Schwarze Löcher
Aber das bleibt der einzige Superlativ, den mir Nibiru entlocken kann. Das Abenteuer führt euch in streng linearer Disziplin durch fünf Kapitel mit knapp 80 Orten und 35 Charakteren. Zwar könnt ihr in einigen Situationen sogar sterben, wenn ihr nicht schnell genug das Richtige tut, aber die Storystraße führt immer geradeaus. Das muss nichts Schlechtes sein. Doch
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Eine Wanne voll Frau und Blut. Martin ahnt Schlimmes. |
was in unserer Preview noch nach einem Epos klang, entpuppt sich als Wochenendtrip: mehr als etwa acht Stunden sind nicht drin! Wenn ich mich recht erinnere, hatten Publisher und Entwickler im Vorfeld noch von 30 Stunden gesprochen…
In dieser kurzen Zeit fällt man auch noch in schwarze Löcher. Ich bin ein Freund von inneren Monologen. Und auch Martins Selbstgespräche und Gedanken sorgen dafür, dass die dünne Erzählung verknüpft und mit Fragen belebt wird. Allerdings wurde diese Zeit mit einem denkbar ungünstigen Stilmittel überbrückt: Wenn Martin laut sinniert, gibt es keine Zwischensequenzen, sondern schwarze Bildschirme! Diese Ausblendungen mögen die Gedanken des Protagonisten ja in den Vordergrund stellen, aber sie bieten zu wenig Tiefe, als dass man das einfallslose Ausblenden verschmerzen könnte. Warum gibt es nur an einigen wenigen Stellen Zwischensequenzen? Hier hätte man konsequenter sein müssen.
Malerische Statik
Auch optisch vermisst man eine klare Linie. Die Orte sind zwar wunderbar gezeichnet und versprühen sofort den gemäldeartigen Charme, der auch schon Black Mirror auszeichnete - zumal man in einer höheren Auflösung von 1024 x 768 sowie 32-Bit spielen kann. Und vor allem die Figuren bewegen sich endlich geschmeidiger als die stocksteifen Hauptdarsteller des Grusel-Adventures. Aber heutzutage kann selbst das kein Maßstab mehr sein. The Moment of Silence bot wenigstens mal innovative Kamerafahrten oder erstklassige Zwischensequenzen. Und man vermisst immer noch viel mehr: vor allem eine sichtbare Mimik und bessere Gestik. In Zeiten von Half-Life 2 wirken die Darsteller wie Figuren der Augsburger Puppenkiste.
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Im Gespräch mit dem deutschen Historiker macht Martin eine naive Figur. |
Noch ernüchternder ist der spärliche Einsatz von Animationen: Selbst in Black Mirror bewegte sich ab und zu ein Ast, kräuselte sich Wasser im Teich. In Nibiru gibt es bis auf wenige Ausnahmen, wie z.B. die hereinrauschende Prager S-Bahn, einige Ventilatoren und Regenszenen, fast nur statische Bilder. Die sind verdammt gut gezeichnet - keine Frage. Aber warum bewegt sich bei einem Sturm kein Blättchen? Und warum komme ich in den Tunneln tatsächlich zu einer großen Wasserstelle mit vielen Kisten und Treibgut, in der sich rein gar nichts bewegt? Da war alles so tot wie auf einem Foto. Warum bietet man so eine Statik und an anderer Stelle wieder bewegtes Nass? Manchmal wirkt der Titel fast so, als hätten die Designer zu wenig Zeit gehabt, um für mehr Leben zu sorgen.
Technische Spielereien gibt`s leider auch nicht: Schade ist z.B., dass man die Items im Inventar immer noch nicht als 3D-Modelle im Zoom betrachten kann, sondern mit einer kleinen Beschreibung abgespeist wird. Nur die prächtige Gebäude-Architektur sowie das liebevoll arrangierte Interieur können diese Schwachpunkte auffangen. Sobald man einen Raum betritt, darf man sich auf eine farbenfrohe Fülle an Eindrücken freuen, die von Jugend- bis Aztekenstil reicht. Eine ärgerliche Notiz am Rande: Das nationalsozialistische Hakenkreuz im Bunker wurde in ein rundes "S" zensiert.