Im Test: Cocktails mit Seele
Wie im Kunstunterricht
Schon in der Grundschule habe ich den Kunstunterricht immer gehasst! Ob Malen, Zeichnen, Basteln, Nähen oder Töpfern: Ich war in jeder dieser Disziplinen komplett talentfrei und konnte mich entsprechend niemals für dieses Fach begeistern. Und jetzt sitze ich hier vor dem Monitor und soll als Android Akara-184 durch feinfühlige Bewegungen mit der Maus und einer Auswahl an Werkzeugen Hightech-Implantate formen, mit denen Kunden ihr Selbstbewusstsein, ihre Potenz oder ihr Verhandlungsgeschick steigern können. Ihr habt nicht genügend Follower in den sozialen Netzwerken? Gönnt euch ein Implantat! Die vielen Hasskommentare setzen euch zu? Dann filtert die seelische Belastung einfach durch ein Implantat aus eurem Leben!
Spielerisch mau
Das Implantate-Töpfern ist nur eines von drei Spielelementen abseits der Multiple-Choice-Dialoge. Leider sind die beiden anderen auch nicht viel besser: Das Mischen von Cocktails, mit denen man durch den richtigen Anteil von Bourbon, Rum, Tequila, Wodka sowie anderen Zutaten gezielt die Emotionen seiner Gäste anspricht und beeinflusst, ist auf jeden Fall eine coole Idee. Doch die Umsetzung leidet ebenfalls an der gewöhnungsbedürftigen Steuerung und der Redundanz der Mechanik. Auch wenn sich später noch ein Shaker sowie weitere Elemente für die richtige Mischung hinzugesellen, habe ich schnell die Lust an der Arbeit als virtueller Barkeeper verloren.
Rebellion gegen die Macht der Konzerne
Während man auf spielerischer Ebene versagt, glänzt The Red Strings Club (ab 14,99€ bei kaufen) in den Bereichen Story, Handlung und Figuren. Auch wenn die typischen Cyberpunk-Klischees von bösen Konzernen, der Menschlichkeit von Androiden und den Gefahren künstlicher Implantate wie auf einer Liste abgehakt werden, regen die gut geschriebenen Dialoge und glaubwürdigen Figuren zum Nachdenken an. Mitunter wird man aber auch regelrecht dazu genötigt, sich eine Meinung zu bilden und Standpunkte einzunehmen. Dabei wird man aber auch häufig feststellen, dass es gar nicht immer so einfach ist, sich in den Dialogoptionen für eine Antwort zu entscheiden, da es nicht selten zwei Seiten einer Medaille gibt. Und manchmal weist einen das Drehbuch sogar auf amüsante Weise zurecht: Zweifelt man an einer Stelle z.B. an, dass Frauen in der heutigen Gesellschaft nicht länger unterdrückt werden und die Gleichberechtigung beider Geschlechter mittlerweile die Norm darstellt, bekommt man erst einmal eine kleine Standpauke vom Androiden und im Story-Strang wird ein „Ankara hält Sie für dumm“ vermerkt – herrlich! Bei manchen Auswirkungen der Implantate oder Gesprächen über austauschbare Penis-Modelle kann man sich ein Schmunzeln ebenfalls nicht verkneifen.
Prächtige Pixel-Kulisse
Fazit
The Red Strings Club serviert seine stärksten sowie qualitativ hochwertigsten Cocktails im Bereich Story und Figuren: Obwohl so ziemlich jedes Cyberpunk-Klischee von mächtigen Konzernen über menschelnde Androiden bis hin zu den gesellschaftlichen Auswirkungen von Implantaten abgearbeitet wird, regen die Themen vor allem Dank gut geschriebener Dialoge und dem Treffen schwieriger Entscheidungen zum Nachdenken an. Welchen Preis ist man bereit zu zahlen, um glücklich zu sein? Nimmt man den Leuten durch die künstliche Unterdrückung von Emotionen ihre Menschlichkeit oder würden solche Maßnahmen zu einer besseren Welt führen? Tatsächlich lassen sich bereits viele der aufgegriffenen Themen auf die heutige Zeit übertragen, wenn etwa der Einfluss von Marketing oder das Kleingedruckte von AGBs zur Debatte stehen. Doch so gerne man mit den Gästen plaudert und neben den Dialogen das ansprechende Pixel-Ambiente der Bar genießt: In spielerischer Hinsicht ist The Red Strings Club eine herbe Enttäuschung! Sowohl das „Töpfern“ von Implantaten als auch das Mixen der Cocktails leidet unter der fummeligen Steuerung sowie Redundanz, während das ständige Telefonieren am Ende ebenfalls an den Nerven zehrt. Daher empfindet man die Interaktionen abseits der Dialoge eher als überflüssigen Störfaktor, der den positiven Gesamteindruck spürbar schmälert. Wer aber Lust auf eine gute Geschichte in einem Cyberpunk-Szenario hat, sich gerne auf interessante Gespräche einlässt und über spielerische Mängel oder die sehr wenigen Schauplätze hinwegsehen kann, sollte dem Red Strings Clubs einen Besuch abstatten. Wie man hört, mixt der Barkeeper dort die besten Cocktails, die nicht nur die Geschmacksnerven, sondern auch die Emotionen zum Sprudeln bringen...
Pro
Kontra
Wertung
PC
The Red Strings Club greift interessante Themen und Fragestellungen auf, enttäuscht aber in spielerischer Hinsicht.
Echtgeldtransaktionen
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- Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
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