Die Party-Interaktion
Edel designt ist NN2 trotzdem - ich mag die Menüs, die Schrift, die Icons. Und schließlich hat es auch innere Werte in Sachen Party-Interaktion. Wenn man über lebendiges Gruppenverhalten spricht, muss man die Meister dieser Disziplin erwähnen:
|
Mit Rindenhaut kann man Schwerthiebe besser verkraften - leider zeigen sich gerade im Detail immer wieder Clippingfehler; hier ein Schwert in der Tür. |
BioWare. Spätestens mit
Star Wars: Knights of the Old Republic (KotOR) hatten sie den Zenit der lebendigen Party-Interaktion erreicht. Die Charaktere waren nicht nur glaubwürdig, sondern bestachen mit geschliffen formulierten und angenehm verschachtelten Dialogen, ansehnlicher Mimik und Gestik sowie interessanten Biografien. Das war 2003.
NN2 lässt ab und zu Erinnerungen an diese Qualität aufkommen, weil es ebenfalls mit Sprüchen, Streit und Animositäten zwischen den Helden spielt. Die typischen Charakterzüge werden schnell deutlich: Der raubeinige Zwerg denkt nur an den nächsten Kampf, die dämonische Diebin nur ans Gold, die ernste Druidin an die Natur. Frauen sind eifersüchtig, man buhlt um die Gunst des Helden, immer wieder zeigen Zwischensequenzen, wie es um die Sichtweise eurer Gefährten bestellt ist. Und ihr seid als Schlichter, Anheizer oder Spalter mittendrin: Je nachdem, wie ihr auf eure Gefährten reagiert, steigt oder sinkt das Vertrauen in euch. Knifflig wird es, weil jeder etwas anderes von euch erwartet. Der Zwerg verlangt ehrenhaftes Verhalten, aber die Diebin will lieber Kohle abstauben - wofür entscheidet ihr euch? Leider kommt es ab und zu noch zu Bugs in den Quests: Obwohl ich angeklickt habe, dass ich nicht wetten will, wird mir daraufhin ein Regelverstoß vorgeworfen und mein Vetrauen sinkt bei rechtschaffenen Gefährten.
Das Team von Obsidian serviert euch sehr viele dieser offenen Situationen, die mal auf Nebensächlichkeiten, mal auf euer Gewissen anspielen: Was macht ihr mit einem desertierenden Milizhauptmann, der nur rumsteht und jammert? Oder mit dem verwundeten Duergar, der eure Freunde getötet hat? Rettet ihr lieber Kinder oder helft ihr der Armee? Nehmt ihr Schätze einfach an oder fordert ihr mehr? Schüchtert ihr Leute ein oder wollt ihr sie überzeugen? Egal was ihr tut: NN2 wird euch umgehend Feedback darüber geben, wie sich das auswirkt. Eure Gesinnung kann sich z.B. Richtung gut oder böse verschieben, ihr könnt Einfluss+1 auf eure Gefährten gewinnen oder verlieren.
Obsidian ist nicht BioWare
|
Das Interieur ist üppig und ansehnlich, aber leider zu oft nicht klickbar. Obwohl Gegenstände |
All das macht das Spiel insgesamt zu einem guten. Aber erstens hat man sehr lange nicht so viel Auswahl an Nebenfiguern wie etwa in BG oder NN: Man ist viel zu lange mit Zwerg, Diebin und Druidin unterwegs, hat gar keine Wahl, andere Charaktere mitzunehmen. Erst relativ spät kommen mit der Hexe Qara oder dem Magier Sand weitere Figuren hinzu. Manche NPCs wie Echse Slaan begleiten euch ein Stück, andere warten später in entlegenen Gegenden, so dass irgendwann das Dutzend voll gemacht wird. Aber warum hat man nicht viel früher mehr Variation z.B. für böse Spieler erlaubt? Insgesamt dürft ihr mit vier Helden losziehen.
Und zweitens wird die Party-Interaktion nicht so inszeniert, dass aus der Nostalgie auch Euphorie werden könnte. NN2 kann hier nicht nur nicht die Qualität der BioWare-Abenteuer in Sachen Party-Interaktion erreichen: Auch das Add-On Die Schatten von Undernzit war wesentlich geschliffener, was Wortwitz und Dialoge angeht. Woran liegt das? Das hat erzählerische und schlichtweg technische Ursachen. Zum einen hat man die Charaktere zu schnell durchschaut, so dass man sie in null Komma nichts in die Klischeekiste der Fantasy packen kann. Irgendwo fehlt das Rätselhafte, das Überraschende.
Das ist zwar kein scherwiegender Kritikpunkt, denn das D&D-Universum strotzt nur so vor Archetypen. Und manchmal kann selbst das schnell durchschaute Gezicke wunderbar unterhalten. Allerdings fühlt man sich angesichts mancher naiver Sprüche und Platitüden nicht wirklich als erwachsener Fantasyfan angesprochen - vieles wirkt einfach zu kindisch, zu konstruiert, in Sachen Regie fast wie ein GZSZ der Fantasy. Dieses Gefühl hatte ich bei KotOR nie und selbst bei BG2 viel seltener; Planescape Torment will ich gar nicht erst in die Waagschale werfen.