Imperial Glory31.05.2005, Jörg Luibl
Imperial Glory

Im Test:

Waterloo, Austerlitz, Königgrätz - wer bei solchen Namen ins militärische Schwärmen gerät, sollte einen Blick auf Imperial Glory (ab 12,01€ bei kaufen) werfen. Die Pyro Studios beleben die napoleonische Ära mit jeder Menge Pulverdampf und Kanonendonner. Es geht um taktische Befehle im Feld und strategische Weitsicht in der Außenpolitik, um Echtzeitkampf und Rundenplanung. Das erinnert frappierend an Rome - Total War? Richtig. Die Frage ist nur: Welches Spiel ist besser?

Europa vor dem Krieg

Wir schreiben das Jahr 1789 und ihr habt die Wahl: Wollt ihr mit Frankreich, Österreich, Russland, Großbritannien oder Preußen um Europa kämpfen? Jede Nation hat andere Startbedingungen: England ist z.B. wirtschaftlich und technologisch im Vorteil, aber hinkt in Sachen Bevölkerung hinterher. Hier kann wiederum Russland aus dem Vollen schöpfen. Das Verhältnis zu den Nachbarn darf ebenfalls nicht unterschätzt werden: Frankreich steht u.a. mit Spanien im Konflikt. Natürlich ist auch die geostrategische Lage wichtig: Österreich hat zwar eine gute Armee, aber keinen Zugang zum Meer. Preußen kann wiederum über die Ostsee schippern, aber ist von Feinden umzingelt…

Nicht nur die Wahl der Nation, auch die eines der drei Schwierigkeitsgrade bestimmt die Erfolgschancen der Startphase. Ihr habt 41 Jahre zu je zwölf Runden Zeit, um am Ende zum mächtigsten Reich zu avancieren - entweder nach Punkten oder gnadenloser Vernichtung aller Gegner. Entscheidet ihr euch für die erste Kampagne, wird 1830 abgerechnet: Je nachdem, wie viele Schlachten ihr gewonnen, wie viele Länder erobert und wie viel Wirtschaftskraft sowie Spezialaufgaben ihr gemeistert habt, errechnet sich euer Rang. Neben diesen zwei Spielmodi kann man sich noch in fünf historischen Schlachten (Waterloo, Salamanca etc.) oder mit bis zu vier Feldherren im Multiplayer beweisen.

Roms kleiner Bruder

Können die Pyro Studios an die Klasse von Rome: Total War anknüpfen? Teilweise. Es gibt Augenblicke, da lässt Imperial Glory eine Qualität aufblitzen, die es zu einem erstklassigen Strategiespiel hätte machen können. Diese spannenden Schlüsselmomente, in denen das Schicksal des eigenen Reiches auf Messers Schneide steht, in denen alles von einer Schlacht und einer Depesche abhängt: Wenn man als preußischer General in hoffnungsloser Unterzahl eine große französische Armee am Rhein stoppt und Österreich sowie Russland danach endlich einer Koalition gegen Frankreich zustimmen, schlägt das Herz des Hobbyherrschers höher. Und es weht tatsächlich der süße Wind der Intrige und Eroberung zwischen Mausfinger und Monitor.

Denn jetzt hat man wieder ein Jahr Zeit, um sein kleines preußisches Reich in der Mitte Europas militärisch, wirtschaftlich

Preußen mausert sich: Trotz übler Startbedingungen beherrscht es Mitteleuropa.
und diplomatisch zu festigen - danach läuft der schützende Vertrag aus. Wie nutzt man nun sein Gold, sein Holz und seine Bevölkerung? Wie sichert man sich diplomatisch? Ihr könnt z.B. mit Tiefenminen in eine bessere Rohstoffausbeute oder mit Handelswegen in mehr Gewinn investieren. Ihr könnt eure Kasernen modernisieren. Schön ist, dass sich diese Entwicklungen auch spürbar auf dem Schlachtfeld auswirken: In der zweiten Ära kann man z.B. den Sturmangriff der Kavallerie, die doppelte Linie der Infanterie oder die Viereckformation erforschen - alles sehr wichtige Komponenten für den Sieg. Ihr könnt aber auch Botschaften und Geheimdienste in fremden Ländern errichten, um sie gnädig zu stimmen oder gar zu annektieren.

Charmantes Brettspielflair

Diese Fragen lassen einen oft über der Karte brüten und sorgen für ein sehr reizvolles Brettspielflair. Auch die Regierungsform will ab der zweiten von insgesamt drei Epochen gut überlegt sein, denn bestimmte Technologien und Taktiken sind von ihr abhängig: Eine politische Heirat und der damit vielleicht verbundene Gebietsgewinn fällt für Demokraten ebenso flach wie die Feldchirurgie oder die Propaganda. Dafür können sie wiederum dank des modernen Steuersystems mehr Geld scheffeln oder sich über Auslandsinvestitionen so beliebt machen, dass sie neutrale Länder gewinnen. In der letzten Epoche stehen euch mit der Diktatur, der Republik sowie zwei Monarchietypen gleich vier Zweige mit unterschiedlichen Boni offen.

          

Natürliche Landschaften

Wenn es irgendwo kracht, geht`s auf das dreidimensionale Schlachtfeld. Die Landschaften wirken angenehm natürlich und in den Maßstäben sogar authentischer als in Rome: Total War : Bäume, Höfe und umherstreifendes Wild überzeugen mit glaubwürdigen Größenverhältnissen. Auch die Animationen der Guards, Highlander und Husaren können sich sehen lassen: Beim Flussdurchwaten werden Musketen über den Kopf gehoben und im dichten Gemetzel wird mit Gewehrkolben und Bajonettspitze zugestoßen. Nur das Eindringen und Kämpfen in Häusern wirkt etwas zu lemminghaft. Die Musik ist zwar anfänglich tatsächlich ein Ohrenschmaus, kann aber auf

Die Landschaften überzeugen mit sanften Höhenzügen und natürlichen Farben. Wild und aufgescheuchte Vögel sorgen für Leben.
Dauer nicht mit der bunten Vielfalt der Uniformen mithalten: Obwohl die Melodien zunächst genug historisches Flair entfachen, hat man sich schnell an der eintönigen Akustikkurve satt gehört. Dafür erfreuen die knackigen Schlachtrufe in den Originalsprachen.

Sehr schön ist, dass ihr Wälder, Zäune, Felsen und Gebäude gezielt als Deckung nutzen könnt, um eure Reichweite und Defensivstärke zu erhöhen. Allerdings sind diese immer vorgegeben und leider geht es in jeder Schlacht um das Halten oder Erobern eben dieser Punkte. Das führt dazu, dass man selten die Weite des Geländes ausnutzt, sondern seine Truppen immer um diese Höfe, Klöster oder Burganlagen gruppieren muss. Freund und Feind treffen sich quasi immer an einem Punkt, was nach drei Schlachten auf einer Karte zur lästigen Routine werden kann - erstens lässt sich die Aufmarschzeit nicht beschleunigen, zweitens hat jede Provinz nur eine einzige Karte, die immer gleich aufgebaut ist. Wer dreimal in Polen war, kennt jeden Zentimeter auswendig. Aber da es insgesamt 51 Provinzen gibt, ist gerade für schnelle Schlachten und Multiplayerpartien Abwechslung garantiert.

Das Besetzen von Häusern, Windmühlen und Türmen kann schlachtentscheidend sein und sorgt vor allem in der Startphase für Spannung. Beim Verteidigen von Gebäuden kann es jedoch zu skurrilen Situationen kommen: Da Kavallerie keine Häuser besetzen oder erobern kann, braucht man sich als Verteidiger nur auf die Auslöschung der feindlichen Infanterie konzentrieren. Denn wenn man die vernichtet hat, kann man einen Bauernhof auch mit zehn Mann kläglich ausgerüsteter Linieninfanterie gegen 300 schwer bewaffnete Kosaken zu Pferd halten, was natürlich vollkommen unrealistisch ist. Das ist allerdings kein großer Kritikpunkt, da der Feind selten ohne ausreichend Infanterie auftaucht.

Motivierende Feldtaktik

Insgesamt können gerade die Landschlachten überzeugen. Wer in hektischer C&C-Manier vorgeht und per Lassomethode alles auf den Feind hetzt, wird schnell zu Musketenfutter verarbeitet. Imperial Glory spielt sich herrlich realistisch und gnadenlos - Taktiker werden ihre Freude haben: Kanonenkugeln fliegen ballistisch korrekt und nehmen keine Rücksicht auf Freund und Feind. Wer z.B. drei Haubitzen hintereinander positioniert und feuern lässt, wird die zwei vorderen zu Brei schießen. Also gilt

Höfe und Gebäude lassen sich von Infanterie besetzen. Die Kavallerie geht in diesen Schluchten gnadenlos unter.
es, die Feuerrichtung und die auf Tastendruck sichtbare Reichweite seiner Truppen immer im Auge zu behalten, um böse Überschneidungen zu vermeiden und möglichst effektive Schusslinien zu beziehen. Wer dann noch seine erfahrenen Veteranen klug als Reserve postiert, kann sich deutliche Überlegenheit verschaffen.

Ärgerlich ist nur, dass die Soldaten im Kampf nicht immer Linientreue halten, sondern sich automatisch Richtung Feind ausrichten. Das hat zwar den Vorteil, dass man eine Flanke schon mal aus dem Auge lassen kann, aber den Nachteil, dass sich diese Truppen ihrerseits gefährlich öffnen. Denn auch in Imperial Glory sorgen Flankenattacken und solche in den Rücken des Gegners für verheerenden Schaden. Ein Befehl "Stellung und Richtung halten" hätte hier geholfen. Obwohl es für den Aufmarsch große Formationsmuster gibt, die die Artillerie z.B. ganz vorne postieren, die Infanterie dahinter und die Kavallerie an den Seiten, vermisst man spezielle Muster für die Infanterie im Speziellen. Da man im späteren Spielverlauf teilweise ein Dutzend Fußtruppen ins Feld führt, hätte auch hier eine automatische Formierung à la Miliz vorne, Musketenschützen dahinter und Jäger am Ende geholfen, das Aufstellungsgeklicke zu verringern. Schade ist auch, dass die Kavallerie nur Sturmangriffe, aber keine Flanken- oder Umzingelungsmanöver ausführen kann.

Schere-Stein-Papier

Es gibt mit der Kolonne zum Marschieren, der Linie zum Schießen und dem Viereck zum Verschanzen zwar nur drei Gefechtsformationen, aber die haben direkte Auswirkungen und werden auch vom Gegner sehr gut genutzt. In der Schlacht punktet Imperial Glory dann mit einem einfachen, aber sehr dynamischen Schere-Stein-Papier-Prinzip: Kavallerie schlägt Infanterie in Linie, Viereckformation schlägt Kavallerie. Selbst die gegnerische KI hält sich vorbildlich daran, so dass man nicht einfach im wilden Galopp in die Flanke des Gegners fallen kann. Die KI formiert sich vorbildlich zum Kavallerie brechenden Viereck oder stoppt ihrerseits kurz vor dem Kontakt den Sturm der eigenen Reiter, wenn wir uns mit Bajonetten im Pulk verschanzen. Gerade aufgrund dieses klugen Gegnerverhaltens unterhalten die Gefechte auf sehr anspruchsvollem Niveau.

Obwohl die feindliche KI das Schere-Stein-Papier-Prinzip sehr gut beherrscht, ist sie auf der normalen Stufe dennoch keine allzu große Herausforderung, da sie oft nach Schema F agiert. Man kann als Verteidiger z.B. fast sicher sein, dass sie ihre schweren Kanonen als ungeschützte Nachhut Richtung Front bringt, die man dann mit wenigen Reitern in null Komma nichts

Die Seeschlachten sehen zwar gut aus, können aber auf Dauer nicht so fesseln wie die Landgefechte. Vor allem mit mehreren Schiffen vermisst man eine pausierte Befehlsvergabe.
aufmischt. Unverständlich ist auch, dass sie als Verteidiger gerne optimal geschützte Stellungen verlässt, um sich aufreiben zu lassen. Aber das Verhalten des Gegners ist kein Reinfall und gerade zu Beginn sehr fordernd: Vor allem, weil die KI zielstrebig im Sturmangriff eure Artillerie attackiert, die bekanntlich den größten Schaden anrichtet.

Es gibt allerdings einen kleinen Haken, der vor allem ungeübte Spieler nerven wird: Warum kann man nicht während der Schlacht pausieren und Befehle geben? Hier kommt unnötig Hektik auf, was zwar der realen Schlachtdynamik entspricht, aber die Eingriffsmöglichkeiten auf einen kleinen Zeitraum beschränkt. Denn sobald eine aus den Augen verlorene Truppe in einen Nahkampf verwickelt wird, wird dieses Handgemenge automatisch ausgetragen. Und dieses Fehlen lässt vor allem die Seegefechte mit mehreren Schiffen in wildes Geklicke ausarten. Man muss nicht nur den Wind und Kartenrand im Auge behalten, sondern auch noch aus drei Schussmunitionen sowie die Breitseite wählen oder zum Kapern blasen. Da diese Duelle auf dem Meer viel weniger optische Abwechslung bieten als die Landschlachten und auch spielerisch nicht so ins Gewicht fallen, lässt man sie mit der Zeit lieber vom Computer berechnen. 

        

Stärken & Schwächen

Die große Stärke von Imperial Glory ist nicht nur, dass die Schlachten verdammt gut aussehen und actionreich inszeniert werden, sondern dass man in der drei Epochen währenden Kampagne durch kluge Bündnisse, lukrativen Handel und geschickte Außenpolitik auch friedlich Erfolge feiern kann. Die große Schwäche von Imperial Glory ist allerdings, dass es an Spieltiefe des großen Vorbilds Rome: Total War fehlt. Denn so pompös die europäische Bühne mit ihren Echtzeitschlachten und der Rundenstrategie auch auf den ersten Blick wirken mag, so schnell hat man sie auf den zweiten durchschaut und vermisst mehr Handlungsmöglichkeiten, mehr historische Details oder einfach nur Durchblick und Konsequenz. Es scheint angesichts der vielen Statistiken fast so, als hätten die Entwickler viel mehr geplant, als letztlich umgesetzt wurde.

Diplomatie & Finanzen

Gemetzel bei Waterloo: Selbst im blutigen Handgemenge sieht Imperial Glory richtig gut aus.
Die Diplomatie wird z.B. sehr unpersönlich präsentiert. Ihr habt zwar von der Koalition, dem Handel, der Heirat, der Militärhilfe, dem Friedensvertrag bis hin zum Durchmarschrecht und dem Söldneraufgebot sehr viele Möglichkeiten, aber ihr seht nie einen Gesprächspartner mit seinen Emotionen wie z.B. in Civilization 3 . Alles wird meist über Goldangebote abgewickelt, Napoleon und Blücher treten nie auf. In Rome konnte man das angesichts des großen historischen Zeitraums noch verschmerzen, aber hier geht es ja nur um 40 Jahre - hätte man da nicht viel leichter ein paar berühmte Herrscher integrieren können? So werden Vertragsabwicklungen zu sterilen Kalkulationen degradiert: Jeder Vertragsabschluss erhöht, jeder Misserfolg senkt eure Sympathiewerte beim Gegenüber. Dabei kann es zu skurrilen Unsinnigkeiten kommen: Man bietet Polen Holz an, sie wollen es nicht, der Wert sinkt. Man bietet ihnen weniger Holz an, sie wollen es, der Wert steigt. In der nächsten Runde erklären sie einem zur Belohnung den Krieg. Wieso, weshalb, warum? Immerhin lag der Sympathiewert bei 58. Manche Aktionen sind einfach nicht nachvollziehbar und wirken willkürlich. In anderen beweist die KI wiederum Geschick und Kalkül: Wenn ihr eure Truppen aus einer Grenzregion abzieht und eine Flanke öffnet, sollte euch der Nachbar wohl gesonnen sein, sonst marschiert er gandenlos ein.

Allerdings hat das Diplomatiesystem einen ökonomischen Nachteil: es lässt sich mit gefüllter Kriegskasse zu schnell aushebeln, da die gegnerischen Herrscher weder konsequent noch außenpolitisch nachvollziehbar reagieren. Ein Beispiel aus preußischer Perspektive: Frankreich, Österreich und Russland befinden sich in einem Verteidigungsbündnis. Eigentlich wäre ein Angriff auf das besetzte Polen jetzt ein Himmelfahrtskommando inklusive Dreifrontenkrieg. Aber trotzdem kann ich ganz in Ruhe Russland den Krieg erklären, wenn ich Frankreich einfach 12000 und Österreich noch mal 15000 Gold anbiete.

Wie gesagt: Das funktioniert noch nicht zu Beginn, aber wenn die Schatzkammer in der zweiten Ära rappelvoll ist, kann man sich so locker eine Provinz nach der anderen einverleiben. Seltsam ist übrigens, dass man in der Anzeigeleiste nie über 99.999 Gold hinaus kommen kann, obwohl die Wirtschaft fleißig ackert. Festzuhalten bleibt: Man hat zu schnell zu viel Geld. Und wenn einem Russland wieder zu stark erscheint, bietet man erneut einen Friedensvertrag gegen Bares an. So kann man die europäischen Mächte kinderleicht gegeneinander ausspielen, ohne dass sie sich diese Frechheiten merken oder euch in

Statitsiken gibt es ohne Ende. Allerdings ist das Zahlenmaterial wenig hilfreich und man vermisst historisches Hintergrundmaterial.
langfristiger Strategie heimzahlen würden. Civilization 3 hat das Ränkespiel der Nationen wesentlich besser inszeniert und Rome bot einem nicht diese mechanische Sicherheit.

Erfahrung & Nebenaufgaben

Die Nachteile auf außenpolitischem Gebiet werden aber über die gelungene Truppenverwaltung und die interessanten Nebenaufgaben wieder wettgemacht: Eure Divisionen erhalten nach jeder Schlacht Erfahrungspunkte und können nach einem Aufstieg nicht nur ihre Kampf- und Verteidigungskraft steigern, sondern auch schneller die Formation wechseln. Allerdings ist es unverständlich, dass man erst sehr spät in der zweiten Ära, und das auch nur bei autokratischer Regierungsform, seine Truppen heilen kann. Immerhin lassen sich verwundete Regimenter gleichen Typs verschmelzen, so dass man trotzdem ein wachsames Auge auf seine Soldaten hat und sie nicht sinnlos verheizt. Auch eure Offiziere gewinnen an Rang und können so immer mehr Truppen kommandieren - von anfänglich drei bis hin zu sieben. Das kann ein großer Vorteil sein, denn in jeder Provinz dürfen nur drei Armeen stationiert werden.

Im Gegensatz zu Rome gibt es kein ausgefeiltes Mikromanagement für Städte, keine separate Steueranpassung, keine Übersicht über die Zufriedenheit der Bevölkerung. Man konzentriert sich hier quasi auf das Wesentliche und managt nur große Regionen, indem man dort neue Entwicklungen in den Bereichen Militär, Bevölkerung, Wirtschaft und Forschung finanziert. Die Nebenaufgaben sorgen dabei für Abwechslung im Aufbaualltag: Wer eine bestimmte Zahl an Rohstoffen oder Handelswegen vorweisen kann, wird mit Boni belohnt - z.B. ein Jahr lang freie Kost und Logis für die Truppen, Aufstockung der Truppenstärke oder eine Handelsblockade. Die Idee dieser kleinen Missionen mit Belohnungen ist zunächst sehr motivierend. Aber die Erfüllung kann ab der zweiten Ära wenig lukrativ sein. Der Verlust an Ressourcen ist meist sehr hoch und der dafür erhaltene Preis gleicht das selten aus. Was bringt mir z.B. ein Blick auf die gesamte Karte, wenn ich sie ohnehin schon kenne? Der Reiz der Erfüllung liegt schließlich darin, dass sich dies auch auf die Gesamtpunktzahl auswirkt.

Spartanische Dokumentation

Im Vergleich zu Rome spielen auch Verwandte und der Nachwuchs kaum eine Rolle, was an der kurzen Spielperiode liegen mag. Aber die eigene Dynastie geht komplett unter: Man erfährt nur, dass der Sohnemann oder die Tochter

Die Rangliste nach zwei schweißtreibenden Jahrzehnten: Preußen hat sich tatsächlich an die Spitze gekämpft, gehandelt und geschmiert - eine gefüllte Kriegskasse ist alles.
irgendwann im heiratsfähigen Alter ist und vermählt werden kann - es gibt keine persönlichen Daten, keine Übersicht über die europäischen Herrscherhäuser oder Ähnliches. Es fehlt allgemein an historischen Informationen: Konnte man Rome fast noch als Nachschlagewerk für die Antike nutzen, gibt es hier noch nicht mal Zitate berühmter Herrscher im Spiel oder die Ankündigung wichtiger Ereignisse. Das politische Drumherum der Zeit geht unter, dafür wird man mit teilweise überladenen Statistiken überfordert, die kaum einen Wert haben. Es gibt unheimlich viele Tabellen und Grafiken hinsichtlich der Einnahmen, der Wirtschaft und der Entwicklung, aber sie bleiben alle nur statische Gerüste.

Auch die Dokumentation ist spartanisch: Zwar gibt es eine farbige Faltkarte Europas mit Technologiebaum auf der Rückseite, aber das Handbuch ist nur eine gekürzte Variante der wesentlich ausführlicheren pdf-Datei. Erst dort werden viele wichtige Details erklärt, die das Handbuch gar nicht anspricht. Und erst hier tauchen plötzlich Zitate von Napoleon & Co auf! Warum gibt`s die nicht im Spiel, wo sie viel zur Stimmung beigetragen hätten? In Sachen Anschaulichkeit versagt auch das Tutorial, das nur Grundlegendes erklärt, aber viele Fragen, wie z.B. die nach der Heilung der Truppen, offen lässt. Das ist kein Vergleich zum wunderbar ausführlichen Einstieg in Rome - Total War.

       

Fazit

Der ganz große Wurf ist den Pyro Studios zwar nicht gelungen, aber Clausewitz hätte seinen Spaß gehabt. Imperial Glory ist quasi der kleine Bruder von Rome: Total War: actionreicher, aber dafür weniger komplex. Die Schlachten punkten mit sehr viel Dynamik und auch die Rundenstrategie lädt aufgrund der vielen Möglichkeiten in Sachen Regierungsform und Außenpolitik zum Experimentieren ein. Man vermisst zwar mehr Liebe zum historischen Detail in der Präsentation, aber dank der motivierenden Erfahrungspunkte und des gut umgesetzten Schere-Stein-Papier-Prinzips können die Kampagne und vor allem die Landschlachten gut unterhalten. Die Gefechte sehen klasse aus und verlangen eine gute Taktik. Ein Knackpunkt ist allerdings die fehlende Pausefunktion inklusive Befehlsvergabe, denn gerade die klickintensiven Seekriege arten schnell in Hektik aus. Schade ist auch, dass die Diplomatie trotz ihrer üppigen Verträge so unpersönlich und inkonsequent ausgefallen ist. Man hat die erfolgreichen Kniffe sehr schnell durchschaut, so dass die Glaubwürdigkeit des Gegners sowie die Langzeitmotivation nach dem ersten Durchspielen erheblich sinkt. Dieses Problem plagte teilweise auch das große antike Vorbild, aber hier kann man über Geld noch viel mehr Landgewinn erzwingen. Trotz dieser Mängel konnte ich mich dem außenpolitischen Ränkespiel und dem Musketenqualm im Feld nur schwer entziehen. Und für einen Kampf zwischendurch ist Imperial Glory immer gut - vor allem im Multiplayer. Wer ein Faible für die napoleonische Ära hat, sollte zugreifen. 

Pro

packende Landgefechte
Echtzeit-Seeschlachten
napoleonisches Szenario
natürliche Landschaften
Truppen gewinnen Erfahrung
sehr gute Landschaftsdarstellung
Deckungsmöglichkeiten im Gelände
epische Kampagne mit Nebenaufgaben
Regierungsformen wirken sich spielerisch aus
gut umgesetztes Schere-Stein-Papier-Prinzip
sehr viele Diplomatie- und Entwicklungsmöglichkeiten

Kontra

oberflächliches Tutorial
Karten wiederholen sich
recht eintönige Seegefechte
keine Pause inkl. Befehlsvergabe
dürftiges historisches Hintergrundmaterial & Handbuch
unpersönliche, inkonsequente Diplomatie

Wertung

PC

Imperial Glory ist der kleine Bruder von Rome: Total War: actionreicher, aber weniger komplex. Feldherren können zugreifen!

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