Two Thrones18.02.2004, Jörg Luibl
Two Thrones

Im Test:

Jeanne d´Arc! Der Dauphin! Die Rosenkriege! Was für die einen bloß Kauderwelsch, übt auf die anderen eine magische Anziehungskraft aus. Leider geht das Echtzeit-Strategiespiel "Two Thrones" mit dieser Verlockung grob fahrlässig um. Denn statt nach delikatem Mittelalterduft stinkt es hier schnell nach billigem Historienfusel.

Paradoxe Philosophie

In Schweden gibt es ein Team von Geschichtsfreaks, das in regelmäßigen Abständen historisch fundierte Strategiespiele veröffentlicht: Paradox Entertainment. Mit der Europa Universalis -Reihe hat man weltweit eine Heerschar begeisterter Fans gewonnen, die vor allem die mit  geschichtlichen Fakten unterlegte Mischung aus Diplomatie, Wirtschaft und Kampf schätzen.

Der spartanische Eindruck des Hauptmenüs wird vom Spielprinzip bestätigt. "Europa Universalis" bzw. "Strategie light" heißt die Devise. Komplexität ist Fehlanzeige.

Umso neugieriger wird man, wenn man das fette Emblem "Europa Universalis Engine" auf der Verpackung entdeckt. Und umso entsetzter ist man spätestens nach einer Stunde, wenn man das magere Spielprinzip des pausierbaren Echtzeit-Titels durchschaut hat. Denn der Ausflug in die Welt des Hundertjährigen Krieges ist nichts weiter als eine erschreckend abgemagerte Variante von Europa Universalis II .

Kulisse unter Brettspielniveau

Optisch konnte Paradox Entertainment noch nie begeistern und Two Thrones bleibt trotz edler Europakarte der spartanischen Linie so treu, dass das über zwei Jahre alte Civilization 3  dagegen wie ein Grafikgott strahlt. So präsentiert sich das späte Mittelalter zwischen 1337 und 1485: Eine statische Landkarte mit klitzekleinen Bewegungen, für alle Nationen gleich aussehende Gebäude, keine animierten Kämpfe, keine animierten Truppenbewegungen.

Stattdessen wird der Marsch der Armeen von sich langsam auffüllenden Pfeilen dargestellt, die Schlachten lediglich als Zahlenspielerei mit akustischem Schwertgeplänkel inszeniert. Und da auch die berühmten Könige der Zeit nicht auftauchen, bleiben die Eroberungen unpersönlich, die Wahl der Nation belanglos. Auch musikalisch sollte man keine inspirierende Reise ins Mittelalter erwarten, sondern eher gewöhnliche Klänge mit spärlicher Geräuschkulisse. Selbst so manches Brettspiel entfacht mehr Atmosphäre als dieser virtuelle Purismus.

__NEWCOL__Mit Masse statt Klasse

Taktik ist nur in kleinen Ansätzen vorhanden, denn es geht hauptsächlich um die Größe und Zusammensetzung der Armee sowie das Gelände. Ob ihr nun England oder Frankreich, Kastilien oder Burgung spielt ist völlig egal, denn Spezialeinheiten gibt`s nicht. Letztlich sollte man einfach von jeder Waffengattung etwas aufbieten und dem Feind einfach zahlenmäßig überlegen sein, bevor man die Schlacht oder Belagerung eröffnet. Für Letztere kann man noch nützliche Kanonen erwerben.

Einen Einfluss hat man während des Konfliktes ohnehin nicht, so dass all die militärischen Facetten des Spätmittelalters untergehen: Die Macht des englischen Langbogens, die Effizienz der Pikeniere, der Untergang der Ritterheere. Nur im Multiplayer-Modus könnte das Ganze reizvoller sein, da hier wenigstens klüger gezogen und taktiert wird. Die KI ist jedenfalls kein Gegner.

Das Kampfsystem kam zwar auch bei Europa Universalis II zum Einsatz, aber das ist erstens kein Grund es nicht attraktiver zu machen und zweitens verbarg sich unter der kargen Oberfläche des Vorbilds wenigstens ein komplexes Spielerlebnis. Two Thrones bietet hingegen simpelste Strategie auf Risiko-Niveau, die euch Siegpunkte für bestimmte Erfolge verleiht: Jeder Gebäudeausbau bringt zwei, jedes Bündnis zehn, jede Provinz 20, jeder eliminierte Gegner 500 Punkte; bescheidene Abzüge gibt`s für Niederlagen, Beleidigungen und Kriegserklärungen – Letztere kostet bloß 20 Punkte.

Was steht da? Diplomatische Finesse und militärisches Genie? Oh, wie sich gerade die Balken biegen, denn beides sucht man vergebens.

Was bedeutet diese Gewichtung in der Praxis? Man erobert so gierig, dass sich die Landkarten biegen: Man nehme eine armselige Provinz wie Navarra, suche sich noch ein armseligeres Opfer, schicke seine Armee dorthin, spule die Zeit vor und verleibe sich das Land ein. Noch einfacher ist das Ganze natürlich mit den großen Nationen England und Frankreich, die gleich von Beginn an Tausende von Rittern, Langbogenschützen und Söldnern ins Feld führen.

Komplexität? Fehlanzeige!

Und die Diplomatie? Besteht aus Geschenke versenden (erhöht den Freundschaftwert), Heirat anbieten (erhöht das Ganze noch mehr) oder Krieg erklären (der Sympathiebonus ist aufgebraucht) – das war`s. Spione? Verhandlungen? Nicht vorhanden.

Ja, die Karten sehen schon edel aus. Aber leider vergeht der historische Charme sehr schnell. Vor allem, weil man mit Animationen gegeizt hat. Auch auf dem Wasser segeln Schiffe statisch umher.

Wenn man später prallgefüllte Kriegskassen hat, schüttet man einen Konkurrenten einfach mit Präsenten zu, bis er freundlich lacht und das Bündnis macht. Anstatt künstlicher Intelligenz gibt`s mathematische Logik. Diese ist wiederum so eroberungskalt, dass ich meine kleine Provinz trotz wilder Kriegstreiberei einfach schutzlos zwischen zwei starken Nachbarn gedeihen lassen konnte - ein Angriff war nie zu befürchten.

Und was ist mit dem Handel, der Religion, der Loyalität des Adels? Das wurde alles in ein leicht durchschaubares System von Abhängigkeiten gequetscht, das so funktioniert: Fördere dieses, dann freut sich jener, baue dieses, dann sinkt dein Ansehen bei jenem. Ein Beispiel: Erhöht die Bodenpacht und die Kasse klingelt, während gleichzeitig die Stimmung der Bauern sinkt – dargestellt durch eine immer dunkler werdende Wolke. Wollt ihr bei den Miesepetern wieder gut Wetter machen, solltet ihr einfach ein paar königliche Höfe auflösen.

__NEWCOL__Fürstlicher Opportunist

Im spielerischen Klartext könnt ihr quasi jeden Tag etwas anderes fördern, damit nicht irgendwann eine der Parteien Adel, Klerus, Bauern, Bürger rebellieren. Eine klare Linie? Langfristige Politik? Alles nicht nötig, denn in Two Thrones weht eure Fahne ganz nach Windrichtung. Das mag praktisch, effektiv und im Sinne Machiavellis sein, aber es raubt dem Spiel die strategische Tiefe. Außerdem stören Übersetzungsfehler, die euch vorgaukeln, dass es im Spiel keine Möglichkeit gibt, den Klerus freundlich zu stimmen – erst ein Blick ins dünne Schwarz-Weiß-Handheft schafft da Abhilfe.

Überhaupt werden Einsteigern zu Beginn mehr Fragen als nötig zugemutet, denn ein Tutorial ist nicht vorhanden. Wer sich mit den anderen Titeln aus dem Hause Paradox nicht auskennt, wird auch viele Dinge zunächst als paradox empfinden.

Seht ihr diesen Ritter in der Picardie? Er präsentiert eine Armee, die sich allerdings nicht zu Pferd, sondern per Balken gen Feind bewegt. Übrigens sehen alle Ritter gleich aus...

Auch hier hilft erst das Handbuch weiter, das einen kleinen Bonuspunkt offenbart: Es gibt tatsächlich einen Multiplayer-Modus über LAN oder das Internet, wo sich bis zu sechs Könige die Ritter auf den Hals jagen können! Aufgrund der schnellen Eroberungen und des leicht zu durchschauenden Spielprinzips kommt hier am ehesten so etwas wie Spielspaß auf. Aber ehrlich gesagt ist eine zünftige Partie Risiko oder eine Old-School-Schlacht North&South befriedigender. Und als Brettspiel hätte Two Thrones ganz schlechte Karten...

Fazit

Welche Strafe gibt es für grafisch veraltet, spielerisch belanglos und langweiliger als eine Partie Halma? Genau: Tod durch Verriss. Ich liebe historische Strategiespiele, ich bin ein Freund des englischen Langbogens und versinke ausgesprochen gerne in der Zeit des Spätmittelalters. Aber dieser bis auf simples Risiko-Niveau kastrierte Europa Universalis-Ableger befriedigt gerade mal die niedersten Bedürfnisse des Hobby-Feldherren: Große Armeen auf kleine hetzen, abwarten, Provinz einsacken, weiter - damit spielt sich das Ganze noch nicht mal wie ein Add-On zum Vorbild! Nein, dieses Spiel schreit geradezu nach dem sprachlich unsinnigen, aber irgendwie treffenden Stempel: Add-Off! Und dafür soll man noch 27 Euro zahlen? Wo Europa Universalis schon lange für knapp zehn Euro zu haben ist? Alter Schwede, das ist schon fast wieder witzig.

Pro

edle Karten
Multiplayer-Modus
historische Ereignisse
schnelle Eroberungen möglich

Kontra

kein Tutorial
kaum Animationen
Übersetzungsfehler
keine Abwechslung
unverschämte 27 Euro
KI mit klaren Fehlern
puristische Präsentation
strategisch viel zu simpel
kein Einfluss auf Kämpfe
diplomatisch unbefriedigend
unpersönliches Spielgefühl
Wahl der Nationen ist egal

Wertung

PC

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