Kinder des Nils22.02.2005, Bodo Naser
Kinder des Nils

Im Test:

Ihr habt gerade nichts zu tun und sucht einen Job als gottgleicher Herrscher an den Gestaden eines nordafrikanischen Stroms? Dann ist Kinder des Nils das perfekte Strategiespiel für euch - vorausgesetzt, ihr habt die nächsten Wochen nichts vor. Denn Tilted Mills Titel ist ein Zeitfresser par excellence. Warum der Quasi-Nachfolger von Pharao so süchtig macht, verrät der Test!

Monarchie am Nil

Endlich sind die dreisten Plünderer fällig, nachdem sie Jahr um Jahr erneut eure friedliebenden Untertanen überfallen haben!

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen: Eure Untertanen feiern ein Fest. 
Beim ersten Sonnenstrahl sind die letzten Speerkämpfer ausgebildet und ihr schickt sie in die Ungewissheit der Schlacht. Leider könnt ihr nirgends sehen, wie sich eure Kämpfer mit nacktem Oberkörper im Kampfgetümmel anstellen. Auch ohne dass ihr direkt eingreifen könnt, geht zum Glück alles glatt. Das Ende der Räuber nützt ihr geschickt: Zur Ehre eures Herrscherhauses wird eine Stele errichtet, die den Sieg für alle Zeiten verherrlicht. Alleinherrschaft kann so schön sein!

Kampagne und Szenarien

Solche Erfolgserlebnisse sind die Rosinen im steinigen Aufstieg eurer Stadt, den ihr während der oft langen Missionen der Kampagne durchlebt. Was zählt, ist allein das Ansehen eures Herrscherhauses, das auch als Rohstoff dient. Wie ihr an Ruhm und Ehre kommt, erfahrt ihr in einem Tutorial, das euch ins in Echtzeit ablaufende Spielprinzip einführt. Das sollten sich auch alle Veteranen der Caesar-Reihe zu Gemüte führen, da sich das Gameplay doch ziemlich verändert hat. Darüber hinaus gibt es noch einzelne Szenarien, die ihr wie auch Kampagnen mit Hilfe des integrierten Editors selbst erstellen könnt. Einen Multiplayer besitzt das Spiel leider nicht.

Gestrafftes Spielprinzip

Das Gameplay ist deutlich entschlackt und viel realistischer, was es auch für Neulinge zugänglich macht.

Villa mit Swimmingpool: Der Adel wohnt auch für heutige Verhältnisse nicht schlecht.
 Komplex genug ist aber es immer noch. Fehlt irgendwo eine Ware, so trudelt nun aber nicht mehr die ganze Metropole in den Untergang. Da jeder Bewohner sein festes Haus besitzt, ist die Entwicklung der Stadtviertel viel konstanter. Ein Niedergang im großen Stil findet kaum mehr statt. Die einzelnen Missionen verlaufen ähnlich, da auch ein strenger historischer Ablauf der Kampagne wie etwa bei Pharao nicht mehr erfolgt. Da euch von Anfang an viele Möglichkeiten offen stehen, ist das Strategiespiel insgesamt aber auch freier geworden.

                    

Gesellschaftspyramide

Eure virtuelle Gesellschaft ist dieses Mal in Pharao, Adel, Staatsbeamte, Handwerker, Arbeiter und Bauern eingeteilt, was viel mehr dem tatsächlichen Aufbau im damaligen Ägypten entspricht. Je mehr elitäre Adelssitze in eurer Stadt entstehen, desto mehr Bauern könnt ihr beaufsichtigen, die dann für immer mehr Nahrung sorgen. Die einfache Landbevölkerung zieht in die Stadt, um dort zu arbeiten. Jeder Einwohner besitzt eine eigene Familie, die auch Kinder und Diener umfasst. Dann steigt er vielleicht zum Händler auf, der seinerseits seine Kinder zur Schule schickt. Dort werden sie zu Priestern, Schriftgelehrten, Aufsehern oder Kommandeuren ausgebildet.

Wer braucht was?

Natürlich geht es auch noch darum, die Bedürfnisse eurer Bevölkerung zu befriedigen. Denn nur wenn eure Leute zufrieden sind, siedeln sich immer neue Adelige an. Um die Wanderung zu verfolgen, gibt es leider zu wenige Statistiken. Die Karten, die sonst Problemgebiete angezeigt haben, sind verschwunden. Wer aber nicht für Lebensmittel, einfache Waren und Luxusgüter sorgt, behindert den Aufstieg seiner Stadt. Freilich braucht ihr auch eine medizinische Versorgung, für die ihr Krankenhaus und Apotheke errichten müsst. Weiter gilt es, den vielen Göttern zum Teil riesige Kultstätten zu bauen. Wachsoldaten patrouillieren für die Sicherheit in den gepflasterten Straßen. Zerstreuung finden die Adeligen bei einer Jagdpartie auf dem Fluss, für die sie edle Barken verwenden.

Gebaut für die Ewigkeit

Extrem prestigeträchtig ist der Bau von Monumenten, die meist dem Totenkult dienen.

Eine "kleine" Pyramide. Wer gern prachtvolle Bauten in die Höhe zieht, ist bei Kinder des Nils goldrichtig. 
Neben den einfachen Bauten aus Ziegelsteinen, die ihr von Beginn an bauen könnt, gibt es auch teils große Pyramiden aus Kalkstein, die natürlich mehr Ansehen einbringen. Um an spezielle Baustoffe zu gelangen, müsst ihr auf der Karte des östlichen Mittelmeeres eine Expedition in einen fernen Landstrich starten. Entdeckt ihr einen Handelspartner, könnt ihr mit ihm die ersehnten Waren tauschen. Aus kostbarem Zedernholz aus dem Libanon könnt ihr Schiffe bauen. Basaltstatuten und Stelen, welche die Herrschaft des Königs verherrlichen, bekommt ihr aus Numidien.

             

Unspektakuläre Kämpfe

Bei den Kämpfen bleibt ihr als allmächtiger Herrscher -wie bereits oben angesprochen- leider viel zu passiv.

Auf diese schmucken Karte plant ihr Expeditionen, Fernhandel und Kriege.
Sobald ihr auf der Karte den Marschbefehl für eure Armee erteilt habt, watscheln eure 3D-Krieger los, um den Feind zu stellen. Obwohl es Speerkämpfer, Bogenschützen und Wagenlenker gibt, bestehen keinerlei taktische Möglichkeiten. Während der Kämpfe einzugreifen, ist nicht möglich: Ihr seid zum Abwarten verdonnert, fortan müsst ihr auf das Geschick eurer Kommandanten vertrauen. Die Moral der Truppe wird durch ihr Training und die vorhergegangenen Schlachten bestimmt.

Verbesserungen eingeführt

Das Spiel läuft in vielen Belangen besser als noch bei unserer Vorschau. Der oft langwierige Bau der Grabmale funktioniert nun einwandfrei. Die Arbeiter ziehen die auf Schlitten gepackten Steinbrocken nun ohne hängen zu bleiben durch die engen Straßen und Plätze, deren Bau übrigens kostenlos ist. Auch der Handel mit den fremden Städten funktioniert nun weitgehend reibungslos, da die Waren auch regelmäßig eintreffen. Auch viele der Meldungen sind vergrößert worden. Dennoch sollten ihr die kommenden Patches auch weiterhin installieren, da gelegentliche Abstürze den Spielspaß immer noch mindern.

Ansehnliche Grafik

Der 3D-Grafik gelingt es trotz gewisser Schwächen bei den Animationen der Figuren, ein recht lebendiges Bild des alten Ägypten zu entwerfen.

Eine typische Straßenszene in eurer Stadt. Wer will, kann ganz nah rangehen.
 Die weiß getünchten Gebäude, die Kleidung und Einrichtung sind an ägyptische Vorbilder angelehnt. Es gibt Tag- und Nachwechsel und die Nilflut bestimmt den Ablauf des Jahres. Protestierende Bürger finden sich vor dem Königssitz ein. Alles findet im Bild statt und ihr seid hautnah dabei. Die Rohstoffe sind allerdings viel zu klein dargestellt, die Bürger finden sie aber trotzdem. Die Auflösung der Darstellung ist wählbar. Die Ansicht lässt sich frei drehen, was aber dank der schwammigen Steuerung gar nicht einfach ist. Obwohl ihr auch weit rauszoomen könnt, geht die Übersicht flöten, sobald die Stadt eine gewisse Größe erreicht hat. Das Intro ist ansehnlich, Zwischensequenzen fehlen aber leider völlig.

Wenig Geräusche

Ein netter Spaß am Rande ist es, die Gespräche seiner Untertanen zu belauschen. Sobald das Symbol der Sprechblase auftaucht, könnt ihr dem Volk quasi aufs Maul schauen. Für das Spiel ist das allerdings ohne große Bedeutung. Ansonsten taucht nur bei den Missionszielen noch Sprachausgabe auf. Auch der Einsatz von Geräuschen ist sehr spärlich, was ihr auch beim Bau von Pyramiden merkt: Kein Tönchen kommt hier von den schwitzenden Arbeitern. Schade, denn so könnte noch mehr Authentizität erzeugt werden. Die Musik ist aber gelungen: Orientalische Klänge versetzen euch akustisch ans Ufer des Nils.     

Fazit

Endlich: Mit Kinder des Nils ist die Caesar-Serie ihren Kinderschuhen entwachsen - es spielt sich ausgereifter als die Vorgänger. Viele Städtebauveteranen dürften allerdings zunächst enttäuscht sein, da liebgewordene Zöpfe fehlen. Die ellenlangen Produktionsketten, der Wust von Statistiken und Ansichten und das Gewusel auf den Straßen etwa. Habt ihr erst einmal eine Weile gespielt, werdet ihr jedoch erkennen, dass vieles davon überflüssig geworden ist. Denn Tilted Mill hat nicht einfach das altbekannte Prinzip übernommen, sondern entscheidende Neuerungen eingeführt: Die Bewohner bilden nun eine echte Gesellschaft. Fehlt irgendwo eine Ware, bricht nicht gleich die halbe Stadt zusammen. Und die Einführung des Prestiges ist fast schon genial. Das Spiel schafft es dennoch, gleichermaßen zugänglich für Neulinge und komplex genug für Veteranen zu sein. Obwohl ohne große Taten wie Expansion und Handel dabei nichts geht, sind die Kämpfe leider spärlich ausgefallen. Niemand erwartet eine opulente Schlachtendarstellung wie bei Rome, aber mehr als ein paar nüchterne Zahlen auf der Karte. Dafür stimmen wiederum das ägyptische Ambiente in stilechter 3D-Grafik sowie die stimmungsvolle Soundkulisse, welche der Herrschaft am Nil Leben einhauchen.

Pro

Aufbau einer funktionierenden Gesellschaft
süchtig machende Kampagne
entschlackter Städtebau
Prestige des Pharaos zählt
freieres Spielprinzip als bei Vorgängern
lebendige 3D-Darstellung
stilechtes ägyptisches Design
orientalische Klänge
gedrucktes Handbuch
Editor für Szenarien und Kampagnen
nettes Intro

Kontra

nur indirekte Kämpfe
Missionen laufen recht ähnlich ab
große Städte sind unübersichtlich
oft lange Wartezeiten
kaum Statistiken
Kartendrehung geht schwer
keine Zwischensequenzen
kaum Geräusche
gelegentliche Abstürze

Wertung

PC

Süchtig machender 3D-Nachfolger von Pharao und Co.

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