Im Test: Kerker-Trip mit Steampunk-Flair
Stahlzinnen auf hoher See
Doch kaum habe ich mir einen schützenden Exo-Rig-Anzug meiner Wahl übergezogen sowie eine Brechstange und Pistole gefunden, werde ich auch schon angegriffen. Eine Art dampfbetriebene Wächterdrohne hat mich wohl als unerwünschten Eindringling identifiziert. Nach ein paar gezielten Ausweichschritten und Gegenangriffen ist sie zwar Geschichte, meine Suche nach Antworten hat aber gerade erst begonnen.
Allem Anschein nach verbindet mich nämlich etwas mit diesem Turm, der eine Art verwaiste, aber noch intakte Hochsee-Forschungsstation zu sein scheint. War ich schon einmal hier? Und wenn ja, warum? Und wo sind all die Wissenschaftler und Techniker, deren beunruhigende Sprach- und Textaufzeichnungen ich hier überall finde?
BioShock trifft auf Grimrock
Das düstere Steampunk-Setting erinnert an BioShock, das spielerische Grundgerüst an Legend of Grimrock. Nur dass man nicht als bis zu vierköpfige Gruppe, sondern durchgehend allein unterwegs ist. Offene Außenareale sucht man ebenfalls vergebens. Man stapft Schritt für Schritt durch verwinkelte Korridore, sammelt Hinweise oder Ausrüstung und stellt sich den Schrecken, die da lauern - von schnaubenden Drohnen mit Säge-, Schuss- und Laseraufsätzen über automatische Selbstschussanalgen und Feuerfallen bis hin zu Amok laufenden Stahlgiganten.
Das vorwiegend mechanische Gegnerdesign ist den Entwicklern sehr gut gelungen - viele Widersacher sind schon von Weitem an ihren Geräuschen und Beleuchtungen erkennbar. Zudem beherrschen viele von ihnen gefährliche Rundum-Attacken oder Flächenangriffe, mit denen sie den Boden vorübergehend unter Storm oder in Brand setzen können. Dadurch kann man ihnen nicht so einfach durch klassisches Dauerumkreisen den Garaus machen, sondern muss individuelle Verhaltensmuster erkennen und rechtzeitig reagieren.
Wahl der Waffen
Das Waffenarsenal reicht von stumpfen Schlagwaffen, die sich vor allem gegen metallische Gegner eignen, über scharfe Klingenwaffen gegen organische Widersacher bis hin zu Schusswaffen, die alle auf die gleiche Munition setzen, aber unterschiedlich viel davon verbrauchen. Auch bezüglich Reichweite und Streuwirkungen gibt es Unterschiede. Zudem gibt es wie bei den Nahkampfwaffen Exemplare für beid- und einhändigen Gebrauch.
Dual-Wield-Fans dürfen Einhandwaffen jeglicher Art auch in Kombination einsetzen - in der Regel allerdings zu Lasten der Zielgenauigkeit.
Unterstützung nach Maß
Gadgets können in bis zu vier freischaltbare Steckplätze installiert, beliebig gewechselt und mithilfe sich langsam regenerierender Stromreserven aktiviert werden. So lassen sich Säure-, Feuer- und Elektroangriffe initiieren, Schutzmechanismen auslösen oder Reparaturen auf Kosten gegnerischer Lebensenergie vornehmen. Ansonsten muss man nämlich auf die nur begrenzt vorhandenen Reparatur-Kits zurückgreifen, um das eigene Überleben zu sichern. Denn bei vollständigem Energieverlust heißt es "Game Over".
Ansonsten kann man aber immer und überall den Fortschritt sichern sowie automatisch eine Karte mitzeichnen lassen und mit manuellen Notizen ergänzen - nur Stockwerkswechsel sind in der Kartenansicht trotz etagenübergreifender Aufgaben leider nicht möglich. Auch sonst gibt es verschiedene Möglichkeiten, das Spielerlebnis oder den Schwierigkeitsgrad individuell anzupassen. Letzterer bietet insgesamt fünf Stufen und lässt sich selbst während des Spiels beliebig ändern, wenn man gerade keine stufenrelevanten Erfolge jagt. Kurz vor der Implementierung, aber noch nicht aktivierbar sind hingegen deutsche Bildschirmtexte.
Atmosphärisches Grübeln
Aktuell ist Vaporum daher nur komplett auf Englisch spielbar, wobei die Vertonung wirklich top ist - von den stimmungsvollen Kommentaren und Monologen des sich langsam erinnernden Protagonisten bis hin zu den knarzigen Sprachmemos auf Schallplatten. Ansonsten ist die Soundkulisse eher zurückhaltend, aber eindringlich und je nach Situation beruhigend oder aufreibend.
Auch dass man zwar jederzeit auf Knopfdruck zwischen zwei Waffensets wechseln, aber keine identischen Utensilien wie Schilde oder unterschiedliche Rüstungsteile bzw. Gadgets festlegen kann, ist schade. Ein echtes Highlight sind hingegen die Rätseleinlagen. Zwar setzt man vorwiegend auf vertraute Mechanismen wie Falltüren, Druckplatten, Teleporter, Spiegel sowie Schalter-, Wurf- und Schieberätsel. Trotzdem kommt man teils angenehm ins Grübeln und muss genau hinschauen, um weiterzukommen oder versteckte Geheimbereiche mit lukrativer Beute zu entdecken. Das Niveau eines Legend of Grimrock wird zwar nicht ganz erreicht, die grauen Zellen werden aber insgesamt gut auf Trab gehalten.
Fazit
Fans klassischer schrittbasierter Dungeon-Crawler wie Dungeon Master, Eye of the Beholder oder Black Crypt, die schon Legend of Grimrock 1 und 2 verschlungen hatten, werden auch Vaporum lieben - vor allem, wenn sie auf beklemmende Steampunk-Settings à la BioShock stehen. So sucht man in den stählernen Korridoren einer mysteriösen Hochsee-Forschungsstation nicht nur nach Hinweisen auf das, was dort schief gelaufen ist, sondern auch nach der eigenen Vergangenheit, die dort irgendwo begraben scheint. Gegner- und Leveldesign sind ungemein stimmungsvoll, Grafik und Soundkulisse atmosphärisch düster, das Lösen von Rätseln und Suchen nach Geheimnissen mitunter herrlich knackig, das individuelle Modifizieren der anfangs gewählten Exo-Rig-Rüstung äußerst motivierend. Zudem lassen sich Spielerfahrung und Schwierigkeitsgrad dank Elite-Modus, Oldschool-Modus und Co. facettenreich anpassen. Da verzeiht man auch, dass Kartenfunktion, Bewegungsrepertoire und Ausrüstungswechsel noch Optimierungspotential haben und die deutsche Lokalisierung erst noch nachgereicht wird. Die englischen Sprecher sind aber schon jetzt klasse und für knapp 20 Euro wurde ich über 16 Stunden lang sehr gut unterhalten.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Stimmungsvoller Steampunk-Dungeon-Crawler zwischen Legend of Grimrock und BioShock.
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