Civilization 6: Rise and Fall27.02.2018, Marcel Kleffmann
Civilization 6: Rise and Fall

Im Test: Nette Ideen, blöde Altlasten

Mit Rise and Fall haben Firaxis und 2K Games die erste inhaltliche Erweiterung für Civilization 6 veröffentlicht. Neuerungen wie Stadt-Loyalität, Gouverneure, goldene Zeitalter und düstere Epochen versuchen sich in das große Ganze einzugliedern. Doch leider ist es den Entwicklern immer noch nicht gelungen, die Intelligenz des Computergegners in dem Maße zu verbessern, wie es nötig gewesen wäre. Mehr dazu im Test des Add-ons.

Von goldenen und dunklen Zeitaltern

Goldene Zeitalter und dunkle Zeitalter gehören zu den namengebenden, inhaltlichen Neuerungen der Erweiterung. Goldene Zeitalter gab es zwar schon in anderen Civ-Spielen, aber die „Hoch-Zeiten“ für die Zivilisationen funktionieren nun völlig anders und sind bei weitem nicht mehr so stark.

Von Zeitalter zu Zeitalter (Klassik, Mittelalter, Moderne etc.) lassen sich „Zeitalterpunkte“ erspielen, die nach dem Abschluss einer Ära ein dunkles Zeitalter, ein normales Zeitalter oder ein goldenes Zeitalter einleiten. Solche Zeitalterpunkte erhält man zum Beispiel für die Erforschung von bestimmten Technologien, die Entdeckung von Naturwundern, die erste

Durch die Zeitalterpunkte entsteht Schritt für Schritt eine Chronik der eigenen Zivilisation.

Weltumrundung, für diplomatische Aktivitäten, den Bau von Weltwundern etc. - also als Belohnung für typische Akivtitäten in der Civ-Welt. Festgehalten werden die Errungenschaften auf einer schicken Zeittafel, die wie eine Chronik der Zivilisation fortgeführt und präsentiert wird.

Schafft man es nicht, genügend Zeitalterpunkte zu sammeln, um einem dunklen Zeitalter zu entgehen, muss man mit bestimmten Mali zum Beispiel bei der Loyalitätsgenerierung und leicht düsterer Optik leben. So richtig schlimm ist das Verweilen in einem finsteren Zeitalter jedoch nicht, jedenfalls dann nicht, wenn das Reich einigermaßen gefestigt ist - zumal bestimmte Politiken für solche „Notstände“ vorgesehen sind. Gelingt der Sprung in ein goldenes Zeitalter, darf man sich für einen Bonus entscheiden und über glänzendere Optik freuen. Springt man gleich von einem dunklen in ein goldenes Zeitalter, gibt es übrigens mehr Boni. Darüber hinaus darf man sich zu Beginn eines jeden Zeitalters für eine Art Quest entscheiden, die zusätzlich Zeitalterpunkte für bestimmte Aktivitäten verspricht - je nach gewünschter Spielweise.

Loyale und abtrünnige Städte

Die größte spielerische Neuerung dürfte das Loyalitätssystem mit sich bringen. Alle Städte haben bei Rise-and-Fall-Partien nun einen Loyalitätswert, der angibt, wie treu sie sich den jeweiligen Zivilisationen/Reichen zugehörig fühlen. Sobald die Loyalität auf null fällt, wird die Stadt rebellieren, sich von der aktuellen Zivilisation trennen und eine "freie Stadt" werden, die militärisch erobert oder durch Loyalitätsdruck von anderen Reichen annektiert werden kann.

Vor der Gründung einer neuen Stadt können die lokalen Loyalitäten angezeigt werden. Generell führt das System zu kompakteren Reichen.

Loyalitätsdruck entsteht durch die Anzahl der Bevölkerung der Zivilisation(en), die sich im Umfeld (neun Felder) der Stadt befindet. Gründet man beispielweise eine neue Stadt ziemlich weit abseits des eigenen Reiches, womöglich in der Nähe eines anderen Reiches, ist die Chance ziemlich hoch, dass sich diese Stadt irgendwann friedlich vom Acker macht. Neben dem „Bürgerdruck“ kann Loyalität durch Annehmlichkeiten, Gouverneure, Brot-und-Spiele oder kulturelle Allianzen erhöht werden. Dieses neue System ist übrigens besonders praktisch, wenn KI-Gegner neue Städte an vermeintlich freien Plätzen im Reich des Spielers bauen wollen. Erzeugt man genug Druck, läuft die Stadt von alleine übrig - eine friedliche Übernahme, toll. Einen Malus für extrem viele Städte gibt es übrigens nicht.

Gouverneure können die Loyalität einer Stadt stabilisieren. Sie verfügen über einzigartige Fähigkeiten (Finanzverwaltung, Diplomat, Truchsess, Erzieher, Kardinal etc.), die mithilfe eines Mini-Talentbaums, verbessert werden können. Sie gewähren den Städten, denen sie zugewiesen sind, spezielle Vorteile basierend auf ihren grundlegenden Eigenschaften - abseits des erwähnten Loyalitätsschubs. Insgesamt gibt es sieben unterschiedliche Gouverneure, die rekrutiert und in den Städten stationiert werden können.

Loyalitätsgeschichten

Durch farbige Pfeile wird der Loyalitätsdruck symbolisiert. Die neue Leiste unter dem Stadtnamen gibt an, wie weit die Stadt davon entfernt ist, zu rebellieren.

Auf dem ersten Blick ist das Loyalitätssystem eine wirklich gute Idee, da sich friedlich Städte annektieren lassen, aber es bringt auch Probleme. Abgesehen davon, dass die Gründung einer Kolonie abseits des Heimatreiches nun deutlich kniffeliger ist, präsentieren sich militärische Eroberungen als ziemlich lästig bis ätzend, wenn man nicht gleich mehrere Städte auf einen Schwung erobern will, um damit den Loyalitätsdruck drastisch zu senken. Selbst mit unübertroffener militärischer Stärke, dem Einsatz eines Gouverneurs, dem Kauf von bestimmten Gebäuden und der Eroberung anderer Städte in der Nähe ist es manchmal einfach nicht möglich, die drohende Abwanderung zu verhindern - gerade bei Hauptstädten ist mir das gleich mehrfach passiert. Es war einfach nicht in den Griff zu bekommen. Hier wirkt die Gesamt-Ausbalancierung des Loyalitätssystems etwas fragil und nicht ausgewogen.

Spezialisierte Allianzen

Neuerdings können Allianzen mit anderen Zivilisationen spezialisiert werden und gewähren je nach Typ einen bestimmten Bonus (Forschung, Militär, Wirtschaft, Kultur oder Religion). Zudem werden Allianzen mit der Zeit verbessert. Es kann jeweils nur eine Allianz von jedem Typ aktiv sein. Neu sind ebenfalls Notfälle. Bei kritischen Ereignissen wie zum Beispiel einem Atomschlag können sich anderen Zivilisationen zusammenschließen und einen Notfall ausrufen, der sich gegen den "Aggressor" oder gegen die meilenweit führende Fraktion richtet.

Mini-Neuerungen und alte Macken

Die Neuerungen (Zeitalter, Loyalität, Gouverneure, Notfälle) fügen sich fast nahtlos in das bisher bekannte Grundspiel ein, aber abgesehen vom Loyalitätssystem sind die meisten Verbesserungen eher Kleinkram, wenn auch gelungener Kleinkram.

Welcher Gouverneur darf es denn sein?

Der Erweiterung fehlt in diesem Sinne ein klarer inhaltlicher Rahmen wie zum Beispiel bei den Civ-5-Erweiterungen Gods & Kings oder Brave New World. Das Add-on wirkt wie ein Sammelsurium an Mini-Neuerungen, das nicht wie aus einem Guss wirkt.

Nichtsdestotrotz ist und bleibt der größte Spielspaß-Feind in Civilization 6 die Computerintelligenz der Gegner, sofern man sich an das Gefühl gewöhnt hat, kein großes, zusammenhängendes Reich zu steuern, sondern stattdessen eher ein Konglomerat aus Einzelstädten mit entsprechend hohem Mikromanagement-Faktor.

Der Computergegner versagt trotz einiger Patches, Updates und Verbesserungen in zwei Bereichen: Diplomatie und Kampftaktik. In Kämpfen gehen die KI-Gegner überraschend seltsam mit ihren Einheiten um. Manchmal wird zum Beispiel die Artillerie gar nicht verwendet, obwohl sie in Reichweite steht, während andere Einheiten gezielt verfeuert werden. Außerdem wird in der Regel ein Ziel fokussiert. Schlimmer noch ist sie bei der Diplomatie. Ohne Gründe, ohne Stadtstaaten-Schacherei, ohne Beschwerde und ohne Aggression wurde mir in mehreren Partien (mit der Erweiterung) mehrfach der Krieg erklärt, obwohl die Gegner stellenweise gar nicht auf meinem Kontinent waren, dort keine Einheiten hatten und ich jegliches Handelsangebot, so bescheuert es wahr, angenommen hatte. Völliger Blödsinn - und nach Ablauf der Kontaktpause nach der Kriegserklärung

Praktisch: Die Neuerungen werden mit Hilfetafeln zu Beginn einer Partie vorgestellt.

konnte gleich wieder Frieden geschlossen werden. Es wirkt fast so, als würde die KI würfeln, wann es zum Krieg kommt.

Neue Zivilisationen

Mit Civilization 6: Rise and Fall kommen neun neue Anführer und acht Zivilisationen ins Spiel - natürlich mit eigenen Spezialeinheiten, einzigartigen Gebäude, Boni und Co. Neu sind Cree (Poundmaker), Georgien (Tamar), Korea (Seondeok), Mapuche (Lautaro), Mongolei (Dschingis Khan), Niederlande (Wilhelmina), Schottland (Robert I.) und Zulu (Shaka) - sowie der alternative Indien-Anführer Chandragupta. Die Anführer sind (wie gewohnt) größtenteils hervorragend animiert und comichaft überzeichnet, jedoch ist die Ausgewogenheit so eine Sache für sich. Gerade die Cree wirken mit dem Okihtcitaw, einer Scout-Einheit, die praktischerweise über die Kampffähigkeiten eines Kriegers verfügt, über eine zu starke Einheit für die Frühphase einer Partie.

Fazit

Die Zeitalter, das Loyalitätssystem mit seinen Gouverneuren und die ganzen Kleinigkeiten von Rise and Fall fügen sich gut, harmonisch und fast schon unauffällig in Civilization 6 ein - obgleich Rise and Fall erneut eher an der Mikromanagement-Schraube dreht, anstatt das globale Strategiesystem auszubauen. Die Neuerungen sind keineswegs schlecht, aber sie stechen kaum heraus und lassen das Add-on nicht zu einem Must-Have werden. Das Hauptproblem von Rise and Fall ist und bleibt aber das Hauptspiel. Genauer gesagt: die Computerintelligenz der Gegner. Auch nach diversen Patches und vorgenommenen Verbesserungen überraschen die KI-Gegner weiterhin mit taktischer Kampfinkompetenz und diplomatischen "Schachzügen", die sich eigentlich nur durch Würfeln oder Blödheit erklären lassen. Durch diese KI-Probleme und einige ergänzende Balance-Macken bleibt Civilization 6 auch mit Rise and Fall hinter seinen Möglichkeiten und den grundlegenden tollen Ansätzen zurück.

Pro

goldene und dunkle Zeitalter ...
Zeitalterpunkte erstellen eine Chronik der eigenen Zivilisation
Loyalitätssystem erlaubt friedliche Stadt-Übernahmen
gezielte Stadt-Verbesserung durch Gouverneure
Notfälle, spezialisierbare Allianzen
neun hervorragend animierte und comichaft überzeichnete Anführer
stimmige Aufmachung
Visualisierung des Loyalitätsdrucks
Hilfesysteme für die Neuerungen
viele Detailverbesserungen zum Beispiel bei den Stadt-Bannern

Kontra

... könnten stärkere Auswirkungen haben
Probleme aus dem Hauptspiel bleiben unangetastet; gerade bei der Computerintelligenz (Kampf und Diplomatie)
Balance-Macken bei Spezialeinheiten
Loyalitätssystem zieht Kriege unnötig in die Länge
Neuerungen verstärken das Mikromanagement weiter
Mängel bei der Übersetzung

Wertung

PC

Die netten Neuerungen können leider nicht über die weiter bestehenden Probleme mit der Computerintelligenz hinwegtäuschen.

Echtgeldtransaktionen

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