Test: Lamplight City (Adventure)

von Jan Wöbbeking



Lamplight City (Adventure) von Application Systems
Verhören statt Basteln
Entwickler:
Release:
13.09.2018
13.09.2018
13.09.2018
Spielinfo Bilder Videos
Adventures von Francisco Gonzalez sind wie Zeitreisen, in denen er seine Liebe für eine bestimmte Epoche mit Kriminalgeschichten zum Ausdruck bringt. A Golden Wake verschaffte einen faszinierenden Einblick ins boomende Miami der Zwanziger, das Kooperationsprojekt Shardlight versetzte den Spieler in die Postapokalypse und im Detektivspiel Lamplight City geht es in eine alternative viktorianische Steampunk-Vergangenheit. Alternativ wirkt diesmal auch das Spieldesign, denn ein unvorsichtiges Wort kann schnell einen Zeugen verschrecken und den Fall in eine komplett andere Richtung lenken.

Nicht mehr Derselbe

Der Alltag des ehemaligen Polizisten Miles Fordhams ist ein ständiger Balanceakt. Nachdem bei einer dramatischen Verfolgungsjagd sein Partner Bill umkommt, fristet er ein unstetes Leben als Privatdetektiv. Nicht nur einige Ex-Kollegen gehen auf Distanz – auch er fühlt sich offensichtlich nicht ganz unschuldig am Unglück. Der Alltag ist geprägt von Psychopharmaka, Alkohol-Eskapaden, Grundsatzdiskussionen mit der genervten Ehefrau und komplizierten Ermittlungen, bei denen alte Freunde aus dem Revier nur verdeckt Kontakt zum Nestbeschmutzer aufnehmen. Zu allem Überfluss spukt der eigentlich verstorbene Partner auch noch ununterbrochen in seinem Kopf herum. Da dieser ständig flapsige Kommentare aus dem Off ablässt, macht das den Umgang mit seinen Mitmenschen nicht gerade leichter. Wie weit öffnet er sich gegenüber der genervten Ehefrau oder esoterischen Informanten? Wie mogelt er sich am Tatort an ungeliebten Ex-Kollegen vorbei – und wie kann er dazu am besten deren Gegenspieler für sich gewinnen?

Ein dramatischer Auftakt.
Ein dramatischer Auftakt.
Auch seine Heimatstadt New Bretagne befindet sich im Jahr 1844 im Umbruch: Die schlichte Pixelgrafik allein mag es nicht vermitteln, aber das Spiel profitiert erneut stark von Gonzales‘ Fähigkeit, eine glaubhafte Welt zu erschaffen. Allzu weit von unserer Vergangenheit entfernt ist die viktorianische Gesellschaft mit leichtem Steampunk-Einschlag leider nicht. Im Gegenzug sorgen aber Demonstrationen, Klassenkonflikte, politische Verstrickungen und Artikel über technische Errungenschaften wie Rohrpostsysteme für das Gefühl, sich in einer lebendigen Gesellschaft zu bewegen.

Die Zukunft der Dampftechnik?

Der Bau eines riesigen Luftschiffs etwa sorgt für Unmut unter Technikfeinden, die nach tragischen Unfällen mit über 50 Todesopfern natürlich einen gewichtigen Anlass für ihre Demonstrationen haben. Steckt ein Mitglied der Bewegung auch hinter dem Kidnapping des jungen Sprösslings eines wohlhabenden Industriemoguls? Mit diesem Fall muss sich Miles in einer frühen Phase des Spiels beschäftigen. Später gibt es u.a. einen Mord aufzuklären, bei dem eine „Grand Dame“ in ihrem Domizil fast komplett verbrannt ist und ihn eine der Spuren zu einer übersinnlichen Gesellschaft führt. Die Polizei will es zwar nicht zugeben, doch die Presse wittert schon früh einen Serienmord mit Verbindungen zu weiteren Opfern. Zusätzlich versucht Miles im Rahmen der lose miteinander verknüpften Verbrechen, auch sein privates Unglück um den toten Partner aufzuklären.

Lust auf einen neuen Fall?
Lust auf einen neuen Fall?
Bei der Detektivarbeit hat sich Francisco Gonzalez für eine unorthodoxe Knobelmechanik entschieden - ohne Inventar und mit Fokus auf eine geschickte Dialogwahl. Ein falsches Wort kann einem hier einen kompletten Lösungsweg verbauen, was in einem Spiel mit einer derart klassischen Pixel-Optik ungewohnt wirkt. Führe ich lieber ein wenig mehr persönlichen Smalltalk, um mich einzuschmeicheln oder sorge ich damit eher für Skepsis beim Zeugen? Der Vater im Kidnapping-Fall etwa ist zunächst beleidigt, wenn ich ihm verrate, dass ich mich in sein Schlafzimmer geschlichen habe und dort einen Drohbrief gefunden habe. Kurz danach ist der Ärger aber schon vergessen und ihm fällt ein Tatverdächtiger ein.

Kommentare

cM0 schrieb am
Interessant das in der Spielinfo noch immer steht "Release: Kein Termin" ;) Gekauft habe ich es mir am Releasetag, gespielt wird es nächste Woche, auch wenn der Test sich nicht ganz überzeugend liest. Das Setting und auch das schlichte Design sagen mir zu. Wenn die Geschichte passt (bzw. die Geschichten), bin ich eigentlich schon zufrieden. Dass es kein Inventar gibt, gefällt mir nicht aber die Auswahlmöglichkeiten in den Dialogen haben mir auch schon bei A Golden Wake gut gefallen, auch wenn man teils raten musste.
Alles in allem freue ich mich aber drauf.
schrieb am