Turok11.02.2008, Paul Kautz
Turok

Im Test:

Neues Jahr, neues Glück: 2007 regnete es gerade in den letzten Monaten derart viele hochklassige Shooter, dass selbst »lediglich« gute Vertreter dieses Genres eine schwere Zeit hatten. Wagemutige oder betriebsblinde Publisher nutzten die Gunst der Stunde, sich mit den großen Jungs anzulegen - vom Schicksal ihrer Produkte hat man aus gutem Grund seitdem nichts mehr gehört. Und was ist mit ihren Zeitgenossen, die clever genug waren, noch zu warten?

Willkommen auf dem Jurassic Planet

Ich könnte jetzt absatzlang über die Geschichte von Turok (ab 20,42€ bei kaufen) schwadronieren, von seiner Hochphase auf dem N64 und PC, von seinem tiefen Fall, der unmittelbar darauf folgte. Mache ich aber nicht. Das Thema »Der neue Turok ist nicht der alte Turok!« wurde mittlerweile derart breitgewalzt, dass man daraus die weltgrößte Pizza backen könnte. Kurz gefasst: Joseph Turok, ehemaliger Sträfling, ehemaliges Mitglied der Söldnertruppe »Wolfsrudel« ist jetzt bei den Marines,

Sich mit einem T-Rex anzulegen war noch nie eine gute Idee: Sobald dieser Gigant durchs Bild donnert, solltet ihr schnellstmöglich die Beine in die Hand nehmen.
um seine alten Kollegen zu stoppen. Einzige Verbindung zu seinem Namensvetter: Er ist Indianer. Und Dinos kommen auch vor.

Ach ja, die Dinos: Teilweise sind die gut animierten Carnivoren beeindruckend groß (hallo T-Rex!), meist aber klein, schnell und nervend - das wären dann die Raptoren, ihre kleinen Flitzekumpels sowie eine Mischung aus Baumkletter-Salamander, verdammt schnellem Hund und bissfreudigem Krokodil, den ich mangels Kenntnisse fortgeschrittener Paläontologie nach dem Gedanken benannt habe, der mir hauptsächlich bei seinem Auftritt durch dem Kopf ging: Nervsacksaurus. All diese Reptilien haben die unangenehme Eigenschaft meist aus dem Nichts aufzutauchen, sich einen schnellen Happen McTurok zu gönnen und wieder abzuhauen. Oft genug schmeißen sie einen auch um, woraufhin eine »Quick Time Reaction« klassischer Schule über Fortschritt oder Quickload entscheidet: Drückt ihr den linken Stick oder die entsprechenden Schultertasten schnell genug, sorgen mehrere messerförmige Löcher im Saurierschädel dafür, dass er keine Zeit mehr dafür hat, über sein schändliches Tun nachzudenken.

Gelegentlich haben die Fleischberge aber auch ihren Vorteil: Eine Herde friedlich äsender Pflanzenfresser entpuppt sich, dezent angeschossen, als durchschlagskräftige Stampede, mit der man größere Feind-Ansammlungen schnell zerschmettern kann. Sehr nützlich ist auch, dass Raptoren die Leuchtspurmunition des Schrottgewehrs wahnsinnig interessant finden - so interessant, dass man die hellen Kugeln in eine Gruppe ahnungsloser Gegner feuern kann, woraufhin sie flott und nachhaltig ein ähnliches Schicksal erfahren wie 90% der Besucher des Jurassic Park. Diese kreative Vorgehensweise klappt leider nicht immer, denn nach dem stimmungsvollen Dschungel-Einstieg findet ihr auch ab dem zweiten Spieldrittel vermehrt innerhalb generischer Forschungsanlagen wieder, wo ihr auf handelsübliche Weise mit dem immergleichen Standardgegnern verfahren müsst - nicht umsonst liegt überall so viel Munition herum...

Wehrhafte Rothaut

Das aus bisherigen Teilen bekannte, abgefahrene Waffenarsenal gehört der Vergangenheit an. Als wortkarger Söldner verlässt sich Joseph auf klassisches Krawumm-Material wie MG, Pistole, Schrotgewehr, Granaten oder ein schnell überhitzendes Impulsgewehr - die meisten Waffen können beidhändig getragen und sogar mit anderen kombiniert werden. Die beiden

Mit dem Messer könnt ihr einen ahnungslosen Gegner schnell und nachhaltig ausschalten - nützlich, aber risikoreich.
wichtigsten Ausrüstungsgegenstände sind dagegen eher trivialer Natur: Messer sowie Pfeil & Bogen. Ersteres ist die mächtigste Waffe im Spiel, da sie, zum richtigen Zeitpunkt (der eingeblendet wird) eingesetzt, mit einem Treffer tötet - aber eben nur im Nahkampf. Letzteres ist auch auf weite Entfernung irre durchschlagskräftig, muss aber präzise gezielt werden.

Und an dieser Stelle kommt die Steuerung ins Spiel, die für einen Konsolenshooter viel zu präzise Eingaben verlangt: Am PC kann man mit der Maus problemlos punktgenau dorthin deuten, wo man hin will, mit einem Gamepad geht das nicht so ohne weiteres - deswegen gibt es schon seit vielen, vielen Jahres etwas namens »Zielhilfe«, das einem zumindest im Fadenkreuz-Grenzbereich einen Teil der Frickelarbeit abnimmt. Nicht so bei Turok. Das ist insofern besonders ärgerlich, als dass es die an sich gute Gegner-KI in etwas Negatives wandelt: Die Klonfeinde haben klare Ziel-Vorteile, nutzen das Gelände samt Besonderheiten (Deckung, Leitern etc.) clever, teilen sich auf, verändern ständig die Position. Während man als Nachwuchs-Indianer also damit beschäftigt ist, einen Pfeil nach dem anderen links und rechts am Feindeskopf vorbei in die dahinter schlummernde Wand zu tackern, wird man unerwartet von allen Seiten beschossen.                       

Hat man Glück und noch genug Zeit, die Beine in die Hand zu nehmen und eine ruhige Ecke zum Durchschnaufen zu finden, kommt man nochmal davon - das Gesundheitssystem kennt man aus Call of Duty 4  und Halo 3  zur Genüge, auch wenn's hier dadurch erschwert wird, dass die Sicht mit jedem zusätzlichen Treffer unschärfer wird. Wenn nicht, dann lernt man das Checkpunktsystem zu hassen: Die automatisch gesicherten Wiedereinstiegspunkte liegen teilweise irre weit

Der Bogen ist eine durchschlagskräftige Distanzwaffe - könnte allerdings etwas Zielhilfe vertragen.
auseinander. Und mit »irre weit« meinen wir »schon mal 15 Minuten vergeudete Spielzeit, in denen wir 23 Gegner fein säuberlich an die Wand gepinnt haben, nur um vom 24. den Rücken zersiebt zu bekommen«.

Und auch die packenden Messerkämpfe,in denen Turok mehrere Sekunden lang automatisch einen von hinten erwischten Gegnererledigt, haben einen großen Nachteil: Man ist in dieser Zeit keinesfalls unverwundbar. Während Turok also z.B. einen Raptoren perforiert, kann es durchaus passieren, dass er von mehreren Gegnern beschossen wird - ohne dass der Spieler etwas dagegen machen könnte! Während Turok also auf das zappelnde Vieh einsticht, färbt sich der Bildschirm immer röter und röter, während der Spieler immer saurer und saurer wird. Mit etwas Pech, und das hatten wir zum Test mehrmals, ist man also tot, während man einem Fleischfresser gerade das gleiche Schicksal bescheren wollte. Nervend!

Dabei reden wir gerade mal vom ersten der drei Schwierigkeitsgrade. Der beschert euch gut acht Stunden Unterhaltung, danach wartet hauptsächlich der Mehrspielermodus, in dem sich maximal 16 Spieler sieben Karten in den üblich verdächtigen Modi das heiße Blei um den Kopfschmuck jagen dürfen. Klingt nach potenziellem Schnarch-Kandidat, ist es aber aus zwei Gründen nicht: Erstens tummeln sich auf den Spielfeldern nicht nur menschliche Gegner, sondern auch NPC-Saurier, die man wie im Solomodus für seine eigenen Zwecke nutzen kann - sehr unterhaltsam! Zweitens gibt es eine immer gern gesehene Koop-Variante für bis zu vier Spieler, die allerdings auf drei eigens designte Karten beschränkt ist, auf denen man bestimmte Missionen erfüllen muss - nicht so befriedigend wie in anderen Spielen, aber dennoch eine schöne Abwechslung.

Je m'appelle Turok

Etwas vereinfacht könnte man zusammenfassen, dass Turok stilistisch an BlackSite erinnert - was kein Kompliment ist. Aber die Innenlevels sowie die scheinbar mit dem Hackebeil designten Figuren wecken Parallelen. Okay, der Rest ist besser: Der Dschungel sieht besser aus als in King Kong , die Weitsicht ist beachtlich, die Animationen sind prima, das

Optisch holt Turok nicht gerade das Maximum aus 360 und PS3 heraus, liefert aber ansehnliche und meist flüssig laufende Bilder.
Ganze kommt auf der 360 praktisch nie ins Ruckeln - auf der PS3 gelegentlich schon, außerdem gibt's hier deutlicheres Tearing. Ärgerlicher als das oder die gelegentlich deutlich ins Bild poppenden Texturen ist vor allem die Farbarmut der Levels sowie die generelle Tendenz zur Dunkelheit. Okay, ist ein ernstes Abenteuer, es ist ja auch der Atmosphäre dienlich, aber dennoch empfinde ich es als Zumutung, wenn ich tagsüber de facto nicht spielen kann, weil kaum was zu erkennen ist. Immerhin ist die Story gut inszeniert: Teilweise direkt im Spiel, wobei die Kamera bei diesen Gelegenheiten meist schnell aus Turoks Kopf herauszoomt, teilweise in Form von Flashbacks, die als dezent krümelige Video abgespielt werden. Die übrigens lauter sind als der Rest - wenn ihr die Nachbarn nicht schon mit dem üblichen Kampfgetöse geweckt habt, dann werdet ihr es damit tun.

Turok gehört zu der leider immer größer werdenden Gruppe von Spielen, die euch zumindest in der 360-Fassung die Original-Sprachfassung vorenthält: Steht eure Konsole auf Englisch, bekommt ihr französische Sprachausgabe zu hören, es bleibt nur der Griff zum eingedeutschten Variante. Zugegebenermaßen ist sie nicht übel, wenn auch alles andere als lippensynchron; die Söldner geben angemessen trockene Einzeiler von sich. Aber dass wir armen, in der Vorstellung der Publisher wohl durch die Bank monoglotten 360-Spieler auf coole Sprecher wie Ron Perlman und Donnie Wahlberg verzichten müssen, ist eine Schande - vor allem, da es auf der PS3 kein Problem darstellt die Stimmen zu wechseln.

Die PC-Version, die drei Monate nach den Konsolen-Fassungen in den Läden steht, unterscheidet sich spielerisch überhaupt nicht: Die Maus-Steuerung funktioniert schnell und präzise (und ist gerade beim Bogen ein Segen), die Auflösung lässt sich bis auf 1280x1024 Bildpunkte hochschrauben, die Waffenwahl geht über Hotkeys am Schnellsten. Im Gegensatz zur 360-Fassung enthält die DVD auch die englische Version, 

Technisch unterscheidet sich der PC-Indianer vor allem durch eines von seinen Konsolen-Brüdern: Den extrem langen Ladezeiten.
die sich durch die Sprachwahl bei der Installation auswählen lässt - aber auch nur da! Ist die Sprache einmal festgelegt, lässt sie sich hinterher, warum auch immer, nicht mehr ändern. Ärgerlicherweise sind die Stimmen im Spiel sehr leise, Untertitel gibt's auch nicht. Spielern mit Verständigungsschwierigkeiten bleibt also nicht viel mehr übrig, als die Lautstärke von Musik und Soundeffekten herunterzudrehen, wenn sie alle Sprüche mitbekommen wollen.

Optisch hat sich im Vergleich zum Konsolen-Indianer kaum etwas getan: Ihr dürft standardmäßig an der Intensität des anisotropischen Filters schrauben, aber viel mehr auch nicht. Mit vollen Details und der höchsten Auflösung läuft Turok flott, wenn auch nicht völlig ruckelfrei - eine gewisse Trägheit ist immer zu spüren. Die wichtigste Neuerung ist eine überdeutliche Markierung von Waffen: Munition und Kanonen leuchten weithin sichtbar.

Schon auf Konsolen waren die Ladezeiten nicht von schlechten Eltern - auf dem PC wird dieser Makel aber nochmal locker getoppt: Zum Teil wartet ihr eine gute Minute darauf, dass ein Level geladen wird! Das ist besonders in Verbindung mit dem missratenen Speichersystem eine echte Qual, denn natürlich dürft ihr nach wie vor keine eigenen Spielstände anlegen. Stattdessen seid ihr auf Gedeih und Verderb den bereits weiter vorne beschriebenen Checkpunkten ausgeliefert. Nur dass ihr dieses Mal weitaus länger darauf warten müsst, nach einem unfreiwilligen Ableben einen beachtlichen Teil des Levels nochmal spielen zu dürfen. Es gibt zwar im Optionsmenü den Hinweis, dass F5 schnellspeichert und F9 für den Quickload steht - aber trotz aller Verrenkungen haben wir das Spiel nicht ein Mal dazu bekommen, den Spielstand nach unserem Willen zu sichern. Bizarr.  

Fazit

Ja, Turok und Turok 2 waren super Spiele. Aber was dem glorreichen Namen danach angetan wurde, rechtfertigt wohl, dass die Serie einen komplett neuen Anfang nimmt. Und ich habe kein Problem damit, dass mein Held jetzt kein Indianer im Dinosaurierland mehr ist, sondern ein unrasierter Schema-F-Marine, der ohne größere Änderungen auch in jedem anderen Shooter mitwirken könnte. Ich habe allerdings ein Problem mit blöden Design-Entscheidungen, die ein gutes Spiel in die Mittelmäßigkeit zerren: Ein Indianer mag keinen Schmerz spüren, ich hingegen schon - und der äußert sich in diesem Fall in einem angesichts des schrecklich missratenen Checkpunkt-Systems rasant schrumpfenden Paracetamol-Vorrat. Die Verwundbarkeit während der nicht abbrechbaren Messer-Attacken zählt ebenso dazu wie die hibbelige Steuerung oder die übertriebene Unberechenbarkeit der Saurier, die ihren Teil dazu beitragen, dass der Schwierigkeitsgrad unnötig in die Höhe gekurbelt wird. Ich mag das Messer samt seiner mannigfaltigen Anwendungsmöglichkeiten, ich mag den Bogen, ich mag die vielfältigen Herangehensweisen an die Probleme. Aber ich mag es nicht, eine Stelle zehn Mal spielen zu müssen, weil die Designer der Meinung sind, dass das total viel Spaß macht. Turok, alte Hütte - tu rockst einfach nicht mehr!

Pro

cool inszenierte Story
interessante Dino-Nutzung
gute Gegner-KI
schöner Mehrspielermodus inkl. Koop-Variante
spannender Nahkampf
schöne Dschungel-Levels
bei der Installation wählbare Sprache (PC)
deutliche Munitionsmarkierung (PC)

Kontra

schreckliches Checkpunkt-System
stark schwankender Schwierigkeitsgrad
farbarme Levels
hässliches Charakterdesign
Verwundbarkeit während der Messer-Angriffe
sehr dunkel, Helligkeit nicht veränderbar
lange Ladezeiten (360, PS3)
extrem lange Ladezeiten (PC)
nicht völlig ruckelfrei
PS3-Fassung technisch schwächer- nervöse Steuerung

Wertung

360

Schöne Ideen und bissfreudige Dinos verhindern leider nicht, dass der neue Turok aufgrund blöder Design-Schwächen unötig tief sinkt.

PlayStation3

Technisch etwas schwächer als die 360-Fassung, sonst identisch.

PC

Spielerisch und technisch größtenteils identisch - aber die extrem langen Ladezeiten nerven.

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