Vermeer 215.09.2004, Bodo Naser
Vermeer 2

Im Test: Eine Wirtschaftsimulation, die viele von früher kennen. Kann sie auch heute noch überzeugen?

Vermeer ist nicht nur der Name eines niederländischen Malers, dessen Liebesleben bald mit Scarlett Johansson auf der Kinoleinwand zu sehen sein wird. Vermeer ist auch ein aus den guten alten Tagen des C-64 bekanntes Spiel, bei dem es um Plantagen, Moneten und Kunstauktionen ging. Ascaron legte den Wirtschaftsklassiker jetzt ohne große Änderungen als Vermeer 2 (ab 24,95€ bei kaufen) neu auf.

Erben will gelernt sein!

Spielerisch gleicht Vermeer 2 seinem Urahn wie eine Kaffeebohne der anderen. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg findet ein Wettbewerb statt, der heutzutage wohl als Realityshow nach dem Motto "Erben Search" durchgehen würde: Euer Onkel, der nur noch wenige Jahre zu leben hat, schickt euch auf die Suche nach seiner Gemäldesammlung, die über die Metropolen der Welt verstreut ist. Ihr müsst euer Startkapital von 150.000 Dollar mittels Warenbörse, Aktienhandel und Pferdewetten vermehren, um an die teuren Bilder zu kommen. Vier Gegner versuchen euch aus dem Konzept zu bringen, denn nur der Punktbeste tritt am Schluss das Erbe an.

Siegbedingungen nach Wahl

Eine gewisse Atmosphäre kann man Vermeer 2 nicht absprechen!
Schon etwas makaber, dass ihr zu Beginn die voraussichtliche Lebensdauer eures geliebten Erbonkels auswählen müsst. Aber nur so lässt die Dauer der Partie bestimmen. Auch das Spielziel lässt sich festlegen: Entweder zählen die abgelieferten Kunstwerke oder aber das meiste Geld.

Für jedes abgelieferte Original oder für ein gelungene "Reproduktion" von Vico Vermeer erhaltet ihr Punkte. Wer gar alle sechs Bilder aus einer der neun Kunstrichtungen abliefert, bekommt dafür 28 Punkte. Das ist während der kurzen Spieldauer von zwei Jahren allerdings kaum zu schaffen. So etwas wie Ansehen gibt es zwar auch, aber das spielt nur bei der jährlich stattfindenden Tombola eine Rolle.

Handel mit der Welt

Die einträglichste Art bei Vermeer 2 an Geld zu kommen, ist der Verkauf von Waren an den Börsen in London und New York. Die fünf existierenden Waren erhaltet ihr durch den Bau von Plantagen in den 15 Städten, die über die Kontinente verteilt sind.

Ihr müsst also Rundreisen um den Erdball antreten, die zu Beginn der 20er-Jahre mangels Flugverkehr recht lange dauern. Dort angekommen, könnt ihr mit wenigen Mausklicks eine Plantage errichten, ausbauen und Arbeiter einstellen. Die produzierten Waren müsst ihr eigenhändig an die Börsen schicken. Bessere Preise erzielt ihr bei den begrenzt auftretenden Termingeschäften, bei denen ihr bis zu einem Zeitpunkt eine bestimmte Menge Ware abliefern müsst.

Gesetze des Marktes

Obwohl der Wirtschaftsteil eher simpel gestrickt ist, erweist sich der Markt als tückisch, denn die Preise für die Waren unterliegen je nach Angebot starken Schwankungen. Je mehr von einer Ware auf den Markt kommt, desto rapider sinkt der Preis. Noch eine elegante Möglichkeit, an Geld zu kommen, ist der Handel mit Aktien. Hierbei erwerbt ihr Anteilsscheine an den Speditionen, die euren weltweiten Warentransport übernehmen. Ihr solltet frühzeitig einsteigen, denn je mehr Waren verschickt werden, desto mehr steigen natürlich die Aktien, die ihr in jeder Bank erwerben könnt. Schließlich könnt ihr euch noch ein Darlehen holen, das ihr aufgrund der hohen Zinsen bald zurückzahlen solltet. Also nur im Notfall verwenden!

       

Kunst oder Krempel?

Vor allem gegen menschliche Mitspieler sind die in Echtzeit ablaufenden Kunstauktionen durchaus spannend, denn die Computergegner geben auch hier schnell auf. Wie beim C-64 erhält jeder Spieler eine Taste, mit welcher er mitbieten kann. Einzige Neuerung hierbei ist die beiliegende Decodier-Brille, die mit ihrer roten Farbe nicht nur für den Kopierschutz sondern auch den richtigen Durchblick sorgt.

Denn nur mit ihr lassen sich die zahlreich vorkommenden Fälschungen entlarven. Die Brille dürft ihr aber nur benutzen, wenn ihr den dazu gehörenden Kunstkurs besucht habt. Das alles ist mehr als wichtig, denn wollt ihr eine Fälschung in Onkels Galerie aufhängen, weißt sie der Alte barsch zurück. Das schöne Geld ist dann futsch!

Kaum eine Herausforderung

Andere können das grafisch besser!
Mit Hilfe des Handels habt ihr spätestens in einem Jahr genug Dollars beisammen, um dann möglichst viele Bilder zu ersteigern. Auf Stufe "mittel", der drei einstellbaren Schwierigkeitsgrade, stellen die Computergegner daher keine große Herausforderung dar. Das Zeitmanagement ist so ziemlich das einzige, was von euch Aufmerksamkeit erfordert. Es ist nämlich gar nicht einfach, all die Auktionen, Versammlungen und Pferderennen an den verschiedenen Orten unter einen Hut zu bekommen. Zu Sabotageaktionen wie dem Anzetteln eines Streiks oder das Anheuern eines Diebs greift die harmlose KI hingegen kaum.

Ein stattliches Kerlchen

Bei der jährlichen Silvestertombola kann der Spieler mit dem meisten Ansehen ein kostenloses Bild abstauben. Spielentscheidend ist euer Prestige beim Club zwar nicht, aber es erleichtert euch doch den Sieg. Ihr könnt Ansehen gewinnen, indem ihr euren Onkel besucht, was allerdings länger dauern kann. Wenn ihr beim Pferderennen dabei seid, bringt euch das auch ohne Wettgewinn Prestige.Dann könnt ihr noch Expeditionen durchführen, bei denen ihr Ruhm und Ehre erlangen könnt. Oder aber das viele Geld ist weg! Auch durch viele der Zufallsereignisse kann euer Ansehen nach oben und unten schnellen. Die historischen Ereignisse dienen leider nur der Zierde.

Fünf auf einen Streich

Zur Zeit des seligen C-64 bedeutete Multiplayer automatisch auch Hotseat, denn man konnte eigentlich nur an einem Rechner spielen. Auch die heutigen Vermeer 2-Partien an einem Rechner machen mehr Spaß als der kaum fordernde Einzelspieler-Modus. Das hat freilich den großen Nachteil, dass ihr immer warten müsst, bis die Mitspieler ihren Zug beendet haben. Für ein paar Konkurrenten, welche die Möglichkeiten des Spiels besser ausschöpfen als die Computergegner, wartet man aber sicher gerne! Treibt ihr nicht genug menschliche Spieler auf, wird der Rest von der KI gestellt.

Unbewegliche Stadtansichten

Grafisch bietet die Neuauflage natürlich mehr als der Vorgänger. Leider herrscht aber vielerorts Bewegungsmangel: In den schön gezeichneten Hintergründen und nostalgischen Stadtansichten, die von zeitgenössischer Musik untermalt sind, spielt sich wenig ab. Schwebt ein Ballon vorbei, müsst ihr damit schon zufrieden sein. Aufsteigenden Rauch, Lichteffekte oder Tag- und Nachwechsel fehlen.

Die Optik der Pferderennen ist nicht gerade gelungen, da ihr auch hier nur einen starren Ausschnitt des Geschehens seht. Auf der von Schnarchlauten und Lokomotivklängen begleiteten Reiseansicht bewegen sich nur die Icons der Spieler. Die 36 vorkommenden Gemälde sind farbecht abgebildet. Außer dem gerenderten Intro gibt es keine Filmsequenzen.

   

Fazit

Der bekannte Vorgänger ist zugleich Vermeers großer Fluch, denn das Remake kann sich nicht vom großen Bruder lösen! Neue Ideen bietet Ascarons Neuauflage, die nur dem Namen nach ein zweiter Teil ist, leider nicht. Und was in den seligen Zeiten des C-64 tonangebend war, ist heutzutage allenfalls nur noch Mittelmaß. Der Wirtschaftsteil des Spiels ist schnell zu durchschauen, so dass er für Profimanager, die vielleicht schon Patrizier 2 oder Port Royale gespielt haben, keine Herausforderung darstellt. Für Einsteiger ist er hingegen genau richtig - auch, weil der umständliche Plantagenbau stark vereinfacht wurde. Daher mangelt es dem Spiel vor allem für Solo-Spieler an der nötigen Langzeitmotivation, was sich irgendwann allerdings auch mit mehreren Mitbewerbern bemerkbar macht. Auch grafisch gibt es immer wieder nur die Hand voll unbeweglicher Stadtansichten und so viel zu wenig Abwechslung. Daher muss auch der nostalgischste Fan erkennen, dass Vermeer 2 trotz seines geringen Preises einfach nicht genug bietet.

Pro

Ziele wählbar
simpler Wirtschaftsteil
einfacher Plantagenbau
auch für Einsteiger geeignet
sich verändernder Markt
Sabotage möglich
Hotseat-Modus
spannende Auktionen mit mehreren Spielern
zeitgenössische Musik

Kontra

keine Neuerungen
fast zu einfach
harmlose KI
im Singleplayer fehlende Langzeitmotivation
historische Ereignisse ohne Einfluss- grafisch kaum Bewegung
nicht über LAN oder Internet spielbar
keine Filmsequenzen

Wertung

PC

Die beiliegende Fälschungsbrille ist die einzige Neuerung des einfallslosen Remakes.

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Kommentare

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FrohundHeiter

Liebe 4Players, bitte aufgrund meines Kommentars die Wertung anpassen !!!
Testet ihr nach Patches nochmal?

Nein. Wir bewerten nur die finale Goldmasterversion bzw. die Verkaufsversion, die man im Handel erwerben kann. Wenn es zum Verkaufsstart einen Day-One-Patch gibt, berücksichtigen wir diesen - falls möglich. Wenn ein Entwickler später mit Patches nachbessert, machen wir allerdings keinen Nachtest. Wir bewerten nur den aktuellen Zustand und wollen die Patchpolitik der Hersteller nicht noch mit Nachtests festigen.Allerdings kann es sein, dass wir bei einem nachgelieferten Test nicht um die automatische Aktualisierung herum kommen - wir bemühen uns, möglichst releasenah zu veröffentlichen.
http://www.4players.de/4players.php/mic ... index.html
Chancen stehen also nicht sonderlich gut, zumal der Autor dieser Rezension schon seit sechs Jahren nicht mehr für 4p arbeitet.
Immerhin bleibt mein Kommentar bestehen und für Fans ist das Spiel auf jeden Fall einen Blick wert. Hat auf jedenfall wie Vermeer Seele und macht süchtig.

vor 3 Jahren
FrohundHeiter

Vielen Dank für den Test. Dieser ist schon einige Jahre her und die Kommentare auch schon sehr alt teilweise.

Das Spiel wurde im Detail überarbeitet!

Was ist neu? Oder besser?
+ Gauneraktionen
+Onkelchen aus Berlin
+Schwierigkeitsgrad
+ Gemälde und Galerien
+ Warenhandel
+Plantagenverwaltung
+Musik
Liebe 4Players, bitte aufgrund meines Kommentars die Wertung anpassen !!! :-)

Gauneraktionen: Diese sind jetzt nicht mehr nur in Chicago verfügbar, sondern in vielen Städten und auch nicht immer. Das ist Zufallsbedingt. Auch ob es grade funktioniert oder nicht oder überhaupt Sinn macht. Z.B Lager abfackeln bringt nichts, wenn kein Gegner ein Lager hat. Chicago hätte aber gerne für besonders schwere Aktionen bleiben können.z.B. extralange Entführung, Vermöbeln usw.

Mehr Städte und Zufallsbedingungen: Es gibt mehr Produktionsstädte und zufallsbedingte Kosten. Das macht es etwas Abwechslungsreicher.

Onkel: Der Onkel vergibt nicht nur mehr Geld am Anfang, er ist auch viel aktiver. Er reist jetzt in verschiedene Städte, hat in verschiedenen Städten seine Galerien und vergibt Bonuspunkte, die man auch durch Aktionen erwerben kann. Und zwar nicht nur für mehr Bilder als der Gegner, sondern auch für gekaufte Hotels, Expeditionen uvm. Insgesamt ist das Bonussystem viel dynamischer und die Gegner auch nicht mehr so schwach. Man kann nun auch Punkte durch Abenteuer mit dem Onkel erzielen und diese sind teilweise sehr witzig und man weiss auch nicht wie lange die dauern...

Schwierigkeitsgrad: Insgesamt sind die Gegner stärker geworden. Und mutiger. Und wirtschaftlich besser. Sie zetteln auch Streiks an, wenn man ihnen dumm kommt. Aber immer auf dem höchsten spielen, sonst ist es zu einfach.

Gemälde: Es gibt wie geschrieben nicht mehr nur in Berlin die Galerie, wo man die Bilder abgibt, sondern es gibt viel mehr Städte, wo der Onkel seine Bilder in Empfang nimmt. Auch ist Rom nicht mehr der Kunstnabel der Welt. Die jährliche Tombola ist auch spannender gestaltet, auch wenn ich das Glücksrad vermisse. Ein Manko im Design finde ich die Tatsache, dass man für die Tombola nicht mehr persönlich anwesend sein muss. Das ist ziemlich daneben, wenn man grade auf dem Schiff ist und die Tombola in Rom stattfindet und suggeriert wird als wäre man da anwesend.

Waren verschicken: Man kann nun auch Waren von London oder NY nach NY oder London schicken. Das ist ein echter Vorteil bei Termingeschäften. Auch sind die Handelsrouten besser geworden. Insgesamt sind die Termingeschäfte übersichtlicher geworden und es gibt eine Warnung, wenn man zuviel verkauft, obwohl man ein Termingeschäft hat!

Plantagen: Ok, es gibt kein Öl mehr. Sehr schade. Aber insgesamt kann man jetzt mehr rumspielen, wieviel Arbeiter sinnvoll sind. Welche Bezahlung nötig oder wieviel es braucht, um einen Streik anzuzetteln. Endlich macht es Sinn zu gucken wann der Gegner zuletzt bezahlt hat. ;-)

Musik: Wurde auch angepasst, je nach Stadt. Wobei ich den Sound aus Vermeer 1 in der Hauptansicht vermisse und die Spielerbilder wären mir auch lieber in der Übersicht, anstelle von Tennischschläger, Buch oder Fernglas.

Das hat mir alles im Test gefehlt und sorgt locker für 15 % Punkte Wertung mehr. Eine 60er Wertung ist ein Witz, meiner Meinung nach.

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 6 Jahren