Driv3r13.04.2005, Paul Kautz
Driv3r

Im Test:

Ein knappes Jahr ist für Spieleverhältnisse eine halbe Ewigkeit: Diese Zeit reicht vielen Entwicklern für einen Nachfolger, gelegentlich trennt diese Periode eine Grafikkartengeneration. Im Falle von Driv3r (ab 10,00€ bei kaufen) ist es einfach die Zeit, die die Konvertierung des umstrittenen Konsolenspiels auf den PC in Anspruch nahm – hat sich die Wartepause gelohnt?

Allein unter Gaunern

Driv3r - ein gigantischer Aufwand umwehte die Entstehung dieses Spiels: Ein Kurzfilm von Regie-Legende Ridley Scott, eine Latte Hollywood-Stars, welche die Hauptfiguren vertonen, ein Millionenbudget. Alles super, alles toll – aber letzten Ende krankte das fertige Spiel, genau wie die ähnlich umhypten The Getaway und True Crime , am übermäßigen Anspruch, alles besser machen zu wollen als die Konkurrenz. Und das gilt leider auch für die PC-Version, deren einzige Hervorhebungsmerkmale eine exklusive Mission sowie das hiesige Erscheinen auf DVD sind – was hauptsächlich den beiliegenden

Die Renderfilme sind optisches Highlight des Spiels.
Trailern (u.a. von Boiling Point und einem Making-Of-Video) zugute kommt. An der Installation ändert sich im Vergleich zu der amerikanischen 5 CD-Fassung nichts: Noch immer fließt ein erheblicher Teil unseres jungen Lebens den Zeitstrom hinab, bis die fünf Gigabyte auf die Festplatte geschaufelt sind.

Die Story ist wie gehabt: Ihr schlüpft in den muskulösen Körper von Undercover-Cop Tanner, der sich in Miamis Unterwelt einschleicht, um einem Autoschieber-Ring auf die Schliche zu kommen. Im Laufe seines streng linearen Abenteuers besucht er außerdem noch Istanbul und Nizza – alle drei Städte sind in groben Zügen authentisch nachgebildet, insgesamt erwarten euch satte 250 Straßenkilometer. Ihr müsst u.a. Gegner verfolgen, auf verfeindetem Territorium für Chaos sorgen oder selbst Autos klauen, und vorsichtig in fahrende Trucks manövrieren. Ist eine der teils sehr langen Missionen geschafft, dürft ihr speichern. Allerdings dürfte es bis dahin ein weiter Weg sein, denn der harsche, nicht veränderbare Schwierigkeitsgrad des Konsolen-Vorbilds wurde maßstabsgetreu übernommen. Auch der kleinste Fahrfehler kann am Ende eines Auftrags das Aus bedeuten, woraufhin ihr wieder von vorne anfangen dürft. Unschöne Erinnerungen an den fürchterlichen Einstieg des ersten Driver-Teils werden wach, denn da wie hier geht es auch mit einem Nervtot los: man muss mit einem den Spieler seekrank schaukelnden Polizeiwagen an Cop-Kumpels dranbleiben, und zwar ewig lang. Fährt man in ein Zivilfahrzeug oder in eine der unzerstörbaren Straßenlampen rein, ist die Mission gelaufen – noch mal von vorn bitte.

Fußlahm unterwegs

Um dem Namen des Spiels gerecht zu werden, verbringt ihr den überwiegenden des mit zwölf bis 15 Stunden Durchspielzeit recht kurzen Story-Modus’ in einem von über 70 Vehikeln: Autos, Motorräder, sogar Boote laden zur Spritztour ein. Die integrierte Physikengine tendiert zur Simulation, ist aber noch arcadig genug, um spektakuläre Slides 

Das Cruisen durch die Metropolen macht aufgrund der gelungenen Fahrphysik Spaß.
und, falls ihr es übertreibt, rasante Rollen zu ermöglichen – ganz abgesehen von Papierkörben oder Bretterzäunen, die ihr krachend durch die Gegend schleudern könnt. Solange ihr am Steuer eines Fahrzeugs sitzt, ist alles eitel Sonnenschein - die Kontrolle via Tastatur ist zwar nicht ideal, aber mit einem analogen Gamepad gewöhnt man sich schnell an die schaukelnden Kisten. Hier machen die Gegner auch Spaß: Sie tasten sich gekonnt an das eigene Fahrzeug heran, schneiden wild und rammen gezielt. Doch alles wird anders, sobald ihr einen Fuß auf den Erdboden setzen müsst: Mal ganz abgesehen von der dämlichen und wider jeglichen Verstand scheinenden Standardbelegung der Tastatur (u.a. liegt das Feuer auf »Num 5«) ist hier die Kontrolle einfach komplett spaßfrei.          

Tanner reagiert zickig auf Kommandos und schlägt furchtbar langsame Purzelbäume. Feuergefechte fühlen sich einfach nicht gut an – das liegt zum einen an den schrecklich langweiligen Schussgeräuschen, zum anderen an dem zappeligen Fadenkreuz

Feuergefechte sind aufgrund der zappeligen Kontrolle unnötig nervig.
und zu schlechter Letzt an dem fehlerhaften Timing zwischen Schuss und Geräusch; man kommt sich viel zu oft wie ein gelangweilter Zuschauer statt agierender Protagonist vor. Zu allem Überfluss lassen auch die Computergegner ihr Gehirn im Wagen: Sie sind lausige Schützen, scheren sich nicht um den Tod eines direkt neben ihnen liegenden Kollegen, kennen keine Ausweichtaktiken und gewinnen lediglich durch fiese Platzierung seitens der Designer (vorzugsweise direkt hinter nicht einsehbaren Ecken) die Oberhand. Die Lauf-Abschnitte waren schon im zweiten Teil die Spaßbremse des Spiels – und diese tolle Tradition setzt sich nahtlos in Driv3r fort. Habt ihr keine Lust mehr auf die Story, warten im Hauptmenü noch weitere Spielvarianten: »Freie Fahrt« lässt euch bereits freigespielte Städte zwanglos cruisend erkunden. Diverse Rennvarianten, vom Checkpoint- bis zum Verfolger-Racer, dienen vor allem der Schulung der Kontrolle. Und der seit dem ersten Teil bekannte Survival-Modus macht euch zum gejagten Fuchs, dem die Polizei hartnäckig auf den Fersen ist. Leider ist all das einem einsamen Wolf vorbehalten, kein Mehrspielermodus weit und breit.

Der kleine Regisseur

Einer der Gründe für den Erfolg der GTA-Serie ist, dass es eine Großstadt glaubhaft auf den Bildschirm bringen kann. Driv3r versucht Ähnliches mit realen Großstädten, scheitert aber am wichtigsten Punkt: dem Leben. Abgesehen von einigen, unerwartet ins Bild ploppenden Zivilfahrzeugen und sporadischen Fußgängern beleben nur Polizei- und Verbrecherfahrzeuge die hiesigen Straßen, das Gefühl einer atmenden, pulsierenden Metropole kommt bei den groben, blassen und detailarmen Gebäuden kaum auf. Darüber hinaus hat das Game enorme Hardwareanforderungen, die angesichts des gezeigten Ergebnisses einfach nur frech wirken, speziell angesichts flimmerfreudiger Texturen, massiver Clipping-Fehler und erwähnter Pop-Ups. Lediglich zwei Dinge sind gelungen: die coolen Fahrzeuge mit gelungenem Schadensmodell, sowie die nochmals cooleren Renderfilme! Dramatisch inszeniert, gekonnt geschnitten und gut animiert treiben sie einen Großteil der Story voran, der 

Ihr könnt im Laufe des Spiels aus über 70 Vehikeln wählen.
Rest wird von puppenhaften Echtzeit-Sequenzen zusammengehalten. Die Echtzeit-Schatten, das wählbare 16:9-Format und zwei unterschiedliche Perspektiven können kaum darüber hinwegtröstet, dass ein Game mit 2005er Hardwareansprüchen wie ein 2001er-Spiel aussieht. Immerhin könnt ihr Replays speichern, und im integrierten Studio mit allerlei Effekten und neuen Kamerapositionen verschönern.

Besser sieht es da schon an der Akustikfront aus: Ein fetter Soundtrack von Syntax über Iggy Pop bis zu Los Halos sorgt für mitwippende Füße, und erweckt speziell im »Freie Fahrt«-Modus den Wunsch, die Scheiben runterkurbeln und den Arm aus dem Fenster lehnen zu können. DVD sei Dank könnt ihr englische Sprachausgabe wählen, was angesichts der auch als »Einschlafhilfe« bekannten deutschen Synchro und der erwähnten Star-Besetzung der englischen Stimmen auch unbedingt empfehlenswert ist. Die Soundeffektfront hingegen ist zwiegespalten: Speziell die Muscle Cars blubbern schön tief vor sich her – auf der anderen Seite jaulen Motorräder unnötig quälend.     

Fazit

Ich fand schon die Konsolen-Versionen von Driv3r nicht weltbewegend – aber die PC-Variante lässt mein Weltbild kollabieren: Reflections hat es in zehn Monaten Konvertierungszeit tatsächlich geschafft, das Spiel schlechter zu machen! Die blasse, leblose und mit massiven Fehlern gespickte Grafik hat unerklärlicherweise höhere Hardwareanforderungen als Doom 3, die per pedes-Steuerung ist ein einziger Krampf, die Gegner sind ein Ausbund an Blödheit! Sobald man im Auto sitzt, ist die Welt einigermaßen in Ordnung: gutes Fahrgefühl, brauchbare Widersacher, schöne Physikengine, cooler Soundtrack. Hätten sich die Entwickler wie im ersten Teil auf diese Seite konzentriert, wäre Driv3r, nicht zuletzt dank der schmissigen und vor allem toll präsentierten Story, wirklich empfehlenswert. Da sie aber, warum auch immer, auf denselben Mix setzten, der schon den zweiten Teil zum spielbaren Nervtot machte, ist Driv3r nur denjenigen ans Herz zu legen, die GTA 3, Vice City und True Crime schon durch haben und nach mehr Gangster-mit-Auto-Futter verlangen.

Pro

<P>
drei gigantische Städte
mehrere Spielmodi
gute Fahrzeugsteuerung
lässiger Soundtrack
clevere Fahrer-KI
tolle englische Sprachausgabe
coole Renderfilme
enormer Fuhrpark
gute Physikengine
exklusive PC-Mission
praktischer Regisseur-Modus</P>

Kontra

leere, leblose Städte
langweilige Animationen
missratene Fußgängersteuerung
dumpfe Gegner-KI
jaulende Motorradsounds
mäßige deutsche Sprachausgabe
viele Grafikfehler
enormer Schwierigkeitsgrad, nicht variierbar
haarsträubende Standard-Belegung der Tasten
lange Ladezeiten
enorme Hardwareanforderungen
streng lineare Kampagne
Optionen vom Spiel aus nicht verstellbar

Wertung

PC

Überambitionierte Mischung aus Renn- und Ballerspiel mit fürchterlicher Steuerung.

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