Das Eulemberg-Experiment29.08.2006, Bodo Naser
Das Eulemberg-Experiment

Im Test:

Bei vielen Adventure-Fans ist Das Eulemberg-Experiment (ab 49,95€ bei kaufen) von Artematica im Vorfeld auf wenig Gegenliebe gestoßen. Zu komplizierte Steuerung, zu langatmig und zu unlogisch lauteten einige der Kritikpunkte. Ob wir uns dieser Meinung anschließen oder ob uns das mysteriöse Point&Click-Adventure gar an den Rechner fesselt, erfahrt ihr im Test.

Programmierte Gähnattacke

Etwas, das mich in seinen Bann ziehen will, sollte mit einem Paukenschlag beginnen. Das weiß eigentlich jeder, der schon einmal einen Kurzgeschichten-Schreibkurs für Hobby-Autoren absolviert hat. Aus diesem Grund fangen auch

Der Held steckt seine Nase gerne in fremde Dinge. Leider durchsucht er dabei auch mal den heimischen Haushalt, was zum Gähnen ist.
Filmthriller meist mit einer temporeichen Vorgeschichte an. So gewinnt man die Aufmerksamkeit des Zuschauers und kann ihn hinterher mit einer längeren Geschichte bei der Stange halten. Ohne einen derartigen Teaser wird der Cliffhanger allerdings oft zum "Downhanger" für die Story.

Die Macher des Eulemberg-Experiments scheinen davon noch nie etwas gehört zu haben, denn ihre Geschichte beginnt völlig belanglos. Sogar derart lahm, dass es schon fast Alltag sei könnte. Nur, wer spielt schon gern den Tagesablauf nach? Ihr seid Professor Adam Quinn, der mit viel gutem Willen als Aushilfs-Indie durchgehen könnte - schließlich hat er auch Harrison Fords deutsche Stimme. Zwar schwingt er keine Peitsche, er sucht aber nach einer Möglichkeit, sein Haus zu verlassen. Dafür muss er sich umziehen, was gar nicht so einfach ist, da er keinen Schlüssel für seinen Schlafzimmerschrank hat.

Unbekannter Hauptdarsteller

Diese öde "Homestory" des Protagonisten kann natürlich noch nicht alles sein, denn dann würden die meisten vermutlich schon vorzeitig die Segel streichen. Es gibt aber auch noch so etwas wie eine richtige Hintergrundgeschichte, die in neun Kapitel eingeteilt ist und von einem mysteriösen Mord an einem Wissenschaftler handelt. Professor Eulemberg, ein Kollege von Quinn, hat ganz genretypisch streng geheime Forschungen betrieben, in die ihr nun Licht bringen sollt. Allerdings ist die Entdeckungstour durch Eulembergs Haus auch nicht viel spannender als die Anfangsepisode.

Der Held mit der blonden 50er-Jahre-Tolle ist hierzulande fast unbekannt. In Italien ist Adam Quinn hingegen der Hauptdarsteller eines kultigen Mystery-Comics namens "Martin Mystere" aus der Feder von Alfredo Castelli. Leider dringt das Comic-Flair nur ganz gelegentlich mal durch, wenn er etwa einen trockenen Spruch zum Besten gibt. Ansonsten bleibt Quinn ein eher farbloser Geselle, der zwar nicht gänzlich unsympathisch ist, aber eben auch nicht sonderlich anziehend wirkt. An die zehn Stunden müsst ihr es mit ihm aushalten, um die Auflösung des Mysteriums zu erleben.

Gar so unlogisch?

Die Suche nach dem Schlüssel ist gar nicht so einfach: Obwohl der Diener Yashi ihn hat, rückt er ihn einfach nicht raus. Der Tausch der Statue gegen den Türöffner ist andernorts als unlogisch eingeschätzt worden. Man darf

Puh! Nachdem ihr die erste Schlüsselsuchorgie beendet habt, landet ihr bei Eulembergs mondänen Anwesen.
dabei aber nicht unterschlagen, dass Quinn beim Einsammeln des Kopfes zum Besten gibt, dass der kurz angebundene Steinzeithelfer auf das sündteure Artefakt stehe und er es deshalb vor ihm verstecken musste. Ganz so dümmlich wie es scheint, ist das Rätsel also nicht. Mit kommt es eher dämlich vor, dass der Prof keinen eigenen Schlüssel zu seinem Schrank hat.

Die Rätsel sind unterschiedlicher Natur: Es gibt die Fälle, bei denen ihr einen bestimmten Gegenstand finden und einsetzen müsst. Sie bilden den überwiegenden Anteil des Abenteuers, sind aber mitunter nicht ganz leicht zu durchschauen. Ihr müsst z.B. erst einmal draufkommen, dass ihr euch selbst anrufen müsst, um euer Handy unter einem Kissen zu finden. Da könnt ihr recht lange suchen! Dann gibt es aber auch Logikpuzzles, bei denen ihr irgendeine Kombination oder Reihenfolge herausfinden müsst. Mit ein wenig Geduld und Spucke lassen sich solche Passagen durch Tüfteln bewältigen, auch ohne in die Komplettlösung zu schauen.

                   

Suchorgie

Viel nerviger ist, dass ihr gezwungen seid, die Räume quasi Pixel für Pixel abzusuchen. Oft müsst ihr gleich mehrere Gegenstände ins Inventar aufnehmen, was zur echten Fleißarbeit ausartet. Leider ist nicht zu erkennen,

Oh-je! Schon wieder ein Raum, der allenfalls leidenschaftliche Sucher in Verzücken setzt.
was ihr mitnehmen müsst und was bloße Dekoration ist. So erfahrt ihr viel über Archäologie, Zimmereinrichtung und Quinns Frau, was letztlich nicht so interessant ist, wie es anfänglich den Anschein haben mag. Ihr seid auch gezwungen, wieder an Orte zurück zu kommen, die ihr schon besucht habt. Das ist die Art von laufintensiver Zeit totschlagen, die in einem Adventure eigentlich nicht vorkommen sollte.

Die Steuerung per Maus macht das Ganze nicht gerade einfacher, denn sie ist nur etwas für Fingerakrobaten. Um etwas über einen Gegenstand zu erfahren, klickt ihr ihn einfach an. So weit, so gut, so simpel. Um aber etwas zu aktivieren, müsst ihr draufbleiben und dann klicken, was ziemlich umständlich ist. Auch das Kombinieren von Gegenständen funktioniert zu Beginn nicht unfallfrei, da ihr schon einen Blick in die Anleitung werfen müsst, um dahinter zu kommen. Zum Glück gibt es keinerlei Actionpassagen, so dass ihr euch wenigstens dabei keine Verrenkung holt.

Langatmige Monologe

Die Dialoge mit den über 20 Charakteren sind öfters ausufernd, aber auch meist wenig erbaulich. Es handelt sich zwar um Multiple-Choice-Dialoge, was ihr fragt, ist aber mal wieder ohne große Bedeutung. Einflussmöglichkeiten? Fehlanzeige! Ihr klappert einfach alle Punkte ab und fertig. So kann es schon mal vorkommen, dass ihr euch minutenlang mit einer Nebenperson unterhaltet und nix dabei rausspringt. Das Gesagte ist oft mehr als banal; von spannenden Einblicken in die Natur der Leute wie zuletzt bei The Longest Journey: Dreamfall also keine Spur.

Auch stimmlich herrscht dabei meist Langeweile, da viele der deutschen Sprecher keine gute Arbeit abliefern. Die Sprachausgabe klingt durchaus professionell, wird aber ohne große Liebe heruntergespult. Adam Quinns Stimme geht noch in Ordnung, aber auch er macht oft unnötige Pausen, die den

Sieht aus wie bei "24", ist aber ohne Pep. Eine der wenig überzeugenden Zwischensequenzen, die viel Standgrafik bieten.  
zerstückelten Lesetext unten am Bildschirm widerspiegeln. Diese Art der seltsamen Betonung könnte auch aus einem Politikerinterview stammen. Noch ein Manko der Sprachausgabe ist, dass nicht alle inneren Dialoge Quinns vertont wurden. Immerhin wird das Geschehen von wechselnder Musik untermalt, die die Dramatik verstärkt.

Durchwachsene Grafik

Technisch befindet sich das Spiel auf keinem ausgesprochen hohen Standard: Seltsame 3D-Akteure agieren vor schmucken, aber unbewegten 2D-Hintergründen, wie das bei vielen Adventures üblich geworden ist. Irgendwelche umherflatternden Insekten oder sich kräuselnder Rauch wie bei Syberia gibt es hier nicht. Die Zwischensequenzen sind leider nur teilweise animiert, so dass ihr immer nur Ausschnitte der 3D-Figuren sprechen seht. Eigentlich auch besser so, denn aus der Nahansicht sehen die recht komisch aus, da die Charaktermodelle deformiert erscheinen. Außerdem gibt es unschöne Dinge, wie etwa Münder durch die ihr hindurchschauen könnt, wenn sie sich beim Sprechen bewegen. Zum Glück seht ihr die Personen meist aus einiger Entfernung. Optisch bewegt sich alles auf einem durchschnittlichen Niveau.

        

Fazit

In Italien mag Adam Quinn vielleicht Comic-Kult sein, bei mir lösen seine Abenteuer allenfalls ein laues Lüftchen aus. Die Geschichte um den toten Eulemberg mag zwar geheimnisumwittert klingen, sie beginnt aber derart pomadig, dass sie einen schon fast einschläfert. Wer den Anfang durchsteht, wird vielleicht mit einer sich steigernden Story belohnt, zu keinem Zeitpunkt kommt aber richtiges Abenteuerfeeling im Stil von Dr. Jones auf. Nicht einmal in steinalten Ruinen, von denen es einige zu erkunden gibt. Die Rätsel bieten wieder mal die übliche Inventar-Hantiererei sowie einige Logikpuzzles. Die Suchorgien sind nicht nur wegen der umständlichen Steuerung nicht das Gelbe vom Ei, sondern auch weil wohl die wenigsten Fans einen Raum bis aufs Kleinste sezieren wollen. Die genretypische 2D/3D-Optik ist solide, ihr fehlt es aber an Klasse: Sie liegt ein paar Stufen unter dem, was etwa Benoit Sokal mit Syberia ablieferte. Trotz der deutschen Stimme von Harrison Ford wirkt die Sprachausgabe lieblos, da viele Sprecher nicht ihr Bestes geben. Hoffentlich kann sich LucasArts mal wieder dazu durchringen, ein gescheites Indiana Jones-Adventure aufzulegen.

Pro

klassisches Adventure
mysteriöse Handlung
im Stil der Indiana Jones-Abenteuer
keine Actioneinlagen
dramatische Musik

Kontra

Story kommt nur langsam in Schwung
uninteressanter Anfang
alles absuchen müssen
komplizierte Steuerung
belanglose Dialoge
teils lächerliche Charaktermodelle
schwache Zwischensequenzen
durchwachsene Sprachausgabe

Wertung

PC

Adam Quinn ist leider nur ein Aushilfs-Indiana, dem die Klasse fehlt.

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