Tunnel ins Abenteuer
Alles fängt so gut an: Im Jahr 2004 wird in Westböhmen ein Tunnel aus der Zeit des Dritten Reichs entdeckt. Der Archäologe Martin Holan berät sich kurz mit seinem Onkel, der ihn auf mysteriöse Forschungen der Nazis aufmerksam macht, die genau dort betrieben wurden. Angeblich haben sich deutsche Wissenschaftler intensiv mit den Geheimnissen eines Planeten
namens Nibiru befasst. Was wollten sie herausfinden? Und was ist im Tunnel davon übrig?
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Ein Tunnel, ein Geheimnis: Alles fängt so gemütlich an... |
Martins Neugier ist geweckt, und der Spieler klickt sich ebenfalls wissbegierig durch das finstere Prag. Die Steuerung ist klassisch: Relevante Items lassen den Cursor orange leuchten und sind schnell gefunden. Schön ist, dass man per Doppelklick auf einen Ausgang sofort in den nächsten Bereich wechseln kann. Schade ist, dass Martin nicht rennen kann.
Viel entscheidender für den Spielspaß ist allerdings, dass die anfängliche Motivation sowie die durchaus interessante Story später auf ein ernüchterndes Niveau herabfällt. Als man die erste Informantin tot in ihrer Badewanne auffindet, weht noch ein angenehm mörderischer Hauch, der von hervorragenden Musikeinspielungen getragen wird. Diese subtilen akustischen Momente gehören zu den großen atmosphärischen Stärken Nibirus, bleiben aber Mangelware. Über weite Strecken des Abenteuers herrscht eine lastende Stille. Und irgendwann bröckelt der mysteriöse Putz und es zeigen sich immer mehr fade Stellen - erzählerisch, spielerisch und technisch.
Blasser Martin
Das fängt schon beim Protagonisten an. Ich wurde mit Martin Holan einfach nicht warm. Das lag weniger an seinem anachronistischen 80er-Outfit samt Föhnfrisur, auch nicht an seinem schluffigen Gang, sondern eher am fehlenden Charakter. Der Jung-Archäologe bleibt während des gesamten Abenteuers seltsam blass. Ich habe ja nicht unbedingt süffisante Witze oder kernige Sprüche à la Indiana Jones erwartet, aber etwas mehr als einen braven Tschechen ohne Ecken und Kanten. Er ist austauschbar, uninteressant, langweilig.
Konnte Samuel aus Black Mirror noch mit seiner schroffen Art eine markante persönliche Duftmarke hinterlassen, wirkt Martin in einigen Dialogen fast ein wenig dümmlich. Vor allem in der Szene, als er im Militärlager auf einen deutschstämmigen Historiker trifft. Nibiru ist ohnehin nichts für Freunde anspruchsvoller Gespräche oder Plots à la The Moment of Silence. Es wirkt eher wie ein naives Relikt aus alten Lucas Arts-Tagen. Immerhin können manche Nebendarsteller für etwas mehr Würze und Witz sorgen, was die Dialoge wieder etwas aufwertet. Die sind vor allem deshalb hörenswert, weil sie von schauspielerisch überzeugenden Sprechern vorgetragen werden - hier hat dtp mal wieder erstklassige Lokalisierungsarbeit geleistet.