnte. Wieso hilft mir ein Technik-Freak nicht bei Kombinationen mit Hinweisen? Wieso bietet kein NSC kreative Ideen an? Auch hier hätte die Party-Interaktion konsequenter und lebendiger ins Spiel integriert werden können.

Abwechslung ist Trumpf

Trotzdem kann The Fall unterhalten - wenn auch nur auf durchschnittlichem Niveau. Vor allem, aufgrund der abwechslungsreichen Quests und jeder Menge gescripteter Ereignisse. Von freier Erkundung ist zwar nichts zu spüren, da euch das Tagebuch an der engen Questleine hält und höchstens mal ein paar Nebenaufträge einschmeißt, aber das Aufgabenspektrum ist vielfältig: Abgesehen von einfachen Hol- und Bringdiensten müsst ihr Wölfe verscheuchen, Geiseln befreien, Mädchen finden oder Waffenlager sprengen. Hinzu kommen exotische Jobs wie das Vermessen der Landschaft, das Abhören eines Codeworts mit Hilfe einer Prostituierten, die Image-Politur eines hässlichen Arbeiters samt Frisur und Neueinkleidung oder die Überwindung eines Minengürtels per Kuhopferung.

Die Minikarte notiert besuchte Orte, lässt sich transparent schalten und nimmt Marschbefehle an.
Aber auch wenn das alles bei Laune hält, lassen euch die Quests zu wenig Freiheit. Sie sind streng linear angelegt und es gibt meist nur einen Lösungsweg. Das ist schade, denn so wird man zum reinen Botenjungen degradiert, der für das Erreichen von Ziel A erst mal zu Unterziel B, dann zu C und zu D geschickt wird. Das sieht so aus: Ich soll ein Waffenlager sprengen, brauche dafür aber C4, kriege das nur von einem Sprengmeister im anderen Dorf, der wiederum will, dass ich für ihn einen Bison und einen Bergtiger jage, der erscheint jedoch nur gegen Mitternacht auf einen bestimmten Berg...

Diese Kette wird erzählerisch teilweise hanebüchen verknüpft und man hätte sie durchbrechen müssen, indem man dem Spieler eigene Lösungsmöglichkeiten einräumt. Immerhin können Charaktere mit hohem Charisma einige NSCs davon überzeugen, dass man vielleicht nur ein Item suchen muss. Dann braucht man nur den Bergtiger, nicht noch den Bison erlegen.   

Fazit

Schade, schade und nochmals schade - da war mehr drin! Das Team von Silver Style Entertainment lässt an einigen Stellen aufblitzen, dass sie etwas von knackigen Abenteuern und Endzeitstimmung verstehen: die Quests sind abwechslungsreich, die Charaktere bizarr, die Talentkarriere ist motivierend und die raue Luft riecht nach Leder und Mad Max. Aber meine hohen Erwartungen an den postapokalyptischen Rachefeldzug wurden nicht erfüllt. Enttäuschungen zeigten sich sowohl auf technischer, spielerischer als auch erzählerischer Ebene. Die Kulisse kann trotz ansehnlicher Architektur nicht begeistern, die Figuren wirken zu holzschnittartig, es gibt weder Mimik noch gute Animationen sowie viel zu viele ärgerliche Wegfindungs- und Grafikfehler. Warum muss die Diebin trotz Patch 1.5 immer noch aus einem Haus laufen, um dann durch eine Wand zur Kiste zu greifen? Hinzu kommt, dass es der Story trotz einiger Überraschungen an Tempo und dramaturgischer Würze, der Spielwelt an glaubwürdigen Reaktionen fehlt - Diebstahl und Mord sind egal. Zur Ernüchterung trägt auch die oberflächliche Party-Interaktion bei, die mit Zufallskommentaren statt dynamischer Reaktion enttäuscht. Auch die Kämpfe lassen taktisch sowie organisatorisch zu wünschen übrig und werden vor allem den Schleich- und Nahkampf-Fähigkeiten der Charaktere nicht gerecht. Selbst überzeugten Rollenspielern kann ich The Fall daher nur eingeschränkt empfehlen. Silver Style muss sich fragen lassen, warum dieser interessante Titel so früh, so unreif veröffentlicht wurde.

Pro

viele Waffen
schönes Intro
sehr gute Musik
sehr viele Items
Fahrzeuge nutzbar
interaktive Minikarte
Tag- & Nachtwechsel
komplexe Pausierfunktion
Tiere jagen, Wasser finden
bizarre Figuren & Dialoge
gute Charakterentwicklung
glaubwürdige Endzeitkulisse
einige witzige Partykommentare
sehr abwechslungsreiche Quests
Kleidungsänderung wird dargestellt
stimmungsvolle Architektur & Landschaft
Kämpfe von Echtzeit bis Runde regelbar

Kontra

sehr lineare Quests
schlechte Wegfindung
hölzerne Animationen
Kämpfe ohne viel Taktik
Gegner-KI ohne Finesse 
Inventar zu schnell überfüllt
viele Grafik
& Clippingfehler
seltsam hallende Sprachausgabe
keine Windbewegungen
keine Mimik, puppenhafte Gestik
kein Gefühl der Endzeit-Bedrohung
keine überzeugende Party-Interaktion
lange Ladezeiten beim Gebietswechsel
Story fehlt es an dramaturgischem Pfeffer
Wassersuche spielerisch sinnlos
keine zentrale Übersichtskamera

Wertung

PC

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