Warhammer 40.000: Gladius - Relics of War11.07.2018, Jörg Luibl
Warhammer 40.000: Gladius - Relics of War

Im Test: Alles vernichten!

Games Workshop feuert mit seiner Lizenz aus allen Rohren. Erst kürzlich haben wir den Shooter Warhammer: Vermintide 2 sowie die Diablo-Alternative Warhammer 40.000: Inquisitor - Martyr besprochen. Und nach Warhammer 40.000: Armageddon sowie Warhammer 40.000: Sanctus Reach hat alleine der britische Publisher Slitherine sein drittes (!) hauseigenes Projekt veröffentlicht: Warhammer 40.000: Gladius - Relics of War (ab 6,89€ bei GP_logo_black_rgb kaufen). Entwickelt wird die 4X-Strategie von den deutschen Proxy Studios aus Erlangen, die bereits für Pandora: First Contact verantwortlich zeichneten. Ob die rundenbasierte Eroberung für knapp 35 Euro unterhalten kann, klärt der Test.

Lebensfeindlicher Planet

Kaum errichtet man mit seinen Space Marines seine Stadt und erkundet das zufällig erstellte Hexfeldgelände, geht es zur Sache: Sehr schnell kann man feindlichen Aliens begegnen, die jeden Eindringling attackieren. Zwar sind das zunächst noch recht harmlose hundeartige Meuten, aber schon bald hat man es mit riesigen Skorpionen, schwebenden Gehirnzerfleischern oder gepanzerten Roboterkolossen zu tun. Nicht nur diese neutralen Bewohner sind aggressiv, auch die Planetenoberfläche ist an bestimmten Stellen lebensfeindlich, denn manche Pflanzen verströmen Gift. Willkommen auf Gladius Prime!

Zu Beginn besetzt die eigene Stadt nur ein Hexfeld, aber man kann sie erweitern.
Im Gegensatz zum eher beschaulichen Start klassischer 4X-Strategie wie etwa Civilization 6 oder Endless Space 2, in der man es in den ersten Runden nur ab und zu mal mit Räubern oder Piraten zu tun hat, geht es in diesem Warhammer 40.000: Gladius - Relics of War sofort um Kampf und Eroberung - es ist eher vergleichbar mit einem Battle Worlds: Kronos, nur dass es hier noch knackiger in die Gefechte geht. Zwar kann man in seiner Basis auch zig Gebäude errichten, darunter neben Kasernen etc. auch welche zur Produktion der vier wichtigen Rohstoffe (Erz/Bedarfsgüter, Energie, Forschung, Einfluss), aber diese Infrastruktur braucht Zeit - viel schneller geht es in den ersten Runden über Kriegsbeute. Und auf die hat es nicht nur die eigene Fraktion abgesehen, sondern drei weitere.

Zu Beginn kann man zwischen den feuerkräftigen, aber auf eine Stadt beschränkten Space Marines mit ihren Spezialeinheiten,

Hurra, endlich darf der eigene Kampfroboter losziehen!
den im Nahkampf starken sowie schnell expandierenden Orks, dem auf Fernkampf und imperiale Verteidigungsanlagen fokussierten Astra Militarum sowie den Nekrons wählen. Vor allem Letztere sorgen als insektoide Cyborgs mit ihren mobilen Städten auf Grüften, coolen Lasern, winzigen Schwärmen und Teleports für frischen Wind in dem zwar üppig besetzten, aber weitgehend konservativen Arsenal. Auch weil die Soundeffekte so gut gelungen sind, macht es z.B. einen Heidenspaß die wendigen Tomb Blades mit ihren Sklavenpiloten über das Schlachtfeld zu jagen. Schade ist jedoch, dass es keine Sprachausgabe, sondern nur kursive Texteinblendungen für die witzigen Sprüche der Orks gibt und die deutsche Übersetzung der Texte noch so einige Lücken aufweist. Immerhin ist das Kompendium prall gefüllt mit Hintergrundinfos und auch die Einblendung von neu entdeckten Feinden etc. ist mit einem kleinen Steckbrief samt Beschreibung gelungen.

Eroberung ist Trumpf

Zurück in den Kampf, der die Offensive belohnt: Überall locken neutrale Rohstofflager, die die eigene Produktion sofort stärken. Hinzu kommen die namengebenden Relikte, die in der Landschaft schweben und allen Truppen permamente Boni wie z.B. mehr Treffer-, Bewegungspunkte, weitere Sicht oder gar eine Heilrate spendieren. Die Crux ist allerdings, dass man sie sofort wieder verlieren kann, wenn man sie nicht schützt. Und Vorsicht: Wer zu früh sowie zu weit expandiert, wird seine wenigen Truppen schnell aufreiben. Zumal sich die neutrale Feind-KI nach Beschuss auch mal im Nebel des Krieges verschwindet, ungeschützte Lager zurückerobert und auch die Hauptstadt bedroht. Es gilt vor allem in den ersten Runden eine gute Balance aus Defensive und Offensive zu finden. So wird man von Beginn an militärisch beschäftigt, obwohl man die anderen Fraktionen noch nicht einmal entdeckt hat.

Die Benutzeroberfläche zeigt sehr anschaulich Bewegungsradien sowie mögliche Ziele auf den zufallsgenerierten Karten.
Das bedeutet, dass man möglichst die Macht der Überzahl einsetzt, Feinde in Geschütztürme oder auf Giftfläcne lockt und die vier Rohstoffe  in die Produktion schlagkräftiger Einheiten investiert, wozu man meist spezielle Gebäude benötigt. Nur darf man hier nicht zu schnell Aufträge erteilen, denn sonst hat man zu wenig Energie oder das Bevölkerungslimit wird erreicht - beides sollte man im Auge behalten. Das Management der eigenen Basis wirkt zunächst etwas undurchsichtig, aber hat man sich einmal daran gewöhnt, ist es recht einfach zu leiten - und sobald man mit genug Gebäuden auch parallele Produktionen von Truppen, Helden und z.B. Terraforming in Auftrag geben kann, läuft die Kriegsindustrie auf Hochtouren.  Die Forschung ist in zehn Stufen unterteilt, wobei jede Stufe eine Hand voll Entwicklungen anbietet - man kann also Prioritäten setzen, ob man z.B. lieber zuerst die neuen Marines, Aufklärer, Helden oder Granaten erforscht. Trotzdem schreitet sie ohne strategische Schwerpunkte linear voran.

Taktik im Gelände

Man fühlt sich jedenfalls mehr wie in einem Battle Isle als in einer klassischen globalen Strategie, weil Diplomatie gar nicht vorhanden, Forschung eher linear und die Wirtschaft ab einem bestimmten Punkt fast nebenbei läuft - von alternativen Spielzielen über andere Strategien ganz zu schweigen. Aber diese Beschränkung auf die Vernichtung passt natürlich zu diesem Warhammer-Szenario, in dem konkurrierende Mächte um einen Planeten kämpfen. Es geht also vor allem um die Taktik im Gelände, die durchaus gut unterhält: Im Wald ist man getarnt, in Ruinen vor Beschuss sicherer, die Reichweite wird vom Terrain beeinflusst und Höhenunterschiede spielen eine Rolle, allerdings nur in zwei Stufen. Auch ohne echte Gebirge gibt es so einige Engpässe, denn nicht alle Truppen können Abhänge überwinden oder über Wasser gleiten, so dass die Routenplanung wichtig ist. Interessant ist, dass der Angreifer nach einem Sieg nicht wie sonst oft üblich das Hexfeld des Besiegten besetzt . Sehr schön ist auch, dass sich die Moral in zwei Stufen auf die Feuerkraft auswirkt: Zerrüttete Feinde sind weniger schlagfertig; schade ist, dass diese nicht noch spürbarer wird, was z.B. die heillose Flucht betrifft. Was mir auf Dauer fehlte, waren noch mehr territoriale Überraschungen mit Auswirkungen sowie mehr negative Effekte im Gelände - an das bisschen Gift hat man sich zu schnell gewöhnt. Der Planet hätte noch wesentlich markanter hinsichtlich seines Klimas inszeniert werden können.

Neben Bodentruppen kommen auch Panzer, Mechs, Hubschrauber und schwere Artillerie zum Einsatz.
Vor allem die Aufklärer werden aufgrund ihrer Reichweite immer wichtiger, hinzu kommen schwere Panzer, Mechs sowie Artillerie. Und sie alle gewinnen in mehreren Stufen an Erfahrung - übrigens nicht nur der Todesschütze, sondern alle an einem Kampf beteiligten Truppen; das ist eine gute Idee. Trotzdem gehen diese Veteranen ein wenig unter, denn die wichtigste und stärkste Einheit ist der Held, der sowohl Erfahrung gewinnt als auch mehrere Gegenstände für weitere Boni oder Spezialattacken anlegen kann. Jede Fraktion verfügt über drei Typen wie etwa "Unterstützer", wobei der "Nahkämpfer", z.B. der Captain der Space Marines, selbst gegen Städte und Bastionen die ultimative Waffe ist, was die schwere Artillerie sowie alle anderen Geländetaktiken auf lange Sicht entwertet. Auch wenn diese legendären Einzelgänger natürlich zum Warhammer-Universum gehören, hat man es mit ihrer Schlagkraft ein wenig übertrieben.

Schwache KI und Kampagnenflair

Das Problem gegen die KI auf dem mittleren der sieben Schwierigkeitsgrade ist, dass sie lediglich zu Beginn fordert - und da geht es eher um die neutralen Mächte. Aber ab dem Zeitpunkt, ab dem man den oder die eigenen Helden einigermaßen aufgerüstet hat, kann man mit ein wenig Begleitschutz quasi durchmarschieren - er verliert selbst im Beschuss von Panzern, Mechs oder Artillerie kaum an Leben und kann quasi auf Städte zu gehen, um sie im "Nahkampf" zu schleifen. Die KI der anderen Fraktionen war

Besonders mächtig werden die Helden wie etwa der "Captain" der Space Marines.
jedenfalls nicht in der Lage mit dem eigenen Helden zu kontern und verhielt sich auch hinsichtlich der Rückeroberung sowie Sicherung von Lagern sowie Relikten im Vorfeld viel zu passiv - hier hatte ich zu selten das Gefühl, dass sie umzingeln, Gelände sichern und einen Angriff planen. Eine Gefahr bestand lediglich, wenn man sich einen Zwei- oder Drei-Fronten-Krieg erlaubte und so einfach in Unterzahl geriet. Da hilft nur eines: Schwierigkeitsgrad weiter in den sieben Stufen hoch oder im Multiplayer spielen. Es gibt eine Lobby für öffentliche und private Online-Gefechte inkl. Freundeseinladung bzw. direkte IP-Verbindung. Ihr könnt Teams bilden und dabei die Fraktionen mischen. Nicht wundern: Zunächst übernimmt die KI die offenen Fraktionen, bis sich jemand eingeloggt hat.

Obwohl über die Erfüllung von Quests ein wenig Kampagnenflair entsteht, kann die in Textboxen inszenierte Geschichte nicht mit der epischen Anziehungskraft eines Endless Space 2 oder anderer 4X-Strategie mit globalerem Ansatz mithalten. Man spielt mit seiner Fraktion zwar über mehrere Kapitel, aber quasi nur dieses eine Szenario, das aus der Perspektive jeder

Die Forschung in zehn Stufen mit je einer Hand voll wählbarer Truppen, Waffen, Gebäude und Spezialaktionen.
Fraktion immerhin etwas anders erzählt wird. Letztlich führt man eine Armee gegen alles andere, was sich irgendwie bewegt. Zwar nimmt man die Belohnungen gerne an, es gibt Erkundungsaufträge und die Ereignisse sorgen für etwas mehr, wenn auch teilweise plump konstruierten Anspruch, wenn plötzlich zig Truppen aus einer Höhle im eigenen Gebiet auftauchen, aber es gibt keine Entscheidungen oder gar alternative Ziele gibt - man muss einfach alles vernichten. Man kann die Quests übrigens auch abschalten und reine Gefechte spielen, wobei man nahezu unbegrenzt KI-Gegner hinzufügen kann. Neben der Spielwelt in fünf Größen sowie dem Tempo kann man auch  Landmasse, Tiere, Artefakte, Flüsse sowie nahezu jedes Sonderfeld einzeln hinsichtlich seines Vorkommens anpassen.

Fazit

Hey, das fühlt sich ja fast ein wenig an wie Battle Isle! Auch wenn sich Warhammer 40.000: Gladius - Relics of War mit seiner Runden-Strategie fast nur auf den Kampf konzentriert, macht das Taktieren im Gelände richtig Laune. Man wird von Beginn an gefordert, muss eine gute Balance in der Eroberung wahren und die vier Fraktionen bringen markante Eigenheiten mit - vor allem die Necron sorgen für frischen Wind und das Geräusch der coolen Tomb Blades geht mir nicht mehr aus den Ohren. So angenehm aggressiv sich die neutrale KI zu Beginn verhält, sorgt vor allem die Übermacht der Helden zusammen mit der Passivität der anderen Fraktionen im letzten Drittel der Kampagne manchmal eher für Durchmärsche als clever geführte Eroberungen. Die Quests und die Story, die Forschung und die Wirtschaft sind okay, aber eher Beiwerk als episches Bauwerk, so dass dieses Warhammer auf lange Sicht niemanden von Civilization 6 oder Endless Space 2 weglocken wird. Trotzdem haben mir der knackige Rhythmus sowie die schnörkellose Präsentation besser gefallen als jene im vergleichbaren Battle Worlds: Kronos, das jedoch mehr strategische Tiefe auf lange Sicht zu bieten hatte. Aber vor allem im Gefecht mit anderen menschlichen Spielern dürften Space Marines, Orks & Co für gute militärische Unterhaltung sorgen.

Pro

vier Fraktionen mit wichtigen Unterschieden
von Beginn an militärisch fordernde Situation
zig Truppentypen aus dem Warhammer-Universum
etwas Kampagnenflair dank Quests & Ereignissen
Helden können Gegenstände einsetzen
Truppen & Helden gewinnen an Erfahrung
Moral wirkt sich auf Feuerkraft aus
Gelände wirkt sich aus, Höhe ist relevant
Relikte sorgen für permanente Boni
informative Benutzeroberfläche
coole Soundeffekte
mehrere Schwierigkeitsgrade, zig Optionen
Multiplayer-Modus
Kompendium zum Nachschlagen
deutsche Texte

Kontra

zu mächtige Helden
Fraktions-KI reagiert im letzten Drittel zu passiv
Story der Kampagne eher Beiwerk
manche Ereignisse wirken zu konstruiert
zu wenig Gelände-Auswirkung; nur zwei Höhen
lineare Forschung & Wirtschaft, keine Diplomatie
keine Sprachausgabe für Orks, Space Marines etc.
noch lücken
& fehlerhafte deutsche Übersetzung

Wertung

PC

Auch wenn sich Warhammer 40.000: Gladius - Relics of War fast nur auf den Kampf konzentriert, macht das Taktieren im Gelände trotz passiver KI und zu mächtiger Helden kurzfristig Laune.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt keine Käufe.
  • Dieses Spiel ist komplett echtgeldtransaktionsfrei.
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.