Empire Earth 211.04.2005, Bodo Naser
Empire Earth 2

Im Test:

Echtzeit-Strategen, die Empire Earth 2 (ab 34,89€ bei kaufen) zum ersten Mal spielen, werden rasch Parallelen zum beliebten Vorgänger, zur Age of Empires-Reihe und vor allem zu Konkurrent Rise of Nations bemerken. So dürft ihr auch hier neues Territorium erobern, um die Grenzlinien von Nationen wie Deutschland, den USA oder Korea neu zu ziehen, sowie auch Universitäten gründen. Ob die Geschichtsreise für Hobby-Feldherren auch etwas Eigenständiges zu bieten hat?

Epochaler Spielspaß?

Eigentlich sollten durch Empire Earth 2 all jene zufrieden gestellt werden,

Martialische Videos in Spielgrafik stimmen in die Missionen ein.
die gerne ihr Volk durch die Jahrhunderte begleiten, denn mit seinen 13 Zeitaltern quer durch die Menschheitsgeschichte verheißt es epochalen Strategiespaß von der Steinzeit bis ins Nanozeitalter. Wer sich die vier Kampagnen plus einführendem Feldzug aber eingehender anschaut, muss schließlich einsehen, dass hier wahrlich nichts Neues vorliegt. Bereits die erste Auflage von Age of Empires bot eine historisch ablaufende Kampagne, die zeitlich allerdings eng begrenzt war. Spätestens seit dem Vorgänger ist jedoch ein Verlauf über lange Zeiträume längst Standard.

Teils bekannte Gesichter

Auch die 15 Völker sind nur teilweise neu, da gerade Amerikaner und Deutsche ständige Gäste auf den virtuellen Schlachtfeldern sind. Die US-Kampagne zeichnet den Aufstieg zur Weltmacht ab 1898 nach, bei den Deutschen bis zur Reichsgründung 1871. Viel interessanter ist da die in grauer Vorzeit beginnende Kampagne der Koreaner, die bis ins siebte Jahrhundert n.Chr. reicht - immerhin wurde dieses Volk bisher seltener thematisiert. Noch interessanter ist ein Tutorial, bei dem die Azteken in einem alternativen Zweiten Weltkrieg zusammen mit den USA gegen faschistische Inkas vorgehen. Allerdings gibt es von dieser bizarren Konstellation keine ganze Kampagne, stattdessen werden noch Wendepunkte der Geschichte wie etwa der altbekannte D-Day serviert.

Kaum Unterschiede

Trotz mancher Besonderheit wie spezieller Vorteile und Einheiten bleiben die Völker insgesamt blass,

Die US-Kampagne führt euch auch in beide Weltkriege, wo ihr gegen die Deutschen kämpft.
da sie sich kaum unterscheiden. Im Kleinklein der alltäglichen Scharmützel bleibt oft der Blick für das Große und Ganze und somit eigentlich Interessante auf der Strecke. So kommt es auch kaum zu einer Identifikation mit den Anführern, die wie Riesen über das Schlachtfeld marschieren. Außerdem laufen die einzelnen Epochen Mission für Mission nacheinander ab: Wer von euch sein Volk wirklich über alle Stationen von den ersten sesshaften Menschen bis zur Gentechnik führen möchte, der muss schon ein Endlosspiel mit Zufallskarte beginnen. Zusätzliche Szenarien fehlen; ihr könnt sie aber mit Hilfe des Editors basteln.

Lineare Missionen

Die Missionen bieten das, was ihr von anderen Echtzeit-Strategiespielen schon kennt: Zum einen taktische Aufgaben mit einer vorgegebenen Truppe und zum anderen den Aufbau von Siedlungen in jedem Territorium. Das Korsett der geskripteten Ereignisse sitzt jedoch sehr eng, denn in der Kampagne klappert ihr oft einfach die Stationen ab, die ihr erreichen müsst. Obwohl manch eine Schlacht durchaus interessant ist, wirken die Kampagnen fast ein wenig gehetzt. Meist läuft es auch noch streng linear ab, da ihr kaum Entscheidungsmöglichkeiten habt. Wer einmal vom vorgezeichneten Pfad abweicht und sich mal Zeit lässt, wird nicht selten mit einer unfairen Niederlage abgestraft.                      

Nützliche Neuerungen

Neues gibt es in erster Linie bei der Bedienung zu entdecken:

Die Übersichtskarte für Missionsziele, Arbeitsmanagement und Schlachtplanung.
Eine extra Übersicht dient dem Management der Arbeitskräfte, das nunmehr in einem Zug erfolgt. Darauf sind alle Rohstoffe, Arbeiter und Baustellen verzeichnet. Freie Arbeiter werden einfach per Mausklick zugeteilt und auch wieder entfernt. Kinderleicht könnt ihr so bestimmen, wer wo was abbauen soll, was vor allem bei mehreren Territorien übersichtlicher ist. Gebäude könnt ihr auch mit Leuten versehen, was euch Boni bringt. Leider vergessen die Arbeiter bisweilen ihren Einsatzort nach einem Angriff, wenn ihr Entwarnung gebt.

Eine weitere Karte dient der Planung von Feldzügen mit euren Verbündeten, die im Singleplayer aber kaum brauchbar ist. Interessant wird das erst beim Multiplayer, denn dort könnt ihr euren Mitstreitern erklären, wo und wie ihr angreifen wollt. Pfeile geben die Stoßrichtung an, Kreise die zu schützenden Zonen und Kreuze die einzunehmenden Ziele. Auch kurze Erklärungen könnt ihr einfügen. So entsteht eine taktische Karte, die ihr an die Alliierten verschickt.

Wenig historisch

Wie bei vielen Echtzeit-Strategiespielen dient die Vergangenheit als wenig überzeugende Kulisse fürs Gameplay.

Die Artillerie ist sehr wirksam, insbesondere wenn sie auf einem Hügel steht. 
 Die Szenarien sind nicht sonderlich historisch, da sie die jeweilige geschichtliche Situation nur sehr grob wiedergeben. Im Ersten Weltkrieg rumpeln etwa Selbstfahrlafetten durch die Gräben, obwohl es sie noch gar nicht gab. Die Kolonisierung Ostpreußens durch die Deutschordensritter wird kurzerhand zum Grundstein für das deutsche Reich von 1871. Das Design der hochmittelalterlichen Ritter und der Häuser erinnert eher an einen Sandalenfilm über die Antike, denn an Strukturen des Mittelalters. Die Designer von Mad Doc haben wohl im Geschichtsunterricht nicht richtig aufgepasst, denn sie verwechseln offenbar das Heilige Römische Reich mit dem antiken Rom. 

Professionelle Fassade

Trotzdem ist die Kulisse ansehnlich. Wer Empire Earth 2 zum ersten Mal sieht, ist beeindruckt von seiner professionellen Aufmachung: Stilvoll gestaltete Menüs, schmissige Intros in Spielgrafik, Sprachausgabe, viele Geräusche und ein bombastischer Sound sorgen gehörig für Stimmung. Doch wenn ihr es dann spielt, fängt der Putz an zu bröckeln. Zwar gibt es eine nützliche Bild im Bild-Funktion, und die Darstellung ist zoombar bis ganz nah ans Geschehen, aber die Einheitenmodelle sowie Animationen wirken dann aber eher ungelenk. Bisweilen sieht es so aus, als würden Reiter durch die Szenerie schlittern. Obwohl jedes Volk sein eigenes Design besitzt, sehen auch viele Gebäude unförmig aus. Wettereffekte wie starker Schnee sind zwar eine gute Idee, aber nicht wirklich gelungen. Auch die Darstellung der Gischt und des Wassers ist nicht vollends überzeugend, da die Spiegelung sehr blass wirkt. Unrealistisch, und fast schon dämlich, sehen die übergroßen Anführer aus, die wie Riesen alles überragen.         

Fortschritt und Wandel

Neben dem genreüblichen Spielprinzip gibt es noch einige richtig interessante Funktionen:

Schiffe dienen wie bei AoE auch dem Handel und der Fischerei.
Für den Sprung zur nächsten Epoche braucht ihr eine bestimmte Anzahl von Erfindungen in den drei Bereichen Militär, Wirtschaft und Imperium, für die ihr wiederum Fortschrittspunkte braucht. Diese erzeugt etwa eine Universität, was an das System von Rise of Nations erinnert. Darüber hinaus gibt es Kronen für die Bereiche, wenn ihr die führende Wirtschaftsnation seid. Dann dürft ihr euch einen zeitlich begrenzten Bonus aussuchen, der etwa eure Ökonomie verbessert. Ihr produziert dann z.B. mehr Nahrungsmittel. Auch Weltwunder wie das Brandenburger Tor bieten Vorteile; für den Sieg sind diese Boni aber nicht entscheidend.

Handel und Straßen

Gehandelt wird direkt auf der großen Karte, indem ihr schlicht mit anderen Völkern Waren austauscht. Dazu errichtet ihr wie bei Rise of Nations Märkte, von denen aus die Händler losziehen. Wahlweise könnt ihr auch den Hafen eures Handelspartners ansteuern, wozu ihr Handelsschiffe bauen müsst. So gelangt ihr an Gold, wenn ihr es nicht selbst abbauen könnt. Die Handelsroute symbolisiert praktischerweise ein Strich auf der Karte. Im eigenen Territorium könnt ihr auch Straßen errichten, die die Bewegung beschleunigen. Leider nur nettes Beiwerk, das ohne große Bedeutung für den Sieg bleibt. Schon eher wichtig sind da die Brücken, mit denen eure Truppen über den Fluss kommen. Verlangsamt werden eure Einheiten vom schlechten Wetter, das sichtbar auf dem Bildschirm tobt.

Tumbe Massenschlachten

Die Kämpfe sind vom taktischen Standpunkt betrachtet eher enttäuschend.

Ab und an schneit es sogar, was die Bewegung verlangsamt. Außerdem geht die Sicht flöten.
 Zwar gilt auch hier das Blatt-Stein-Schere-Prinzip, ihr könnt vier Formationen wählen und die übergroßen Anführer bieten Vorteile im Kampf. Letztlich ist es aber dann doch wieder die Masse der Soldaten, die eine Schlacht entscheidet - vorausgesetzt, beide Kontrahenten sind technologisch auf der gleichen Stufe. Für dauerhafte Eroberungen sind viele Fußkrieger nötig, denn nur sie können ein Stadtzentrum annektieren. Eine mögliche Taktik ist auch das Aufstellen von Geschützen auf den Hügeln, wo sie große Vorteile bringen. Leider hat das schwere Gerät Probleme, wenn es enge Passagen wie Brücken passieren soll. Dann kommt es schon mal zu Staus, bei denen sich Einheiten unrettbar verkeilen.

Eines kann man der Gegner-KI nicht vorwerfen: dass sie nicht aggressiv genug zu Werke ginge. Wer ein Endlosspiel auf Stufe normal beginnt, wird sich wundern, wie schnell die feindliche Armee vor der Palisade aufmarschiert, um eurem Anführer in den Hintern zu treten. Wem das zuviel wird, der kann die Computergegner wirksam auf Stufe einfach zähmen. Die Attacken sind auch wesentlich koordinierter als noch in der Preview-Fassung, da der Feind jetzt auch sich ergänzende Waffen in großer Zahl einsetzt. So ist es letztlich die KI, die dafür sorgt, dass die Echtzeit-Schlachten trotz ausgetretener Pfade noch Spaß bereiten.

Multiplayer

Beim Spiel zu mehreren, das für bis zu zehn Feldherren per LAN oder Internet abläuft, bietet Empire Earth 2 recht interessante Möglichkeiten. Neben bekannten Modi wie Eroberung, King of the Hill und Kontrolle über Territorien gibt es auch abwechslungsreichere wie z.B. den Königsmord, der seit Age of Kings sehr beliebt ist. Dabei muss jeder versuchen, seinen Anführer so gut wie möglich zu schützen. Insgesamt könnt ihr unter neun Modi auswählen, zu denen auch das Hot Spots erobern gehört, bei dem es um bestimmte Brennpunkte auf der Karte geht. Auch die Kronen kommen hier wieder ins Spiel, denn auch sie sind der Hintergrund eines Modus. Hier kommt dann auch die Schlachtenplanung zum Zug. In der GameSpy-Lobby findet ihr eigentlich immer jemand zum Mitspielen. Leider geht dort derzeit noch das Lag-Monster um.

       

Fazit

Empire Earth 2 lehnt sich stark an Rise of Nations an, kann dessen Qualität aber nicht erreichen und bietet darüber hinaus viel zu wenig Eigenes. Richtig neu sind eigentlich nur der Bevölkerungsmanager sowie die Planungskarte für Schlachten, die zweifellos nützlich sind, aber auch keinen Funken der Begeisterung entfachen. Bei allem anderen inklusive Universität, Fortschrittspunkte und Wunder wird man den Eindruck nicht los, das irgendwo schon mal gesehen zu haben. Hinzu kommt, dass man viele auf den ersten Blick interessante Funktionen, wie etwa die Straßen, im Spielalltag kaum braucht. Immerhin wird das Bekannte von wuchtiger Musik, einfacher Steuerung und einem durchdachten Interface präsentiert. Grafisch hinterlässt das Echtzeit-Strategiespiel jedoch eher einen durchschnittlichen Eindruck, da vor allem Einheiten und Gebäuden der letzte Schliff fehlt. Im Zeitalter von Warhammer 40.000: Dawn of War, Herr der Ringe: Schlacht um Mittelerde oder Rome: Total War ist man Prächtigeres gewöhnt. Trotz allem ist Empire Earth 2 ein gutes Strategiespiel, das aufgrund seiner aggressiven KI durchaus eine Herausforderung darstellt. Im über neun Modi verfügenden Multiplayer macht es jedoch mehr Spaß als in der Kampagne.

Pro

vier spielbare Kampagnen
übersichtliche Bedienung
Fortschrittspunkte und Kronen
aggressive KI
Aufteilung in Territorien
Arbeitskräftemanager
Planungskarte für Kriege
Straßen, Brücken und Wunder bauen
Wetter beeinflusst Bewegung
interessanter Multiplayer
professionelle Aufmachung
bombastische Musik
Szenario-Editor

Kontra

wenig wirklich Neues
Völker spielen sich ähnlich
lineare Missionen
taktisch uninteressante Kämpfe
keine Szenarien außerhalb der Kampagne
historisch kaum korrekt
Straßen kaum brauchbar
Einheiten stecken fest
teils seltsame Einheitenmodelle
ungelenke Animationen
Effekte überzeugen kaum

Wertung

PC

Einige sinnvolle Neuerungen, die große Revolution fällt leider aus.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.