Friedliche Rettung
Der Krieg, die KI der eigenen und gegnerischen Truppen, das lemminghafte Marschieren sowie die Wegfindung sind die großen Schwachstellen von Stronghold 2. Aber es gibt neben den ansehnlichen Belagerungen immerhin einen Rettungsanker, der das Spiel wenigstens nicht komplett in frustrierende Regionen abtreiben lässt: die friedliche Aufbaukampagne oder der freie Baumodus. Zwar müsst ihr hier auch ab und zu gegen wilde Tiere wie Wölfe oder Bären
|
Gemüsegärten und Hühnerstall - überall herrscht reges Treiben. |
antreten, die übrigens ähnliche Lethargie-Aussetzer zeigen wie die menschlichen Feinde, aber es geht in erster Linie um eine funktionierende Wirtschaft, um eure Beliebtheit beim Volk und königliche Ehre. Allerdings erreicht man nicht die komplexe Tiefe der früheren Siedlerteile, da man z.B. weder einzelne Produktionen stoppen (es lassen sich immer nur alle Holzfäller-Arbeiten einfrieren, nicht alle) noch Prioritäten im Mengenabbau setzen kann. Auch Fernwirkungen von Gebäuden à la
Medieval Lords: Bauen, Verteidigen, Erobern (Wertung: 78%) gibt`s nicht.
Dieses friedliche Dreigestirn kann trotzdem wesentlich besser motivieren als der Kampf. Das liegt u.a. daran, dass es viele Waren und Produktionsstätten gibt: Neben Obst, Gemüse, Käse und Fleisch gibt es u.a. Wolle, Hopfen, Steine, Holz, Eisen. Leider hat man erst dann eine Übersicht über den Stand der Rohstoffe, wenn man sich durch die Menüs klickt. Warum gibt es keine knackige Übersichtsleiste, die alles auf einen Blick auflistet? Man verbringt etwas zu viel Zeit damit, sich ein Bild von der Lage zu machen. Hinzu kommen einige Zicken im Interface: Wir hatten ab und zu Probleme, Buttons zu aktivieren.
Das beste Feature an Stronghold 2 ist das sofort aktualisierte Feedback: Wer seinem Volk eine breite Nahrungspalette anbieten kann, wird in dessen Gunst sofort steigen. Eine Skala von 1 bis 100 zeigt an, welcher Ruf euch vorauseilt. Sinkt der Wert unter 50, verlassen euch sogar Bauern und Arbeiter, was eure Wirtschaft gefährdet. Dann muss man nachhelfen: Entweder Steuern senken oder gar Geld verschenken oder die Rationen verdoppeln. Steigt der Wert dann wieder über die 50, kommen Leute in euer Reich und nehmen die brach liegenden Berufe wieder auf. Das System ist sehr einfach, aber angenehm nachvollziehbar.
Soziales & Ehre
Hinzu kommen natürlich soziale Gebäude für Richter und Henker oder Vergnügungsstätten für Sänger und Turnierkämpfer. Die Firefly Studios präsentieren hier den ganzen bunten Kosmos des Mittelalters, so dass spätestens nach zwei Stunden ein dichtes Gewusel und Gejohle in eurem Königreich herrscht. Aber je größer euer Volk, je größer die Herausforderungen: Verbrecher klauen euer Gold, Fäkalien sorgen für Gestank und irgendwann herrscht Ebbe in den Kornkammern. Das Schöne ist, dass man hier gezielt gegensteuern kann, indem man einen Richter engagiert, Jauchebauern den Dreck wegmachen lässt oder einen Markt baut, um gegen Gold oder Produkte wiederum Nahrung zu kaufen.
|
Das Menü des Königsmacher-Modus. Gute Idee, aber aufgrund der grauenhaften KI nicht spielenswert. |
Wichtig ist neben eurem Ruf auch die königliche Ehre, die ihr durch Festgelage mit illustren Speisen, ein möglichst breites Nahrungsangebot, den Bau einer Kirche oder eines Klosters sowie Ritterturniere und Heiraten erlangen könnt. Für die wertvollen Punkte könnt ihr wiederum territorial oder personell expandieren: Ihr dürft ganze Dörfer für 100 Punkte eurem Reich einverleiben oder schwer gepanzerte Ritter verpflichten. Auch hier bietet Stronghold 2 sehr viel Spielraum zum Experimentieren.
Aber während man im freien Sandkastenmodus herrlich unbeschwert expandiert und rumprobiert, gibt es im friedlichen Kampagnenmodus immer wieder kleine Aufgaben, die man erledigen muss, um ins nächste der knapp ein Dutzend Kapitel vorzudringen. Die sind teilweise interessant (Ruine wieder aufbauen), teilweise öde (alle Wölfe auf einer Karte erledigen) und manchmal frustrierend. Man nehme z.B. gleich zu Beginn den Kampf gegen das Feuer, das einfach irgendwann in eurem Reich ausbricht, manchmal an vielen Stellen gleichzeitig. Hier geht es einfach darum, in Trial&Error-Manier möglichst viele Brunnen zu platzieren. Aber warum wird dieser plötzliche und vollkommen willkürliche Feuerausbruch nicht besser in die Story integriert? Ärgerlich sind auch missverständliche Zielangaben, denn während der Sprecher euch nach Ziel A schickt, steht im Menü etwas von Ziel B. Überall findet man kleine Ungereimtheiten, die der Burgensimulation ein Bein stellen.