Mortyr 218.12.2004, Marcel Kleffmann
Mortyr 2

Im Test:

Der Zweite Weltkrieg nähert sich dem Ende und Adolf Hitler gerät in Panik. Also schnappt sich das Nazi-Oberhaupt eine Schar von Wissenschaftlern und versucht einen Dämon aus der Chaos-Dimension zu befreien. Hey, das ist die Hellboy-Story! Okay, in Mortyr 2 (ab 39,99€ bei kaufen) läuft es etwas anders, denn der Oberfiesling zaubert eine nukleare Superwaffe aus dem Hut, um den Endsieg zu feiern. Natürlich haben die Alliierten andere Pläne und schicken den britischen Helden "Sven Mortyr" in den Kampf! Wäre er doch besser zu Hause geblieben…

Lineare Sinnlos-Ballerei

In der elf Missionen langen Kampagne steuert ihr Sven in gewohnter Ego-Perspektive durch halbwegs abwechslungsreiche Gegenden in Polen, Norwegen, Griechenland oder sonst wo in Europa. In diesen strikt linearen Einsätzen bekommt ihr zwar eine recht umfangreiche Palette an Aufträgen

Sven Mortyr ist wieder im Einsatz. Diesmal muss er Nazis in Norwegen erledigen.
(Verteidigung, Kameraden retten, Unterlagen besorgen, Feinde eliminieren, Schleichen etc.) serviert, aber was bringen die tollsten Ziele, wenn sie total schwammig und ungenau formuliert werden? So müsst ihr des Öfteren planlos im Level herumlaufen, bis ihr zur passenden Stelle, an der es weitergeht, gekommen seid - sofern die geskripteten Ereignisse überhaupt funktionieren.

Das Ganze wäre ja nur halb so schlimm, wenn wenigstens das Design der Einsätze einigermaßen stimmig wäre, aber hier herrscht tote Hose, denn die feindlichen Nazi-Horden tauchen oftmals einfach immer wieder in großen Zahlen an hinlänglich bekannten Punkten auf. Kaum habt ihr ein Areal gesäubert, schon spawnen sie wie aus dem Nichts und ballern drauflos - da bleibt wenig Zeit, Munition oder Medkits einzusammeln.

Surfer Nazis Must Die

Apropos Ballern: Während ihr euch mit einem übergroßen Fadenkreuz abmühen müsst und mit nahezu jeder Waffe auf fünf Meter Entfernung nicht einmal einen Panzer trefft, können die Feinde sensationell gut mit den Knarren umgehen. So schnellen euch andauernd die Geschosse um die Ohren, obgleich ihr (wild ballernd) überhaupt nichts trefft.

Dafür können die Schmalspur-KI-Nieten nicht mit dem quasi unendlichen Granaten-Vorrat umgehen: Sie werfen meist planlos ihre Überraschungseier durch die Gegend und wenn mal einige Verbündete mit in die Luft fliegen, dann wird halt noch eine Granate geworfen - die Verstärkung spawnt ja

Alle Fässer fliegen hoch!!!
glücklicherweise gleich wieder. Intelligenz kann man diesen Feinden wahrlich nicht unterstellen, zumal ihnen Team-Manöver oder Deckung suchen so unbekannt zu sein scheinen, wie dem Entwickler-Team das Wort Fairness in Bezug auf die Waffen-Balance.

Ein Highlight, wenn man das überhaupt so nennen kann, sind kleine Stealth-Missionen, in denen ihr euch lautlos und mit permanent gedrückter Schleich-Taste mucksmäuschenstill bewegen müsst. Hier kommt wenigstens ein bisschen Atmosphäre auf, die beim sonstigen Tonnazisschießen fast auf der Strecke bleibt. Halbwegs gelungen sind auch die Level-Abschnitte mit den steuerbaren Fahrzeuge, so kommt wenigstens ein bisschen mehr Abwwechslung in die Dauerfeuer-Levels, obwohl Sven längst keinen Führerschein für jedes Vehikel hat.

     

Das schlechteste Speichersystem 2004

Wer jetzt denkt, Far Cry hätte mit den Checkpoints ein schlechtes Speichersystem, der wird bei Mortyr 2 eines Schlechteres belehrt, denn hier gibt es nur "Quicksave" - man achte auf den Singular; ja, es gibt nur ein einziges Quicksave! Keine Auto-Speicherpunkte und keine Level-Neustart-Funktion.

Gut, dass hier ein Wegweiser steht!
In ausweglosen oder von Gegnern umzingelten Situationen solltet ihr also besser nicht speichern. Am besten gleich den Finger weit weg von der Save-Taste lassen, denn sonst dürft ihr das tolle Spiel noch mal ganz von vorne beginnen.

Trotz der teilweise recht großen Levels und dem massiven Fauxpas bei den Savegames, habt ihr den Ego-Shooter aber in relativ kurzer Zeit durchgezockt. Danach kommt die Flucht in den Mehrspieler-Modus, der mit wahnsinnigen vier unterschiedlichen Karten aufwartet! Welch ein gnadenloser Triumph, sofern ihr einen Server findet…

Grafik

Die Kulisse des Ego-Shooters wird von der eigens entwickelten 3D-Engine gestellt, die mit astronomischen Hardwareanforderungen für dezente Ruckel-Orgien ohne Pracht sorgt. Selbst auf dem höchsten Detailgrad wabbelt ein lächerlicher Echtzeit-Schatten durch die Umgebung und die Texturen lassen höhere Auflösungen vermissen. Ansonsten macht bei Mortyr 2 irgendwie alles einen ziemlich

Die Natur sieht ja ganz hübsch aus, aber ob der Panzer mit eckigen Rädern so gut fahren kann?
eckigen Eindruck. Diese optischen Verbrechen erhalten aber dank der gut inszenierten Natur sowie der hübschen Spezial-Effekte noch mildernde Umstände im Grafikurteil.

Sound & Lokalisierung

Obwohl Mortyr 2 für nur 30 Euro zu haben ist, fällt die komplette Lokalisierung positiv auf: Während der Held mit einer ganz guten Stimme versehen wurde, sind die anderen Charaktere aber mit dermaßen schwachen Sprechern besetzt worden, dass man die Zwischensequenzen am liebsten abbricht. Sogar die Schmierendarsteller bei alltäglichen Gerichtssendungen haben mehr Esprit als diese Diplom-Langweiler. Untermalt wird das Spielgeschehen übrigens von linearer Hintergrundmusik.

  

Fazit

In Mortyr 2 steuert ihr eine laufende Ein-Mann-Armee der Briten - total unrealistisch, technisch veraltet, und erzählerisch abgedroschen. Dass der projektilreiche Kampf gegen ständig wiederkehrende Gegnermassen durchaus faszinieren kann, bewies jüngst Painkiller. Aber was hier für hirnlose KI-Feinde vom Stapel lassen werden, ist mehr als lachhaft. Komplettiert wird die 08/15-Ballerei durch ein grottenschlechtes Speichersystem, ein überholtes Missions-Design und nicht zuletzt ein absolut unfaires Waffen-Balancing! Aber selbst Mortyr 2 hat gute Seiten, die den ganz üblen Verriss verhindern: Kurzfristig kommt dank der Fahrzeuge, der ansehnlich inszenierten Natur sowie der spannenden Schleicheinsätze tatsächlich Spaß auf. Aber soll man für diese lichten Momente noch 30 Euro ausgeben? Nein! Das ist es einfach nicht Wert. Wollt ihr Action im Zweiten Weltkrieg genießen, dann greift zu Medal of Honor oder Call of Duty!

Pro

teilweise unverbrauchte Schauplätze
viele Missionsziele
realistisches Waffenarsenal
steuerbare Fahrzeuge
Schleichen bringt Abwechslung
Physik-Engine
gute Natur-Darstellung
komplette Lokalisierung

Kontra

mieses Speichersystem
lineares, einfallsloses Missionsdesign
ungenaue Missionsbeschreibungen
geskriptete Ereignisse funktionieren nicht immer
unfaires Waffen-Balancing
strunzdoofe Künstliche Intelligenz
andauernde Respawns der Gegner
eckiges Level-Design
durchschnittliche Grafik-Engine
schwache Synchronsprecher

Wertung

PC

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