Im Test:
Gewitter im Großraumbüro
Ich hocke in einer Deckung, die bald keine mehr ist - schon jetzt fliegen mir zig Holz- und Glassplitter um die Ohren, außerdem werde ich von huschenden Schatten flankiert. Das Großraumbüro wird zwar erst seit fünf Minuten gestürmt, aber es sieht bereits aus wie ein Schlachtfeld. Max kann sich neuerdings auf Knopfdruck verschanzen und sowohl gezielt als auch blind aus der geschützten Position heraus feuern, aber die agilen Feinde erlauben keine langen Sitzungen, sondern verlangen spontane Bewegungen. Also raus aus der Hocke, rein in den akrobatischen Hechtsprung und die Bullet Time aktiviert: Die Zeit verlangsamt und ich kann den Zielpunkt vielleicht zwischen den Augen von zwei oder drei Feinden platzieren. Die Maus dreht sich, der Revolver kracht, das Blut spritzt – sehr elegant.
Die Installation läuft nicht reibungslos, denn das Spiel bleibt manchmal beim schwarzen Schirm hängen. Wenn es nach der Aktualisierung der Grafiktreiber (vor allem ATI-Systeme machene Probleme) sowie Microsoft .NET Framework klappt, , kommt man auf dem PC in den Genuss der technisch ansehnlichsten Version. DirectX 11 wird inkl. Tesselation unterstützt; außerdem kann man einen 3D-Effekt aktivieren. Die gestochen scharfe Kulisse wurde für nVidia-Grafikkarten optimiert.
Minimal braucht der PC diese Muskeln: Windows 7/Vista/XP; Intel Dual Core 3GHz; NVIDIA GeForce 450 512MB RAM oder AMD Radeon™ HD 4870 512MB RAM. heutzutage alles noch realistischer in sich zusammen geschossen wird, vom im Bleihagel zuckenden Gangster bis hin zur berstenden Wandhalterung.
Wenig authentisch reagieren die Feinde allerdings, wenn sie eng beieinander stehen und ich einfach mit genug Bullet Time in sie hinein springe: Dann kann ich sie zu einfach nacheinander ausknocken und erschießen, da gewöhnliche Feinde seinen immer gleichen Nahkampf nicht kontern können - selbst im Tumult hat man alle Zeit der Welt für die Exekution. Die Physik-Engine simuliert Einschüsse ähnlich wie in Killzone 3 an jedem Körperteil anders – man kann auch Helme von Köpfen schießen. Ärgerlich ist, dass es beim Feuern aus der Deckung heraus manchmal Fehler gibt: Man visiert einen Feind mit einem Gewehr klar an, aber in der Animation schießt man nach oben und trifft die Decke? Und warum wird nach einer Zwischensequenz meist die aktive Waffe gewechselt?
Bezahlter Urlaub in Brasilien
Es macht immer noch Spaß, mit diesem Mann zu kämpfen, seine Projektile wie Todesküsse abzufeuern. Er trinkt seinen Whiskey pur, er hat das hektische Ballern vor elf Jahren in einen langsamen Blues verwandelt und er hockt mal wieder knietief in der Scheiße. Er fühlt sich dabei nicht wie ein Held, sondern wie ein
Natürlich kommt alles anders. Egal ob Hafen, Favelas, Fußballstadion oder Großraumbüro: Leicht ist im Lande des Samba, das hinter Edelnutten, Partys und Koks bald seine hässliche Fratze offenbart, gar nichts. Das liegt weniger daran, dass Max kein Wort Portugiesisch spricht, was die Regie angenehm babylonisch ohne Übersetzungen vermittelt, sondern an der grassierenden Gewalt und der Überzahl feindlicher Projektile. Denn obwohl ich zwei Kopfschüsse platziere und weitere drei Feinde über den Haufen schieße, verliere ich erstens die Energie für die Zeitlupe und zweitens hab ich nur noch ein Schmerzmittel – und meine Lebenspunktefigur ist schon fast bis unter den Hals rot gefärbt. Damit könnte ich Max ein wenig heilen, aber das letzte Schmerzmittel sollte ich aus taktischen Gründen aufbewahren.
Todesschütze als Joker
Und es gibt Situationen, darunter leider auch der finale Kampf, in denen man genau das ausnutzen kann bzw. muss, um zu überleben. Das Spiel ist aber alles andere als zu leicht. Veteranen werden bereits auf dem zweiten von drei Schwierigkeitsgraden ohne Zielhilfe (Einsteiger können eine leichte oder gar volle aktivieren) richtig gefordert, wobei es auch einige unfaire Stellen gegen eine erdrückende und extrem zielgenaue Übermacht gibt, die nur nach zig Wiederholungen zu meistern sind. Da kann schon mal Frust entstehen, denn die zu Beginn fairen Rücksetzpunkte werden später immer seltener – man muss also des Öfteren sehr lange Passagen wiederkäuen. Das ist auch deshalb ärgerlich, weil es streng linear geradeaus geht und man eine Gegnerwelle nach der anderen abfangen muss. Dass man die Flinte nicht ins Korn wirft, verdankt man auch einem helfenden Automatismus: Wer häufiger scheitert, bekommt automatisch mehr Schmerzmittel. Und nicht nur das ist ein Problem des monotonen Spieldesigns.
Keine Erkundung, immer geradeaus
Man hat allerdings keine Freiheiten, sich diese Szenen selbst zu erschaffen. Man kann zwar nahezu alles in der Umgebung zu Kleinholz schießen, aber nicht selbst entscheiden, ob man sich jetzt durch dieses Fenster stürzt, um an dem Schrägdach darunter hinab zu gleiten und in Zeitlupe auf die Feinde darunter zu feuern. Zwar ist das auch als Skript immer noch cool, aber viel cooler wäre es, wenn man selbst mit der umgebenden Architektur experimentieren könnte, wenn man selbst Extremsituationen einleiten könnte. So fühlt man sich wie an einer starren Leine, hängt dabei auch schon mal ballernd an Helikoptern oder Seilwinden, während man bei aktivierter Bullet Time fünf, sechs oder sieben Treffer landen muss, bevor die Szene abbricht oder man den Boden erreicht.
Wenn es mal Abzweigungen gibt, wenn es mal irgendwo um eine Ecke oder in einen anderen Raum geht, dann kann man sicher sein, dass man dort lediglich goldene Waffenteile findet. Es gibt an die 25 Schießprügel von der Pistole bis zum Granatwerfer, die jeweils in drei Bruchstücken zu finden sind und irgendwann ein komplettes Set ergeben. Dann ballert Max mit der goldenen und effizienteren Variante weiter – das wäre im Arcade-Modus okay, sieht aber im Story-Modus denkbar bescheuert aus. Zwischendurch blinken neben den normalen Trophäen und Achievements überflüssigerweise weitere Medaillen auf, wenn man den x-ten Feind erledigt oder die x-te Minute in Zeitlupe verbracht hat. Wie weit man bei der Jagd ist, kann man in den so genannten „Story-Grinds“ nachlesen – eine Statistiksammlung mit Klunker. Mehr Informationen über Charaktere, Gangs oder Spezialeinheiten? Fehlanzeige.
Keine freie Wahl
Rockstar zwängt Max nicht nur in ein viel zu enges Level-Korsett: Er wird zu oft regelrecht festgenagelt, indem die Tür hinter ihm plötzlich und völlig unlogisch nicht mehr aufgeht und vor ihm dutzende Feinde erscheinen. Er kann bis auf wenige Ausnahmen quasi keine Entscheidungen treffen, weder routentaktisch noch erzählerisch. Warum hat sich das Spieldesign hier nicht mal mutig entwickelt? Denn es gibt Momente, in denen sich Letzteres fast aufzwingt: Erschießt man den Zivilisten, der in den Favelas in die Schusslinie gerät, die wimmernde Prostituierte in der Strip-Bar oder den Polizisten, der auf die Knie
Rockstar hätte dem Spieler trotz der Levelschläuche ein paar dramatische Schlüsselszenen mit freier Wahl anbieten können, damit man diesem Max vielleicht eine eigene Note verpassen, ihn auf dem Weg zum Ziel eher läutern oder dämonisieren könnte – am besten mit zwei Enden. Das ist nicht die Kernkritik an diesem Shooter, aber an der Mutlosigkeit der Entwickler, die immerhin einen von Selbstzweifeln geplagten Charakter anbieten, der innerlich zerrissen ist, aber den man über die Art des Spielens weder retten noch tragisch enden lassen kann. All das wäre kein Problem, denn ein Drama kann man auch streng linear inszenieren. Also ist man auf der Suche nach etwas Besonderem, das die Tradition der Reihe markant fortführt, auf das Drehbuch angewiesen – und das ist genauso schwach wie die Präsentation trotz ihrer technischen Klasse stilistisch austauschbar ist.
Filmische Inszenierung
Max Payne 3 (ab 7,00€ bei kaufen) lässt seine Engine genauso posen wie die vollbusigen Strip-Tänzerinnen: Die Favelas sehen verdammt gut aus, weil man Sao Paulo quasi in Polygone gegossen hat. Max läuft an Fußball spielenden Kids und misstrauischen Bewohnern vorbei, die Armut ist in den engen, aber bunten Gassen genauso greifbar wie die Feindseligkeit gegenüber Gringos, die nicht mal Portugiesisch sprechen. Max schleppt sich wie einer dieser versoffenen Urlauber durch herunter gekommene Hinterhöfe und versiffte Strip-Bars. In diesen Situationen, in denen er als Fremder und Zuschauer durch die Straßen schlurft, fühlt man sich fast an Uncharted 2 erinnert, als der Held staunend durch ein tibetisches Dorf wandert. Vielleicht wird es irgendwann Spiele geben, die aus so einer Stille heraus nicht so plump in die nächste Ballerszene überleiten. Das habe ich nicht von diesem dritten Max Payne erwartet, aber eine bessere Geschichte schon.
Schwache Geschichte
Die Story ist strukturell zwar gut arrangiert, legt einige Köder aus und arbeitet sich mit Rückblicken nach New Jersey oder auch frühere Aufträge langsam an die Aufklärung einiger Fragen heran. Aber inhaltlich sind alle Antworten so plump wie die Geschichte nach dem Abspann enttäuschend ist. Es gelingt dem Drehbuch weder die Entwicklung von Max glaubhaft darzustellen noch das Finale intensiv zu gestalten. Die größte erzählerische
Erst viel später, nachdem Max ohne Haare genauso wie mit Haaren weiter dutzende Feinde ins Jenseits befördert, taucht ein stärkeres Motiv auf, das Max als Menschen innerlich aufwühlt, richtig sauer macht und für die Verwandlung seines Charakters wesentlich besser geeignet wäre. Warum hat man das nicht genutzt? Rockstar setzt den Spannungsbogen viel zu früh und zu schwach an. Und leider verpasst man auch den Treffer für das Finale: Die letzten zwei der dreizehn Stunden ziehen sich wie Kaugummi, weil man einfach kein Ende findet, immer mehr Spezialeinheiten auflaufen lässt. Und selbiges ist dann auch noch eine komplette Trial&Error-Farce in der Inszenierung - man wird auf freiem Flughafengelände auf ein paar Quadratmeter eingepfercht und muss wie blöde Tabletten einschmeißen und ballern, um überhaupt mal Luft zu bekommen. Wie man eine Unterzahl- und Umzingelungssituation sowohl fordernd als auch fair darstellt, hat schon Resident Evil 4 demonstriert.
Fazit
Was ist los Rockstar, habt ihr keine Eier mehr? Warum ist die Story so schwach, die Inszenierung so gewöhnlich? Traut ihr euch nicht, ein anspruchsvolleres Spiel noir für Action-Veteranen zu machen? Und ich dachte, ihr Amerikaner versteht was von Kapitalismus? Wenn auf einem Produkt Max Payne drauf steht, dann sollte auch einer drin sein! Ich habe Max geliebt, weil er Charakter und Stil hatte – wie ein guter Whiskey. Das hier schmeckt wie ein bunter Cocktail, spielt sich wie ein explosiver Military-Shooter, nur dass nebenbei Latinas in String-Tangas tanzen. Von der Symbolik und Düsternis der ersten Teile ist nichts zu spüren und der erhoffte Dramaturgiewechsel nach der äußeren Veränderung des Helden findet nicht statt - das Drehbuch kann die Entwicklung nicht mal plausibel erklären. Trotzdem wird man solide unterhalten: Auch wenn Max auf Dauer zu viel zynisches Einerlei von sich gibt, passen seine Kommentare in den besten Momenten wie die Kugel zwischen die Augen, man erlebt knallhartes Actionkino ohne Kompromisse. Die Schauspieler bewegen sich natürlich und die technische Leistung besteht in der akribischen Recherche vor Ort: Die Kulisse in Sao Paulo, egal ob Fußballstadion oder Favela, wirkt unheimlich realistisch. Aber Max wurde in ein so enges Leveldesign-Korsett geschnürt, dass er keine Luft zur freien Erkundung hat. Er darf weder erzählerisch noch taktisch etwas beeinflussen, läuft wie ein Hund an der Leine und muss viele frustrierende Wiederholungen in einem teilweise unfairen Spieldesign ertragen. Und irgendwann nuschelt Max sogar so wie Sylvester Stallone. Vor allem im letzten Viertel, nach der sechsten oder siebten Welle immer gleicher Spezialeinheiten, hab ich mir gedacht: Killing is as easy, aber auch as boring as breathing. Ein stilistisches Meisterwerk mit Ecken und Kanten wird zur Action für die Masse mit klasse Motion und Capturing. Der Finalkampf ist übrigens ein überaus lang anhaltender Trial&Error-Schmerz im Arsch. Aber hey, sieht bis dahin geil aus, rumst satte dreizehn Stunden und hat einen Multiplayer mit zig Modi, Aufrüstungen & Freischaltbarem. Also das ideale Spiel für die Generation Call of Duty.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Klasse Technik, tolle Zeitlupen, schwache Dramaturgie und monotones Spieldesign - früher ein Meilenstein, heute Mainstream.
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