Sonic Adventure DX - Director's Cut14.02.2004, Paul Kautz
Sonic Adventure DX - Director's Cut

Im Test:

Er ist klein, er ist blau, er ist stachelig und er ist schnell – die Rede ist nicht von Dirk Bach im Dschungel, sondern von Sonic, dem nachweislich rasantesten Igel der Welt. Seine letzten PC-Auftritte liegen schon einige Zeit zurück, jetzt endlich könnt ihr euch in kunterbunte 3D-Welten schwingen, um die Machtpläne des bösen Dr. Robotnik zu verhindern. Aber gebührt Sega wirklich Dank für die Umsetzung, oder eher Spott? Der Test gibt Aufschluss.

Ein Igel geht um die Welt

Sonic – das ist eine blaue Erfolgsgeschichte, die mit einem eher simplen 2D-Jump-and-Run 1991 auf Segas Mega Drive ihren Anfang nahm. Der Hochgeschwindigkeitsigel gewann schnell an Popularität, was natürlich etliche

Wo andere Spiele aufhören, fängt Sonic Adventure an - mit einem Bosskampf.
gute und schlechte Nachfolger nach sich zog. Einer davon war 1998 ein Debüttitel für die gefloppte Dreamcast-Konsole: Sonic Adventure. Für damalige Verhältnisse schöne 3D-Grafik und flüssig-schnelles Gameplay lockten die Spieler in Scharen an. Schnitt in die Gegenwart: Wir sind verwöhnt. Bereits vor einem Jahr konnte die leicht erweiterte GameCube-Umsetzung Sonic Adventure DX - Director's Cut nicht wirklich überzeugen. Und obwohl Sonic kürzlich von der ELSPA zum populärsten Videospiel der letzten 30 Jahre gekürt wurde, hinterlässt der Blaustachel auch auf dem PC keinen überwältigenden Eindruck.

Doch greifen wir nicht allzu weit vor, stattdessen springen wir ins Spiel: Alles ist ruhig, Sonic tummelt sich auf Hausdächern. Jaulende Polizeiwagen erwecken seine Neugier, er folgt den Sirenen bis zum Grund der Panik: Das monströse Wasserwesen »Chaos« verbreitet Angst und Schrecken, die Polizei ist hilflos – nicht jedoch der Spieler, der ab hier die Kontrolle in die Hand gedrückt bekommt, und das Vieh mit einigen gezielten Attacken in den Gully zurückschickt. Wie sich kurz darauf herausstellt, steckt hinter all dem Übel mal wieder Sonics Erzfeind Dr. Robotnik (hier immer wieder »Eggman« genannt). Er sucht nach den seltenen Chaos-Diamanten, mit denen er sein Monster aufzupäppeln gedenkt, damit er Sonics Heimatstadt Station Square zerstören und aus den Ruinen eine bessere Welt erschaffen kann – aller Sinnlosigkeit zum Trotz braucht scheinbar selbst ein Bösewicht ein Hobby.

Dieser Polygonmatsch ist Sonics Erzfeind Dr. Robotnik.
Die Leiden des Spielers

Zu Beginn seid ihr nur mit Sonic unterwegs, im Laufe der Zeit spielt ihr fünf weitere Figuren frei, u.a. Doppelschwanz-Fuchs Tails oder die Anglerkatze Big. Das Spiel ist in zwei unterschiedliche Bereiche unterteilt: Nr.1 sind die Adventure-Abschnitte, in denen ihr kleinere Puzzles löst, mit Personen redet (die selten mehr als hohles Blabla von sich geben) und gegen in unregelmäßigen Abständen auftauchende Boss-Gegner antretet. Hier findet ihr auch Boni, die die Eigenschaften eurer Helden dauerhaft verbessern, etwa Turbo-Stiefel oder Grabehandschuhe.  

Halb-automatische Szenen wie diese kommen immer wieder vor - hier gibt Sonic Gas, während hinter ihm Free Willy die Brücke zerlegt.
Der andere Teil besteht aus reiner Action: Hier rast ihr mit durchgedrücktem Gaspedal durch abgefahren designte Levels, erledigt Roboter-Gegner (die in Wirklichkeit harmlose Tierchen sind) und sammelt wie verrückt Ringe, die vor Feindkontakt schützen. Ihr seid nicht nur auf blitzschnellen Füßen unterwegs, sondern dreht auch mal im Flieger eure Runden oder hüpft auf einem Snowboard durch die Gegend. Im Laufe der Zeit spielt ihr den Missions-Modus frei, in dem allerlei Mini-Games auf euch warten und ihr zwölf Sonic Game Gear-Klassiker freispielen könnt. Im Adventure-Modus bekommt ihr einen Vorgeschmack auf die euch erwartenden Kameranöte: Wenn der Ansicht irgendwas wie ein Baum oder eine Wand im Weg ist, macht sie sich nicht die Mühe, das störende Objekt auszublenden oder gar zu schwenken. Stattdessen habt ihr einfach Pech gehabt, und müsst blind weiterrennen, bis ihr wieder was seht, oder die Perspektive manuell korrigieren und auf Verbesserung hoffen.

Richtig schlimm wird das im Action-Modus, wo ihr sehr oft raten dürft, wo ihr gerade seid, und vor allem, wie ihr da hingekommen seid. Denn die Kamera ist noch das kleinere

Grafikfehler allüberall - hier im Hintergrund gut zu sehen.
Übel, verglichen mit der Kollisionsabfrage; massive Clipping-Fehler sorgen für unsichtbare Löcher  im Boden, nicht vorhandene Wände und immer wieder Abstürze ins Bodenlose. Besonders übel ist das in den automatisch ablaufenden Sequenzen ausgeprägt, in denen Sonic beispielsweise vor einem Orca-Wal flüchtet – man hat keine Kontrolle über den Igel, das Programm beschließt aber trotzdem, ihn sprichwörtlich über die Planke laufen zu lassen. Auch die berühmten Beschleuniger-Pads spielen eine Lotterie mit euch: Wenn ihr Pech habt, landet ihr irgendwo im freien Raum, und verliert ein weiteres der knappen Leben – ohne Einfluss darauf zu haben! Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, müsst ihr nach dem Benutzen eines Continues grundsätzlich am Levelstart beginnen – unabhängig davon, wo ihr vorher wart.  

Grafik-Hölle

Die Optik von Sonic Adventure war schon anno '98 kein Knaller, und wurde kein bisschen verbessert – abgesehen von einer höheren Auflösung sieht das Spiel noch genauso aus wie auf der Dreamcast, böse Geister könnten einen im Hintergrund

Kaputte Grafikkarte oder Zeitloch? Tatsächlich gibt es im Jahre 2004 noch Spiele, die so aussehen.
laufenden Emulator vermuten. Positiv machen sich lediglich die sehr niedrigen Hardwareanforderungen bemerkbar, so dass auf einem schnellen PC genug Reserven vorhanden sind, um Anti-Aliasing und anisotropisches Filtering zu aktivieren, um wenigstens die gröbsten Fehler auszumerzen. Falls das nicht der Fall sein sollte, erwarten euch grob gehauene Figuren, übel flimmernde Texturen und viele Grafikfehler im Hintergrund. Dazu gesellen sich in jedem Fall abwechslungsarme Umgebungen, maue Animationen und eine Hand voll Grafikeffekte. Lediglich die etwas grobkörnigen Rendervideos hinterlassen einen guten Gesamteindruck.

Nicht viel besser sieht es an der Steuerungs-Front aus: Wer die Absicht hegt, Sonic Adventure mit der Tastatur zu spielen, sollte vor dem Start alle Hoffnung auf vernünftiges Zocken fahren lassen. Nur mit einem Gamepad habt ihr den Flitzer einigermaßen unter Kontrolle. Jede Figur hat spezielle Eigenschaften: während Sonic über einen praktischen Homing-Angriff verfügt, kann Tails z.B. dank seines Doppelschwanzes kurzzeitig fliegen. Ihr dürft außerdem vereinzelte Gegenstände mit euch herumtragen, was im Adventure-Teil von Bedeutung ist. Dort lassen sich auch so genannte »Chaos« heranzüchten (nicht zu verwechseln mit dem wässrigen Obergegner): Das sind  putzige kleine Tamagotchi-Ableger, die ihr aufpäppeln könnt, um weitere Minispiele freizuschalten.

Zahlreiche Mini-Games halten euch beschäftigt, hier beispielsweise ein rasanter Ritt auf dem Snowboard.

Der Rest vom Fest

Die Akustik ist kein Totalreinfall wie die Optik, schrammt aber nur haarscharf daran vorbei: Zum einen gibt es zwar deutsche Texte, aber nur englische bzw. japanische Sprachausgabe. Und davon auch nur wenig, denn abgesehen von den Hauptfiguren geben die restlichen Personen nur Textblasen von sich. Nicht, dass man viel verpassen würde – besonders die Dialoge in den Echtzeit-Zwischensequenzen sind langweilig und plump. Die Musik entspricht dem gewohnten japanischen Juhuuu-Jippiee-Rockstandard, der aber weder sonderlich nervt noch besonders ins Ohr geht.

  

Fazit

Sonic Adventure DX ist überflüssig. Schon das letztjährige GameCube-Revival brauchte kein Mensch, die PC-Version taugt höchstens zum Demonstrieren, wie man es besser nicht macht: Technisch hinkt der blaue Raser aktuellen Titeln wie Rayman 3 um ungefähr sechs Jahre hinterher, die Grafik ist grottig, die Steuerung vermurkst, die Kollisionsabfrage eine Frechheit und die Adventure-Abschnitte schlicht nervig. Verdammt schade, denn die zusätzlichen Charaktere, massig freispielbare Boni und Mini-Games sind sehr reizvoll. Nur leider wird einem der Spielspaß schon von Anbeginn so gründlich vergällt, dass man wirklich gute Zähne haben muss, wenn man sie so lange zusammenbeißen kann, bis man im Spiel soweit ist, dass es einigermaßen Spaß macht. Selbst am PC, der nicht gerade mit guter Hüpf-Software überschüttet wird, gibt es bessere Jump-and-Runs als dieses.

Pro

viel zu entdecken
sehr rasant
niedrige Hardwareanforderungen
recht umfangreich
abgefahrenes Leveldesign
viele freispielbare Boni
sechs Charaktere
viele Mini-Games

Kontra

alberne Story
grobkörnige Rendervideos
grottige Grafik
fürchterliche Kamera
massive Clippingfehler
gewöhnungsbedürftige Steuerung
lachhafte Sprachausgabe
belanglose Musik

Wertung

PC

Sehr mäßige Umsetzung eines einst tollen Jump-n-Runs.

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