Bet on Soldier09.09.2005, Marcel Kleffmann
Bet on Soldier

Im Test:

Auf der Games Convention 2005 sahnte der Ego-Shooter Bet On Soldier (ab 1,00€ bei kaufen) den Publikums-Award ab – kein Wunder dank netter Multiplayer-Gefechte und des schnitten Girlclans. Mittlerweile steht die "finale" Version im Laden und ganz ehrlich: Im Testlauf präsentiert sie sich als heißer Titel-Anwärter für die Preis-Kategorie "Beste Spielidee, die in den Sand gesetzt wurde". Warum ihr nicht auf die Söldner-Duelle wetten solltet, erfahrt ihr im Test.

Ohne Patch

Ein Patch am Releasetag ist heutzutage gang und gäbe, vor allem bei Ego-Shootern. Bet On Soldier bildet hier keine Ausnahme und setzt dem Ganzen die Krone auf: Direkt zum Verkaufsstart kam ein 800 MB schwerer Patch heraus, der Bugs behebt, die Grafik verbessert und den Gegnern etwas mehr Intelligenz einhämmert. Warum diese "großen Veränderungen" nicht mehr den Weg in die Verkaufsversion gefunden haben, ist unverständlich und ein Zeichen mangelnder Qualitätssicherung seitens der Entwickler. Mir wäre es viel lieber, noch zwei Wochen oder länger auf ein Spiel zu warten, bevor ich mir einen 800 MB Patch runterladen oder per Post bestellen muss – verbuggte Beta-Versionen gehören schließlich nicht in den Handel. Wesentlich gravierender ist aber die Tatsache, dass der Pat

Das überdimensionale Mündungsfeuer stört im Kampf und sieht noch nicht mal nett aus.
ch unbedingt notwendig ist, denn ohne Update ist jede bugverseuchte Partie ein Spießrutenlauf bis hin zum frustrierten Gedanken an Reklamation. Trotzdem verwandelt selbst der Riesen-Patch das Spiel nicht in einen fertigen Shooter! Warum? Neben weiterhin bestehenden Bugs und sonstigen Absturz-Gründen gibt es einfach zu viele elementare Schwächen.

Schwachpunkt Szenario

Auf der Erde herrscht seit über 80 Jahren ein Krieg zwischen den beiden großen Bündnissen, der KWR (Konföderation der Westrepubliken) und der VAN (Vereinte Asiatische Nation). Die Menschheit hat nichts Sinnvolleres zu tun als in der Waffenindustrie zu arbeiten oder vor dem Fernseher zu hängen und sich Duelle zwischen Söldnern in der BoS-Liga anzugucken. Und weil zwei BoS-Champions die große Liebe von Nolan Daneworth ausgelöscht haben, sinnt er auf Rache und arbeitet sich die Ligen hoch, um den Mörder seiner Frau vor die Flinte zu bekommen. Diese One-on-One-Duelle finden keineswegs in einer Arena statt, sondern total deplaziert inmitten diverser Kriegsschauplätze.

In jeder Singleplayer-Mission erledigt ihr zahlreiche namenlose Soldaten für Geld (mit makaberer Prämie für Kopfschüsse) und arbeitet Auftrage wie "Dinge besorgen", "ermordete Personen lokalisieren" oder "Objekte zerstören" ab. Zwischendurch tauchen dann plötzlich die BoS-Champions auf - alles in allem sehr unglaubwürdig und von Abwechslung fehlt jede Spur. Zwar unterscheiden sich die Missionsziele von Einsatz zu Einsatz, aber im Grunde genommen müsst ihr immer nur einen lineares Level ablaufen und dort alle feindlichen Soldaten umnieten. Diese treten häufig in kleinen Gruppen auf, was durchaus brauchbar

Ohne reparierbare Panzerung seid ihr im Kampf aufgeschmissen, da es keine Health-Packs gibt.
wäre, wenn eine funktionierende Gruppen-KI vorhanden wäre: Aber die Feinde schaffen es nicht, sich im Team zu organisieren, sich Feuerschutz zu geben oder Deckung zu suchen – immerhin ballern sie sich nicht gegenseitig über den Haufen.

Geld Wars

Vor jeder Mission rüstet ihr euch mit Waffen, Granaten und Schutzschilden aus, bevor ihr in die Schlacht zieht – dabei präsentiert sich das 40 Waffen umfassende Knarrenarsenal als obligatorisch und altbacken. Etwas mehr Pepp kommt mit euren Mitstreitern auf, denn bis zu zwei KI-Kumpanen dürft ihr anheuern und je nach gewählter Klasse entpuppen sich die erkauften Mannen als prima Investition, die zudem recht gut im Kampf agieren. Anschließend könnt ihr euch mit der lebensnotwendigen Panzerung ausrüsten, da verlorene Lebenspunkte auf dem Schlachtfeld nicht regeneriert werden können. Stattdessen könnt ihr die Rüstung an gewissen Terminals reparieren – für Geld versteht sich. "Ohne Moos nix los" heißt es ebenfalls beim Speichern: Nur gegen eine kleine Finanzspritze lässt sich ein Saveticket-Automat überreden, den Levelfortschritt zu sichern.        

Wetten ohne echten Einsatz

Last but not least müsst ihr euch für einen BoS-Opponenten entscheiden und je nach Feindwahl bekommt ihr beim Sieg einen bestimmten Batzen Geld. Für leichte Bosse gibt es weniger Geld als für Söldner, die einen höheren Platz in der Liga haben. Den Geldbetrag für diese Wetten könnt ihr nicht selbst bestimmen, die Geldsumme ist strikt festgelegt. Wo bleibt da bitte der Nervenkitzel, wenn ich z.B. mein ganzes Vermögen

Die Levels in Kuba gehören zu den Grafik-Highlights.
auf einen Feind setzen möchte? Der eben angesprochene Nervenkitzel keimt auch bei den BoS-Duellen nicht auf, da sich die Champions nur wenig unterscheiden und nahezu jeder 60-Sekunden-Kampf gleich abläuft: hektisches Dauerfauer pur (vor allem mit dem Raketenwerfer) und schon habt ihr gewonnen. Fortgeschrittene Kampftaktiken? Sind selten nötig. Das höchste der Gefühle ist es, mal ein Schild vom Gegner wegzuballern oder dem Feind in den Rücken zu fallen. So schön diese Duelle in Szene gesetzt wurden, so sinnlos sind sie spielerisch. Und da man nicht selbst bestimmen darf, wie viel Geld man verwetten möchte, bleiben die Wetten öde – echte Wett-Spannung kommt nicht auf. Was bleibt also übrig: Lineare Ballereien gegen geklonte Soldaten mit wenigen taktischen Anreizen, unterbrochen von leidlich netten Duellen, die jedoch viel Potenzial verschenken - da sind selbst die Kämpfe gegen die großen Exoskeletons (Mechs) spannender; und echte Liga-Stimmung kommt sowieso nur selten auf. Bet On Soldier spielt sich viel mehr wie ein altbackener Shooter in einem futuristischen Szenario – die witzigen Einfälle haben die Entwickler nicht konsequent ausgenutzt.

Gute Schauplätze, schlechte Ladezeiten

Während die linearen Missionen mit all ihren Ungereimtheiten keinen Shooter-Spaß entfachen, gibt es auf der Kehrseite etwas Gutes zu vermelden: In den zehn bis zwölf Kampagnen-Stunden trumpft Bet On Soldier mit streckenweise ausgezeichneten Schauplätzen auf. Egal ob ihr euch in futuristischen Schützengräben, bei einem gestrandeten Öl-Tanker in Alaska oder im Umkreis einer wunderschönen kubanischen Villa herumtreibt – überall haben sich die Entwickler bemüht, die Welt zum Leben zu erwecken. Viele der Schauplätze sind allesamt liebevoll zerstört und die postapokalyptische Kriegsstimmung wurde mit düsteren Texturen, finsteren Raucheffekten und geschickt eingesetztem Licht gut eingefangen. Hinzu gesellen sich hübsch geskriptete Ereignisse (aufgesprengte Türen, Fa

Das weitläufige Areal erweckt den Anschein von "Gameplay-Freiheit".
llschirmspringer), die das Schlachtfeld-Feeling intensivieren, solange sie funktionieren. Abgerundet wird die Optik von guten Shader-Effekten, die auf metallenen Objekten einen schönen Glanz hinterlassen, aber in den Gesichtern der Personen etwas zu verschwitzt wirken.

Trotz dieser guten Grafikseiten gibt es Schwächen zu bemängeln - und zwar die ruckeligen Animationen. Und so manch ein Areal wirkt trostlos und monoton, vor allem die Innenlevels sind blitzblank geputzt. Hinzu kommen die horrenden Ladezeiten: Selbst auf flotten High-End-Systemen krebst der Ladebalken im Schneckentempo voran und wenn endlich das Ausrüstungs-Menü erscheint, möchte man sich am liebsten sofort den Lade-Frust von der Seele ballern. Da helfen dann selbst nicht mehr die langen und hervorragend synchronisierten Intro-Videos.

Verkorkster Multiplayer-Modus

Wer jetzt denkt: "Mensch, so viel Potenzial verschleudert", der wird seinen Augen bzw. Ohren nicht trauen! Der Mehrspieler-Modus hätte enorm vom Bet On Soldier-Prinzip profitiert, aber da auch hier keine freien Wetten platzierbar sind, sondern nur feste Beträge gesetzt werden können, hält sich die Wett-Spannung in Grenzen. Stattdessen gibt es standardisierte Duelle zwischen zwei Fraktionen, die sich in leidlich spannenden Gefechten das Blei

Download: Patch 1.1 (791,4 MB)

Download: Singleplayer-Demo (541 MB)

Video: Featurette - Teil 1 (Laufzeit: 7:24 Min.)

Video: Featurette - Teil 2 (Laufzeit: 6:18 Min.)um die Ohren pusten – sofern es überhaupt dazu kommt! Schließlich gibt es keinen dedizierten Server für das Spiel und die Lag-Dichte ist nicht mehr feierlich. Hier müssen die Entwickler noch ordentlich feilen, um ein gescheites Multiplayer-Erlebnis abzuliefern und wenn sie schon dabei sind, sollten gleich die sechs Klassen im Balancing überarbeitet werden. Der Netcode ist ebenfalls nicht gerade der flinkeste, denn selbst auf den offiziellen Servern laggt das Spiel hin und wieder trotz einem halbwegs guten Ping von 120 und einem komplett spielerlosen Level. Da hilft es auch nicht viel, dass die sieben weiteren Multiplayer-Levels besser gestaltet sind als das unnötig komplizierte Ganggebilde aus der Beta.  

Fazit

Haben die Ideen von Bet On Soldier einen Publikumsaward verdient? Eigentlich schon, aber die inkonsequente Umsetzung wirkt in dem ewigen Kriegsszenario aufgesetzt und total unglaubwürdig. So müsst ihr in jeder Mission zunächst sinnlos lang Pappkameraden mit Amöben-KI über den Geldhaufen ballern, bevor ihr auf zuvor ausgewählte Liga-Champions trefft. Tja, und aufgrund des kurzen Zeitlimits sind die angepriesenen BoS-Duelle nur hektische Intermezzo-Schießereien inmitten einer anspruchslosen Level-Einbahnstraße, gepflastert mit tatsächlich abwechslungslosen Einsatzzielen. Lediglich die Schauplätze können halbwegs überzeugen, aber durch lange Ladezeiten, nervende Bugs und Abstürze wird das Spielerlebnis mächtig in Mitleidenschaft gezogen. Ganz zu Schweigen von dem 800 MB großem Patch, der am Releasetag herauskam und für Multiplayer-Duelle zwingend erforderlich ist. Trotzdem schafft der Patch es nicht, den Mehrspieler-Modus annähernd spielbar zu machen, da Lags, Disconnects und seltsame Geschwindigkeitsstörungen an der Tagesordnung sind. Übel ist auch, dass ihr selbst hier nicht den Wetteinsatz bestimmen dürft. Kurzum: Bet On Soldier hatte gute Ideen und ist an seinen Ambitionen vollends gescheitert. Die "fortgeschrittene Beta-Version", die jetzt in den Läden steht, hätte ruhig noch drei oder vier Monate weiterentwickelt werden sollen, nein, sogar müssen. Weder Singleplayer- noch Multiplayer-Modus können sich mit der aktuellen Konkurrenz auch nur annährend messen. Greift lieber zu Far Cry oder Half-Life 2, ihr werdet mit den beiden Shootern viel mehr Spaß haben. Wetten?

Pro

originelle Ideen…
unkomplizierte Ballereien
gutes Ausrüstungs-Menü
nett in Szene gesetzte Duelle
apokalyptisch schöne Schauplätze
prima Lokalisierung
schöne Videos
cooler BoS-Modus

Kontra

…die halbherzig umgesetzt wurden
800 MB großer Patch wird benötigt
Verkaufsversion wirkt unfertig
Abstürze, Bugs und Balancing-Probleme
Story mit Schwächen
kaum echte Liga-Atmosphäre
Wett-System spielerisch kaum sinnvoll
Wetteinsatz nicht frei wählbar
streng lineares Level-Design
monotones Gameplay
schwache Gegner-KI
Champion-Duelle viel zu hektisch
lange Ladezeiten
karge Innenlevels, schwache Animationen
rundum durchschnittliche Soundkulisse
unausgereifter Multiplayer
nur ein Mehrspieler-Modus
acht Karten sind zu wenig
kein dedizierter Server
Laggy oder mit Warp-Geschwindigket
kein freies Speichern, nicht mal bei "Easy"

Wertung

PC

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