Super Lucky's Tale07.11.2017, Jan Wöbbeking

Im Test: Zweiter Anlauf

Entwickler Playful pflegt seine Vorliebe für neue Systeme: Ein Jahr nach dem Oculus-Rift-Starttitel Lucky's Tale bekommt der gut gelaunte Fuchs schon ein zweites Hüpfabenteuer - pünktlich zum Start der Xbox One X und inklusive 4k-Unterstützung.

Nach wie vor herzallerliebst!

Vielleicht wollte Playful möglichst früh nachlegen, um den hinter den Erwartungen gebliebenen Start der Oculus Rift auszugleichen – und zog sich deshalb den Exklusiv-Deal mit Microsoft an Land. Super Lucky’s Tale erscheint nach momentanem Stand ausschließlich für die Xbox-One-Familie und Windows-10-PCs, inklusive der Crossplay- und Crossbuy-Unterstützung „Play Anywhere“. Verdient hat Lucky seine Fortsetzung allemal: Es gibt schließlich kaum einen Jump-n-Run-Helden, der derart liebenswert die vierte Wand zum Zuschauer durchbricht. Untersuchte man im „Vorgänger“ die Umgebung per Kopftracking nach versteckten Nischen, richtete der aufmerksame Lucky immer wieder seinen treuen Hundeblick (oder Fuchsblick) in Richtung Spieler. Auf der Mattscheibe lässt sich der Effekt natürlich nur bedingt imitieren. Schön, dass die Entwickler ihn trotzdem zumindest ansatzweise eingebaut haben, z.B. bei Warte-Animationen.

Im Vergleich zum VR-Vorgänger ist durchaus ein Sprung beim Detailgrad sichtbar - trotzdem wäre grafisch deutlich mehr drin gewesen.
Nach dem sehr kurzen und eher linearen Vorgänger verschlägt es den Helden diesmal in eine kleine offene Welt: Seine Schwester bringt ein legendäres Buch von ihren Abenteuerreisen nach Hause, das  gleich wieder von der hinterlistigen „Katzenbande“ stibitzt wird. Beim Gerangel rettet Lucky seine Schwester und wird zusammen mit den Übeltätern in das Buch gesogen, wo die Katzenbande nun die Bewohner der magischen Welten terrorisiert. Lucky muss den flauschigen Widersachern also noch einmal das Handwerk legen, um in die reale Welt zurück zu gelangen und reist dabei durch Areale wie ein Wolkenschloss, eine Agrarwelt voller Bauernhöfe und Sprungkissen-Schweinchen sowie eine Wüste mit Treibsand und Lavamonstern.

Mehr Pixel und weniger Grind?

Wie im ersten Spiel handelt es sich um einen Mix aus überschaubaren 3D-Arealen und eingestreuten 2D-Passagen. Die Kamera lässt sich meist nur in zwei vorgegebenen Schritten ein wenig zur Seite bewegen, was aber schön aufs Spieldesign abgestimmt wurde. Wenn man auf einer schmalen Rasenfläche über Feuerbälle hopst, unter rotierenden Absperrgittern hindurch buddelt und sich langsam von links nach rechts tastet, weckt das Erinnerungen ans beschauliche Spielgefühl von Super Mario 3D World. Die Levels sind hier zwar nicht so ausgefeilt wie bei Nintendo, bieten aber vor allem zu Beginn einen schönen Spielfluss und eine motivierende Herausforderung. Leider zieht der Schwierigkeitsgrad im Laufe des Spiels nicht genug an. Hat man erst einmal Luckys ordentlich umgesetztes Sprungverhalten und die Attacken von Gegnern wie Bienen oder fleischfressenden Pflanzen verinnerlicht, wird es nur noch selten knifflig – z.B., wenn man sich auf mit Riesenrädern voller Kreissägen nach oben arbeitet.

Vom Steingiganten bis zum Traktor-Mech: Die Bewohner und Bosse können sich sehen lassen.
Zudem wirkt Luckys Repertoire an Fähigkeiten ziemlich spartanisch, vor allem im Vergleich zu Marios Unmengen an neuen Verwandlungen. Die vorhandenen Tricks passen aber immerhin gut ins Abenteuer: Immer wieder gräbt man sich auf der Jagd nach bunten Münzen durch weiche Erde, um danach mit dem passenden Timing wieder aufzutauchen, einen Doppelsprung zu nächsten Plattform zu starten und wieder abzutauchen – ein angenehmer Rhythmus. Für Abwechslung sorgen die je vier möglichen Aufgaben pro Level. Mal gelangt man durch den klassischen Abschluss des Levels an ein Kleeblatt, anderswo findet man auch mal einen Geheimabschnitt mit einem versteckten Exemplar. Die vierblättrigen Artefakte schalten ähnlich wie Marios Monde den Zugang zu neuen Levels und Welten frei. Zum Ende hin muss man auch hier alte Levels ziemlich oft abklappern, die neue Lösung wirkt aber um einiges angenehmer und abwechslungsreicher als der Zwang zu Speedruns oder Sammelmarathons im Vorgänger. Im aktuellen Spiel darf man zur Abwechslung auch mal ein paar Schieberätsel oder Murmelparcours lösen, deren Schwierigkeitsgrad allerdings zu niedrig angesetzt wurde.

Ein technischer Sprung?

Die technische Umsetzung wirkt diesmal ebenfalls deutlich geschliffener: Die Kameraprobleme wurden ausgemerzt und von kleinen Macken abgesehen (Lucky ist einmal z.B. in ein hermetisch abgeschlossenes Dachgeschoss geflutscht) läuft alles ziemlich rund und sauber. Die Gegner und Bewohner wie die putzig brabbelnden Hillbilly-Würmchen wurden schön animiert. Technisch wäre aber viel mehr drin gewesen: Die großflächigen Polygone wirken oft recht karg, zumal sich die Themenwelten optisch nicht so stark unterscheiden wie etwa in Super Mario Odyssey oder Yooka-Laylee. Auf dem PC oder der Xbox One X  bewegt sich die Welt mit flüssigen 60 Frames oder höher über den Schirm - mit entsprechender Ausstattung auch in voller 4k-Auflösung.

Keine knifflige Bullethell, aber spaßig: Manche Gegner decken Lucky mit Feuerball-Mustern ein.
Besitzer der „alten“ Xbox müssen allerdings mit nur 30 Frames pro Sekunde und kleinen Grafikmacken leben: Immer wieder mal bekommt man pixelige Texturen oder Schattenkanten zu Gesicht. Offenbar skaliert die Engine einzelne Bildinhalte dynamisch herunter, so dass sie je nach Auslastung des Grafikchips mehr oder weniger hübsch aussehen. Spielerisch bekommen Besitzer der Standard-Konsole aber das gleiche Produkt - inklusive einer angenehm albernen Musikbegleitung. In der Farmwelt z.B. toben sich die Musiker auf diesen kleinen, mit Papier bespannten Tröten aus, die es auf Jahrmärkten zu kaufen gibt – ein prima Mittel, um Call-of-Duty-Spieler nebenan in den Wahnsinn zu treiben!

Fazit

Nach Super Mario Odyssey wirkt natürlich jeder andere 3D-Plattformer ein wenig blass – so auch Super Lucky's Tale, das mit seinem kargen Repertoire an Fähigkeiten viel weniger Abwechslung bietet. Im Rahmen seines überschaubaren Konzepts entfaltet der 3D-Plattformer mit eingestreuten Horizontal-Abschnitten trotzdem einen gewissen Charme, der Erinnerungen an Super Mario 3D World weckt. Mit seinem zweiten Jump-n-Run macht Playful deutlich mehr richtig als im Vorgänger für Oculus Rift: Das Freischalten der Welten erfordert nicht mehr so viel nervige Fleißarbeit und auch die Kameraprobleme gehören der Vergangenheit an. Im Gegenzug lässt sich zwar die Position der Plattformen nicht mehr ganz so gut abschätzen, da man nicht mehr persönlich mit dem Kopf um die Ecken eines Dioramas blicken kann. Doch das nehme ich gerne in Kauf, da diesmal deutlich mehr Umfang und Abwechslung geboten werden. Beim Detailgrad der Kulissen hätten sich die Entwickler allerdings ruhig etwas mehr ins Zeug legen sollen, gerade bei einem Starttitel für die Xbox One X. Zusammengefasst also ein durchaus gelungener klassischer 3D-Plattformer in überschaubaren Arealen, dem es für eine gute Wertung aber an Eigenständigkeit und Anspruch mangelt.

Pro

putziges Figuren-Design
gelungener klassischer Mix aus 3D- und 2D-Parcours
unterhaltsam eingebaute Höhlen und idyllische Inselnischen
herzallerliebste Animationen und Rückmeldungen von Lucky
motivierend alberne Musik

Kontra

nur wenige Fähigkeiten
Schwierigkeitsgrad im späteren Spielverlauf etwas zu leicht
fade Puzzle-Minispiele und Murmelkurse
Hintergründe etwas karg und austauschbar
belanglose Geschichte

Wertung

PC

Charmanter klassischer Hüpfmix, dem es auf Dauer aber etwas an Anspruch und Abwechslung mangelt.

XboxOne

Charmant-klassischer Hüpfmix, dem es auf Dauer aber etwas an Anspruch und Abwechslung mangelt.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.