Keine freie Wahl
Das Äußere stimmt: Die Figuren bewegen sich authentisch, die Dialoge sind knackig.
Was an spielerischer Abwechslung geboten wird, ist leider nicht viel und lediglich das, was man aus jedem Wald-und-Wiesen-Shooter kennt. Als Scharfschütze muss man seinen Partner oder eine Geisel schützen, auf einem Schnellboot muss Max die Verfolger ausschalten und jagt wie 007 auf eine Rampe für den Megasprung. Selbst steuert er keine Fahrzeuge, aber er gibt Feuerschutz, später auch aus einem wild umher rasenden Bus. Schön ist, dass man wenigstens in ein, zwei Situationen cleverer oder mit weniger Lärm vorgehen kann: Hier einen Bremsklotz wegschießen, da die schallgedämpfte Pistole für die Kopfschüsse nutzen. Natürlich ist Max kein Leisetreter und alles andere als elegant, was er in einem der besseren Momente selbstironisch zu bedenken gibt. Deshalb habe ich von dieser Art der subtilen Abwechslung auch nicht mehr erwartet. Aber wenn man mal Schalter bedienen oder tatsächlich Indizien finden muss, liegen sie auch noch direkt auf dem linearen Pfad. Die größte Herausforderung des Spiels: Sprengsätze an rot markierten Säulen in zwei Etagen anbringen.
Rockstar zwängt Max nicht nur in ein viel zu enges Level-Korsett: Er wird zu oft regelrecht festgenagelt, indem die Tür hinter ihm plötzlich und völlig unlogisch nicht mehr aufgeht und vor ihm dutzende Feinde erscheinen. Er kann bis auf wenige Ausnahmen quasi keine Entscheidungen treffen, weder routentaktisch noch erzählerisch. Warum hat sich das Spieldesign hier nicht mal mutig entwickelt? Denn es gibt Momente, in denen sich Letzteres fast aufzwingt: Erschießt man den Zivilisten, der in den Favelas in die Schusslinie gerät, die wimmernde Prostituierte in der Strip-Bar oder den Polizisten, der auf die Knie
Es gibt spielbare Rückblicke, in denen man in New Jersey unterwegs ist.
geht? In der amerikanischen Version ist das theoretisch möglich, in der deutschen Version hat die Kugel einfach keine Auswirkungen. Viel gravierender als diese Schnitte ist, dass es aber auch im Original vollkommen egal ist, ob man die „Unschuldigen“ abknallt.
Rockstar hätte dem Spieler trotz der Levelschläuche ein paar dramatische Schlüsselszenen mit freier Wahl anbieten können, damit man diesem Max vielleicht eine eigene Note verpassen, ihn auf dem Weg zum Ziel eher läutern oder dämonisieren könnte – am besten mit zwei Enden. Das ist nicht die Kernkritik an diesem Shooter, aber an der Mutlosigkeit der Entwickler, die immerhin einen von Selbstzweifeln geplagten Charakter anbieten, der innerlich zerrissen ist, aber den man über die Art des Spielens weder retten noch tragisch enden lassen kann. All das wäre kein Problem, denn ein Drama kann man auch streng linear inszenieren. Also ist man auf der Suche nach etwas Besonderem, das die Tradition der Reihe markant fortführt, auf das Drehbuch angewiesen – und das ist genauso schwach wie die Präsentation trotz ihrer technischen Klasse stilistisch austauschbar ist.